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Selbstbestimmung ohne eine Herabwürdigung eines jeden

Paus und Buschmann zufrieden mit Einigung bei geplantem Selbstbestimmungsgesetz

Nach der Einigung auf einen Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz (Wikipedia) zeigen sich die beiden verantwortlichen Regierungsmitglieder, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), zufrieden.

Paus erklärte am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, das neue Gesetz solle "endlich die Würde der Betroffenen" berücksichtigen. Am Samstag war bekannt geworden, dass sich die Regierung über noch offene Fragen für die geplante vereinfachte Änderung von amtlichem Geschlechtseintrag und Vornamen verständigt hatte.

Demnach sollen Trans-, intergeschlechtliche und nicht binäre Menschen nur noch eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt abgeben müssen, wenn sie den Vornamen oder den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern wollen. Bisher müssen Betroffene für eine Änderung der einreichen. Dann entscheidet das zuständige Amtsgericht. Einträge zwei psychologische Gutachten

Buschmann erklärte gegenüber AFP, das Selbstbestimmungsgesetz werde "das große Versprechen einlösen, das wir im Koalitionsvertrag gegeben haben: Das Gesetz wird es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern zu lassen."

Die Einigung zwischen dem Familien- und dem Justizministerium sieht einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge unter anderem vor, dass eine Geschlechtsänderung im Personenstandsregister bei Minderjährigen unter 14 Jahren nur von den Sorgeberechtigten beantragt werden können soll. Bei Jugendlichen ab 14 und einem Konflikt mit den Eltern soll demnach ein Gericht entscheiden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

Vorgesehen ist laut "SZ" auch eine Bedenkzeit. Erst drei Monate nach dem Antrag auf Geschlechtsänderung beim Standesamt soll die Entscheidung tatsächlich wirksam werden. Eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags soll laut dem Bericht frühestens nach einem Jahr möglich sein. Zudem wurde demnach zusätzlich ein Passus zur Präsenz von transgeschlechtlichen Personen in geschützten Frauenräumen eingefügt. Dort soll unabhängig vom Geschlechtseintrag im Pass wie bisher das Hausrecht gelten.

Buschmann kündigte an, dass der Öffentlichkeit aller Voraussicht nach schon "sehr bald" ein fertiger Gesetzentwurf vorgestellt werden könne. "Vom Selbstbestimmungsgesetz profitieren werden alle, deren Geschlechtsidentität abweicht von dem Geschlechtseintrag, der im Personenstandsregister für sie eingetragen ist", sagte der Justizminister AFP.

Zugleich sei es wichtig, dass das Gesetz "die legitimen Interessen der gesamten Gesellschaft" in den Blick nehmen solle. "Hausrecht und Vertragsfreiheit müssen deshalb gewahrt bleiben; Möglichkeiten des Missbrauchs - und seien sie noch so fernliegend - müssen ausgeschlossen sein."

Paus kündigte an, dass die Ressortabstimmung des Gesetzesentwurfs noch vor Ostern starten solle. Danach solle es zügig in die Verbändeanhörung gehen. "Dann liegt es am Bundestag, das Selbstbestimmungsgesetz zu beraten und zu beschließen." Die Ministerin sprach gegenüber AFP von einem "entscheidenden Schritt" zur Abschaffung des gut 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes "mit seiner Herabwürdigung und Diskriminierung von Trans*menschen".

Die "herabwürdigenden, teuren und langwierigen Zwangsbegutachtungen" fielen weg "und der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister kann durch eine einfache Erklärung geändert werden", fasste Paus zusammen. 

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer begrüßte die Einigung. Die Koalition löse ein "zentrales gesellschaftspolitisches Versprechen" ein, nämlich dass die Grund- und Menschenrechte von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nonbinären Menschen in Deutschland gewahrt würden, sagte sie AFP. "Langwierige, teure und oft auch demütigende Verfahren, in denen sich transgeschlechtliche Menschen übergriffige Fragen in Zwangsbegutachtungen über sich ergehen lassen mussten, gehören dann der Vergangenheit an."

Auch der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jan Plobner (Wikipedia), sagte AFP: "Wir begrüßen als SPD-Fraktion ausdrücklich, dass es mit dem Selbstbestimmungsgesetz jetzt endlich vorangeht." Menschenunwürdige Verfahren bei der Änderung eines einfachen Geschlechtseintrages müssten "und werden bald der Vergangenheit angehören."

smb/bk © Agence France-Presse