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Kinderkrebstag am 15.2.2023

Rote Karte den pädiatrischen Krebserkrankungen

Berlin - (ots) - Jährlich sterben in Deutschland bis zu 400 Kinder und Jugendliche an malignen Erkrankungen (bösartige Erkrankungen). Viele könnten gerettet werden, wenn die Kinderonkologie vergleichbare Aufmerksamkeit erhalten würde, wie die Erwachsenenonkologie. Vision Zero e.V. fordert daher mehr Engagement und Ressourcen für unsere jüngsten Krebspatient:innen.

Eine Krebsdiagnose ist immer erschütternd, ganz besonders aber wenn sie junge Menschen trifft. Hierzulande teilen dieses Schicksal jährlich etwa 2.200 Kinder und Jugendliche, die meisten davon unter fünf Jahren (1). Für viele Betroffene und ihre Eltern mag es ein Hoffnungsschimmer sein, dass die Heilungsraten in der Kinderonkologie bei 82 Prozent liegen (2). Umgekehrt heißt dies aber auch, dass bis zu 400 Kinder und Jugendliche pro Jahr an ihrer Krebserkrankung sterben. Dabei könnten viele dieser Todesfälle verhindert werden, sind sich Expert:innen sicher.

Laut Professor Dr. Angelika Eggert, Berlin, braucht es dazu vor allen Dingen mehr Forschung. "Die Expertise dazu ist vorhanden, wir haben hochqualifizierte Arbeitsgruppen, wir haben Netzwerke, in denen die Partner gut kooperieren, und wir haben Patient:innen, die die Forschung unterstützen. Was uns fehlt, sind Möglichkeiten, die Forschung im wünschenswerten Umfang zu finanzieren." Auch die pharmazeutische Industrie beteilige sich nur zurückhaltend, so Professor Eggert: "Pädiatrische Krebserkrankungen sind für die Unternehmen eben kein sonderlich attraktiver Markt."

In zehn Schritten zur Vision Zero

"Das Ziel der Vision Zero - die Zahl der krebsbedingten Todesfälle gegen null zu bringen - gilt aber selbstverständlich auch bei Kindern", betont Professor Eggert. Um es zu erreichen, hat sie zusammen mit anderen pädiatrischen Onkolog:innen einen 10-Punkte-Plan erstellt, der erstmals auf dem Vision Zero Symposium 2022 veröffentlicht wurde. Er benennt notwendige Forschungsprojekte, fordert den Einsatz bioinformatischer Verfahren, wie zum Beispiel künstlicher Intelligenz, und tritt ein für eine intensivere Kooperation zwischen pädiatrischen Krebsforscher:innen, Pharmaindustrie und regulatorischen Behörden sowie für mehr Interdisziplinarität in der Versorgung.

Der vollständige Plan kann unter www.vision-zero-oncology.de heruntergeladen werden. Vision Zero e.V. unterstützt die darin erhobenen Forderungen ausdrücklich und ersucht alle Akteur:innen in der Klinik, der pharmazeutischen Industrie und der Politik, ihn als Leitfaden für mehr Engagement in der pädiatrischen Onkologie zu nehmen. "Unsere krebskranken Kinder würden davon profitieren", sagt Professor Eggert.

Über Vision Zero e.V.

Vision Zero e.V. ist ein Zusammenschluss namhafter Vertreter:innen aus Wissenschaft, Medizin, Medien, Stiftungen, Verbänden und forschender Industrie. Der Verein versteht sich als ThinkTank und will dazu beitragen, die Prävention und Früherkennung von Krebserkrankungen nachhaltig zu verbessern, die onkologische Präzisionsdiagnostik sowie innovative Therapiekonzepte nachhaltig zu fördern und Vorlagen für Entscheidungsträger in der Gesundheitspolitik zu erarbeiten. Ziel ist es, die Zahl der vermeidbaren krebsbedingten Todesfälle drastisch zu senken, idealerweise gegen null zu bringen.

(1) Deutsches Kinderkrebsregister, Jahresbericht 2019
(2) Robert-Koch-Institut: Krebs in Deutschland für 2015/2016; Kapitel Krebs bei Kindern


Vision Zero e.V.

E-Mail: info@vision-zero-oncology.de
www.vision-zero-oncology.de

Professor Dr. Angelika Eggert Krebs bei Kindern:
Roadmap für bessere Heilungschancen
Die Heilungsraten in der pädiatrischen Onkologie stagnieren seit einigen Jahren und jährlich sterben mehr als 400 Kinder und Jugendliche in Deutschland an einer Krebserkrankung.
Dabei ist die Vision Zero in diesem Teilbereich der Krebsmedizin zum Greifen nahe, was zu tun ist, liegt auf der Hand. Pädiatrisch tätige Onkolog:innen wollen das nicht länger hinnehmen und schlagen einen 10-Punkte-Plan vor.

Im Kindes- und Jugendalter sind Krebserkrankungen glücklicherweise selten. Dennoch ist Krebs die häufigste tödliche
Krankheit in dieser Altersgruppe. In Deutschland sind jedes Jahr ca. 2300 junge Patient:innen neu davon betroffen. Die
häufigsten Krebserkrankungen sind Leukämien (34%), Hirntumoren (23%), Lymphome (12%) und Neuroblastome (8%).

