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Neue erschreckende Erkenntnisse im Sabotagefall

Berichte: Spuren bei Ermittlungen zu Nord-Stream-Sprengungen führen in Ukraine

Bei der Untersuchung der Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee im September ist deutschen Ermittlungsbehörden laut Medienberichten offenbar ein Durchbruch gelungen. Bei dem Sabotageakt führten Spuren in die Ukraine, berichteten "Die Zeit" und die ARD am Dienstag unter Berufung auf Ermittlungsergebnisse. Die Tätergruppe habe ein Boot genutzt, das von einer Firma im Besitz zweier Ukrainer angemietet worden sei. Die "New York Times" berichtete über Erkenntnisse über eine "pro-ukrainische Gruppe".

Die "Zeit" berichtete auf ihrer Website, gemeinsame Recherchen mit dem ARD-Hauptstadtstudio, dem ARD-Politikmagazin "Kontraste" und dem SWR hätten ergeben, dass deutsche Ermittlungsbehörden weitgehend rekonstruiert hätten, wie und wann der Sprengstoffanschlag auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2 vorbereitet wurde. Demnach identifizierten sie das Boot, das mutmaßlich für die Geheimoperation in der Nacht zum 26. September 2022 genutzt wurde.

Dem Bericht zufolge soll es sich um eine Jacht handeln, die von einer Firma mit Sitz in Polen angemietet worden sei. Die Firma gehöre offenbar zwei Ukrainern. An der Sprengung seien den Ermittlungen zufolge fünf Männer und eine Frau beteiligt gewesen. Die Gruppe habe sich zusammengesetzt aus einem Kapitän, zwei Tauchern, zwei Tauchassistenten und einer Ärztin. 

Das Team verfügte laut "Zeit" und ARD über professionell gefälschte Reisepässe, die unter anderem für die Anmietung des Bootes genutzt worden sein sollen. Das Kommando sei am 6. September 2022 von Rostock aus in See gestochen. Die Ausrüstung für die Geheimoperation sei vorher mit einem Lieferwagen in den Hafen gebracht worden.

Im weiteren Verlauf gelang es den Ermittlern den Medienrecherchen zufolge, das Boot am folgenden Tag in Wieck am Darß und später an der dänischen Insel Christiansö zu orten. Nachdem die Jacht in ungereinigtem Zustand zurückgegeben worden sei, hätten Ermittler auf dem Tisch in der Kabine Spuren von Sprengstoff nachgewiesen. Die Ermittler fanden den Recherchen zufolge allerdings keine Beweise dafür, wer die Nord-Stream-Zerstörung in Auftrag gegeben hat.

In der ARD hieß es, in internationalen Sicherheitskreisen werde nicht ausgeschlossen, dass bewusst Spuren gelegt worden sein könnten, um die Ukraine als Urheber hinzustellen. Hinweise auf eine solche sogenannte False-Flag-Aktion lägen den Ermittlern aber offenbar nicht vor.

Die "New York Times" ("NYT") berichtete am Dienstag, dass nach Erkenntnissen der US-Regierung eine pro-ukrainische Gruppe hinter dem Sprengstoffanschlag stecke. Verantwortlich seien vermutlich ukrainische oder russische Staatsbürger, sagten demnach mehrere anonyme US-Regierungsvertreter unter Berufung auf neue Geheimdienstinformationen. Hinweise auf eine Verwicklung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj oder seines engen Umfelds gebe es nicht.

Eine Sprecherin der Bundesregierung erklärte auf Anfrage, die Bundesregierung habe den "NYT"-Bericht zur Kenntnis genommen. Deutschland, Schweden und Dänemark hätten den UN-Sicherheitsrat vor wenigen Tagen darüber informiert, dass ihre "Untersuchungen laufen und es noch kein Ergebnis gebe".

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte US-Präsident Joe Biden am Freitag in Washington getroffen. Ob es dabei auch um die Ermittlungen zu den Nord-Stream-Sprengungen ging, ist nicht bekannt.

Der US-Auslandsgeheimdienst CIA wollte den "NYT"-Bericht nicht kommentieren. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte auf Nachfrage, die Ermittlungen von Deutschland, Schweden und Dänemark seien noch nicht abgeschlossen, und er wolle den Ergebnissen nicht vorgreifen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg pflichtete bei einem Besuch in Stockholm bei, es sei "nicht richtig zu spekulieren, bis die laufenden Ermittlungen abgeschlossen wurden".

Die Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.

Als Drahtzieher der mutmaßlichen Sabotage wurde unter anderem Russland selbst verdächtigt. Die russische Regierung wies dies entschieden zurück und zeigte mit dem Finger auf Washington. Die US-Regierung hatte den Bau von Nord Stream 2 als geopolitisches Druckmittel des Kremls verurteilt.

Anfang Februar sorgte dann der bekannte US-Investigativreporter Seymour Hersh mit einem Bericht für Aufsehen, demzufolge US-Marinetaucher bereits im Juni Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht haben sollen. Diese seien im September ferngezündet worden.

Die US-Regierung hat dies entschieden zurückgewiesen. Unabhängige Faktenprüfer haben auf Ungereimtheiten in dem Hersh-Bericht hingewiesen.

yb/fs/lob/dja  © Agence France-Presse