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Neue Erkenntnisse in der Proteinforschung

Neue Studie vergleicht sogenannte "De-novo-Proteine", die bei Taufliegen und Menschen vorkommen mit vom Computer hergestellten Proteinen im Hinblick auf Stabilität und Löslichkeit. Dabei wurden kleine, aber signifikante Unterschiede nachgewiesen.

Proteine sind Bestandteile jeder Zelle. Wie sie sich im Laufe der Evolution verändern, um neue Funktionen im Körper zu übernehmen, ist seit Langem ein Thema der Forschung. Dass Proteine auch aus einer zufällig neu entstandenen DNA-Struktur in zuvor nicht codierenden Bereichen des Genoms quasi aus dem Stegreif neu entstehen können, ist eine relativ junge Erkenntnis und im Vergleich zu den „klassischen“ evolutionären Prozessen wenig untersucht. Ein tschechisch-deutsches Forschungsteam um die Biochemikerin Dr. Klára Hlouchová von der Karls-Universität Prag und den Bioinformatiker Prof. Dr. Erich Bornberg-Bauer von der Universität Münster hat nun erstmals „De-novo-Proteine“ mit vom Computer generierten Proteinen im Hinblick auf Stabilität und Löslichkeit experimentell verglichen und dabei kleine, aber signifikante Unterschiede nachgewiesen. Die Studie ist in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Ecology and Evolution“ veröffentlicht.

Das Team verglich 1.800 Kandidaten für De-novo-Proteine, die bei Taufliegen und Menschen vorkommen und dort in Form von DNA in nicht codierenden Bereichen des Genoms liegen, mit per Computer zufällig generierten Proteinen. Während Strukturvorhersagen, die die Forscher mit Hilfe verschiedener Computerprogramme durchführten, beide Proteinklassen als sehr ähnlich klassifizierten, zeigten die Laboruntersuchungen kleine Unterschiede, die die Vorhersagen nicht entdeckten. So besaßen die De-novo-Proteine im Laborversuch durchschnittlich eine etwas höhere Löslichkeit, die auf der sogenannten Sekundärstruktur beruht. „Wir sehen auch, dass De-novo-Proteine trotz ihres recht jungen Ursprungs besser in die Zelle integriert werden können, als wir es von zufällig entstandenen Proteinen erwartet hätten“, unterstreicht Erstautor Brennen Heames aus Münster. „Diese Ergebnisse deuten auf eine natürliche Selektion bereits in der frühen Phase der Entstehung dieser Proteine hin.“

Margaux Aubel, Mitautorin aus der münsterschen Gruppe, fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse haben vor allem einen Nutzen für die Grundlagenforschung im Bereich der De-novo- Evolution. Aber in unserem Datensatz sind viele menschliche De-novo-Proteine, die wir auf Löslichkeit und auf die Fähigkeit, zu aggregieren, untersucht haben. Letztere spielt bei verschiedenen Krankheiten eine Rolle, und einige Studien haben bereits gezeigt, dass De-novo-Proteine auch mit Krankheiten assoziiert sein können. Vielleicht tragen unsere Ergebnisse auch dazu bei, mehr über die Rolle dieser bisher wenig untersuchten Proteine bei der Entstehung von Krankheiten zu erfahren.“

Vorherige Arbeiten untersuchen die De-novo-Evolution häufig rein theoretisch und nehmen dabei große Datensätze unter die Lupe. Experimentelle Studien beleuchten dagegen meist einzelne De-novo-Proteine. Ein Vergleich von De-novo-Proteinen mit zufällig generierten Sequenzen wurde zwar in theoretischen Studien bereits gemacht, allerdings nie experimentell verifiziert. Da die „De-novo-Proteine relativ jung sind und in nicht codierender DNA entstanden, die keinem oder nur einem geringen Evolutionsdruck ausgesetzt ist, sind diese Proteine eher mit zufällig generierten Proteinen als mit alten, etablierten Proteinen vergleichbar.

Zu den Methoden: Das Team nutzte Computerprogramme, um Eigenschaften der Proteine vorherzusagen. Für die experimentelle Analyse stellten die Forscher die gewünschten Proteine her. Diese Proteine überprüften sie mit Massenspektrometrie. In einem weiteren Durchgang gaben sie ein proteinabbauendes Enzym hinzu. Dadurch testeten sie, wie viele der Proteine abgebaut wurden und konnten so Rückschlüsse auf deren Stabilität ziehen. Um die Löslichkeit der Proteine zu untersuchen, nutzte das Team als Indikator einen molekularen Transportmechanismus des Bakteriums Escherichia coli. Die so identifizierten löslichen Proteine wurden per DNA-Sequenzierung (Next Generation Sequencing) näher bestimmt.

Die Arbeit erhielt finanzielle Unterstützung durch die Volkswagen-Stiftung, den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), die Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen (Rahmenprogramm „Horizont 2020“) und den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung der Europäischen Kommission, das PRIMUS-Forschungsprogramm der Karls-Universität Prag sowie das Bildungsministerium der Tschechischen Republik.


Originalveröffentlichung

Brennen Heames, Filip Buchel, Margaux Aubel, Vyacheslav Tretyachenko, Dmitry Loginov, Petr Novák, Andreas Lange, Erich Bornberg-Bauer, Klára Hlouchová (2023): Experimental characterisation of de novo proteins and their unevolved random-sequence counterparts. Nature Ecology and Evolution 7, 70–580; DOI: 10.1038/s41559-023-02010-2