Da Krebszellen bei Kindern andere Eigenschaften haben, können wir aus Erkenntnissen der Erwachsenen-Onkologie
oft nur wenig für die Krebstherapie bei Kindern lernen.

Dank der jahrzehntelangen Kooperation behandelnder Ärzt:innen und Forscher:innen im Rahmen vorbildlich strukturierter Behandlungsstudien gehört der Kampf gegen Krebs bei Kindern dennoch zu den Erfolgsgeschichten der Medizin:

In Europa überleben heute über 82% aller Kinder und Jugendlichen mit Krebserkrankungen. Aber es bleibt noch viel
zu tun, denn immer noch versterben in Deutschland jedes Jahr mehr als 400 Kinder und Jugendliche an ihrer Krebser-krankung. Das müssen wir verbessern, denn auch für Kinder gilt die Vision Zero! Um sie schneller zu erreichen, schlagen wir einen strategischen 10-Punkte-Plan vor:

Ziel 1: Neue Medikamente, die für Karzinome des Erwachsenenalters entwickelt wurden, sind aufgrund ihrer begrenzten Wirksamkeit für die Therapie vieler kindlicher Krebserkrankungen nicht gut geeignet. Eine gezielte Krebsforschung und eigene klinische Studien für Kinder, die sich mit den besonderen Eigenschaften kindlicher Krebserkrankungen beschäftigen, sind daher unerlässlich. Hierfür sind neue Konzepte der Zusammenarbeit von pädiatrischen
Krebsforscher:innen mit der Pharmaindustrie und mit den regulatorischen Behörden erforderlich.
Ziel 2: Die erhebliche Unterfinanzierung der Kinderonkologie im deutschen DRG-System und die daraus resultierenden Defizite haben deutschlandweit fast alle Kinderkrebszentren in wirtschaftliche Turbulenzen geführt. Im Rahmen der geplanten Entwicklung einer neuen Krankenhausvergütung für die Pädiatrie unabhängig vom bestehenden DRG-System muss hier dringend Abhilfe geschaffen werden, um die Versorgungsqualität krebskranker Kinder und    Jugendlicher nicht länger zu gefährden.
Ziel 3: Die Möglichkeiten der Präzisionsonkologie müssen durch umfassende molekulare Analysen, möglichst auf der Ebene einzelner Zellen (durch sogenannte Single Cell Technologien) ausgeschöpft und erweitert werden, um herauszufinden, welche Moleküle in welcher Krebszelle einen bedeutenden Defekt aufweisen und sich als Zielstruktur für die Entwicklung neuer Medikamente eignen.
Ziel 4: Dafür müssen neue computergestützte, bioinformatische Verfahren (Künstliche Intelligenz, KI) angewendet werden, um eine schnelle und umfassende Auswertung der großen molekularen Datenmengen zu erlauben.
Ziel 5: Neue Methoden der effizienten präklinischen Auswahl vielversprechender Medikamente (sogenannte Drug Screening Methoden) unter Nutzung geeigneter patienten-abgeleiteter Modelle (z.B. Organoide) müssen etabliert und flächendeckend durchgeführt werden.
Ziel 6: Entwicklung und Einsatz vielversprechender immuntherapeutischer Ansätze (Antikörper, CAR-T-Zelltherapie) müssen nicht nur für Leukämien, sondern auch für Tumorerkrankungen vorangetrieben werden. Die regulatorischen Hürden für Herstellung und Einsatz dieser Therapien sind in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA derzeit überdurchschnittlich hoch und müssen dringend bundesweit vereinheitlicht und möglichst weit abgebaut werden.
Ziel 7: Neue Erkenntnisse zur Entstehung pädiatrischer Krebserkrankungen müssen mit innovativen molekularen Methoden gewonnen werden, um neue Präventions- oder frühe Interventionsstrategien zu entwickeln. Ebenso wichtig ist die Prävention Krebserkrankungen durch Impfungen, Screening auf genetische Disposition und Aufklärung über Risikofaktoren (Rauchen, Sonne, Ernährung etc.).
Ziel 8: Forschungsprogramme zur Entwicklung neuer, zuverlässiger Methoden zur Überwachung des patientenin dividuellen Therapieerfolgs (Monitoring) durch Liquid Biopsies müssen etabliert werden.
Ziel 9: Gezielte Forschungsprogramme zur Prävention von Spätfolgen einer kindlichen Krebserkrankung werden benötigt, denn von ca. 40.000 Überlebenden einer kindlichen Krebserkrankung in Deutschland leiden fast zwei Drittel unter Spätfolgen der Erkrankung oder der Therapie.
Ziel 10: Interdisziplinäre Behandlungsangebote für Jugendliche und junge Erwachsene mit Krebs müssen an allen Krebsbehandlungszentren geschaffen werden, denn diese Altersgruppe hat besondere Anforderungen und bislang am wenigsten von den Therapiefortschritten der letzten Jahre
profitiert.
© Luis Alvarez / Getty Images

Professor Dr. Angelika Eggert, Charité, Berlin; auf dem Vision Zero Summit vorgestellt von Professor Dr. Stefan Pfister, KiTZ Heidelberg