Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Die Schicksalswahl steuert auf das Finale zu

200.000 Wahllokale mit hoher Wahlbeteiligung haben in der Türkei geschlossen

In der Türkei haben die Wahllokale für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geschlossen.

Die rund 200.000 Lokale schlossen um 17.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MESZ), aus zahlreichen Orten war zuvor von einer hohen Beteiligung berichtet worden. Erste Ergebnisse der Wahl, die als Referendum über die Zukunft des langjährigen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan gesehen wird, werden am frühen Abend erwartet.

Eigentlich soll nach Schließung der Wahllokale eine vierstündige Nachrichtensperre gelten. Erste Teilergebnisse werden in der Türkei aber häufig bereits weit vor Ablauf dieser Frist veröffentlicht.

Bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl in der Türkei zeichnet sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Nach Zahlen der Opposition waren einige Wahlurnen in der Millionenmetropole Istanbul bereits am frühen Sonntagnachmittag gefüllt, vor vielen Wahllokalen hatten sich schon vor der morgendlichen Öffnung Schlangen gebildet. Nach 20 Jahren an der Macht muss Präsident Recep Tayyip Erdogan diesmal um seine Wiederwahl bangen. Eine Niederlage gegen Oppositionskandidat Kemal Kilicdaroglu könnte einen Bruch mit Erdogans autoritärem Kurs bedeuten.

Beobachter rechneten mit einer hohen Wahlbeteiligung. Bei der letzten landesweiten Wahl hatte der 69-jährige Erdogan mit 52,5 Prozent der Stimmen gewonnen, die Wahlbeteiligung lag bei Wahlbeteiligung mehr als 86 Prozent.  

Neuer Präsident wird, wer im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt. Schafft dies keiner der Kandidaten, treten die zwei Erstplatzierten in zwei Wochen in einer Stichwahl gegeneinander an.

Erdogan regiert das Land mit seinen 85 Millionen Menschen seit zwei Jahrzehnten; seit 2003 zunächst als Ministerpräsident und seit 2014 als Präsident. Die Präsidentschafts- und Parlamentswahl wurde daher von vielen Menschen als Abstimmung für oder gegen Erdogan und seine islamisch-konservative AKP wahrgenommen.

Auch auf den Nahen und Mittleren Osten, die Europäische Union und die USA könnte sich die Wahl erheblich auswirken. Unter Erdogans Herrschaft hat das Nato-Mitglied Türkei seine geopolitische Macht erheblich ausgebaut.

"Sie sind seit meiner Geburt an der Macht. Ich will jetzt Veränderung", sagte die 19-jährige Erstwählerin Sila, nachdem sie in einem Wahllokal in der Hauptstadt Ankara ihre Stimme abgegeben hatte. 

Für Erdogan, der noch nie in eine Stichwahl musste, könnte es diesmal eng werden. Sein Widersacher Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP hat mit einem Bündnis aus sechs Parteien fast die komplette Opposition hinter sich vereint und lag in den meisten Umfragen vorne. In einem Teil der Erhebungen wurden ihm sogar Chancen auf einen Sieg im ersten Wahlgang eingeräumt.

Bei der Wahl des türkischen Parlaments mit 600 Sitzen wird indes ein knapper Sieg des rechtsgerichteten Bündnisses erwartet, das Erdogan unterstützt. Die Opposition kann sich dennoch Hoffnung auf eine Mehrheit machen, falls sie sich die Unterstützung der Wähler eines pro-kurdischen Linksbündnisses sichert. 

"Wir alle haben die Demokratie vermisst", sagte der 74-jährige nach seiner Stimmabgabe in einem Wahllokal in Ankara. Erdogan sagte nach der Stimmabgabe in Istanbul, er hoffe auf ein gutes Wahlergebnis für die Zukunft der Türkei.

Erdogan, dessen Wählerbasis zu einem großen Teil aus religiös-konservativen und nationalistischen Wählern besteht, hatte im Wahlkampf stark auf religiöse Themen und Kulturkampf gesetzt - nach Einschätzung von Beobachtern, um von den schweren wirtschaftlichen Problemen im Land und Versäumnissen bei der Reaktion auf das verheerende Erdbeben im Grenzgebiet zu Syrien abzulenken.

Kilicdaroglu will der Türkei im Falle eines Wahlsiegs nach eigenen Worten die "Demokratie wiederbringen" und das von Erdogan eingeführte Präsidialsystem abschaffen, das er als "Ein-Mann-Regime" kritisiert. Künftig soll wieder das Parlament den Regierungschef wählen, die Amtszeit des Präsidenten soll auf einmalig sieben Jahre begrenzt werden.

Die rund 64 Millionen Wahlberechtigten können noch bis 17.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MESZ) ihre Stimmen abgeben. In der Türkei gibt es keine Nachwahlbefragungen, die Stimmen werden in der Regel aber schnell ausgezählt. Nach Schließung der Wahllokale gilt zunächst eine vierstündige Nachrichtensperre.

se/gt

se/gt  © Agence France-Presse