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Ein Jahr Krieg

und trotzdem wuchs die deutsche Wirtschaftsleistung um 1,8 Prozent zum Vorjahr

Deutschlands Wirtschaftsleistung ist zum Ende des vergangenen Jahres merklich geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt ging im Vergleich zum dritten Quartal um 0,4 Prozent zurück, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mitteilte. Damit verdichten sich die Anzeichen für eine technische Rezession über die Wintermonate.

In seiner ersten vorläufigen Berechnung von Ende Januar war das Bundesamt noch von minus 0,2 Prozent ausgegangen. Der schlechtere Wert ändert aber nichts an der Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr 2022: Deutschlands Wirtschaft wuchs um 1,8 Prozent zum Vorjahr, wie die Statistiker betonten.

Zum Jahresende belasteten die weiterhin starken Preissteigerungen und die anhaltende Energiekrise die deutsche Wirtschaft. Das machte sich demnach besonders bei den privaten Konsumausgaben bemerkbar: Sie gingen im vierten Quartal um 1,0 Prozent zurück. Nach dem Wegfall von Vergünstigungen wie Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket gaben die Verbraucherinnen und Verbraucher weniger für Konsumzwecke aus als im dritten Quartal, wie die Statistiker erläuterten.

Auch die Investitionen gingen zurück, etwa die Bauinvestitionen um 2,9 Prozent. Im Gesamtjahr 2022 brachen die Aufträge in der Baubranche preisbereinigt um fast zehn Prozent ein, wie das Statistikamt am Freitag ebenfalls mitteilte. 

Im vierten Quartal schrumpften die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge um 3,6 Prozent. Die Exporte Deutschlands sanken um 1,0 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, die Importe um 1,3 Prozent. Dies sei vor allem den hohen Preisen für Energie geschuldet, erklärten die Statistiker. Das habe sich unter anderem im schwächeren Handel mit chemischen Produkten bemerkbar gemacht. 

Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK Webpräsenz) der Hans-Böckler-Stiftung, hält für das laufende Quartal eine weitere Schrumpfung der Wirtschaftsleistung für "nicht unwahrscheinlich, wenn auch noch nicht ausgemacht". Bei einem Minus im ersten Quartal 2023 "hätte Deutschland tatsächlich über den Winter eine Rezession erlebt".

Ab dem Frühjahr sei dann mit einer "gewissen wirtschaftlichen Erholung zu rechnen". Damit wäre die deutsche Wirtschaft zunächst "mit einem blauen Auge durch die Energiekrise gekommen", erklärte Dullien. "Insgesamt sind allerdings die Aussichten für das Gesamtjahr 2023 nicht rosig. Das Wachstum dürfte im Jahresvergleich nahe an der Stagnationsgrenze liegen."

"Die deutsche Wirtschaft hat überraschend mehr Widerstandskraft gezeigt als gedacht", erklärte der ING-Analyst Carsten Brzeski. Dies habe viel mit staatlicher Unterstützung und dem milden Winter zu tun und "ist definitiv keine Garantie für einen baldigen starken Aufschwung".

Die Konjunkturexperten der Förderbank (KfW-Webpräsenz) erwarten für 2023 eine Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent. "Berücksichtigt man, dass 2023 zwei Arbeitstage weniger zur Verfügung stehen als 2022 und allein diese Fluktuation der Arbeitstagezahl 0,2 Prozentpunkte Wachstum kostet, entspricht unsere neue Prognose materiell einer Stagnation im laufenden Jahr", erklärte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib.

"Trotz absehbar nachlassendem Inflationsdruck wird die Geldentwertung ein Belastungsfaktor bleiben und im laufenden Jahr zu rückläufigen privaten Konsumausgaben führen", erklärte sie. "Erst 2024 ist bei dann wohl wieder positiver Reallohnentwicklung mit einer Erholung zu rechnen."

pe/ilo AFP