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Streikaufrufe nicht nachvollziehbar

Lohnforderungen "deutlich über das Ziel hinausgeschossen"

Die ersten größeren Warnstreiks im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen stoßen bei der kommunalen Seite auf scharfe Kritik. "Ich kann die Streikaufrufe zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht nachvollziehen", sagte die Verhandlungsführerin und Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Karin Welge, der "Rheinischen Post" vom Freitag. "Mit den Gewerkschaften wurde vereinbart, dass wir in drei Verhandlungsrunden zu einem Ergebnis kommen möchten. Nun haben wir gerade einmal die erste der Runden hinter uns."

Am Donnerstag hatte es größere Arbeitsniederlegungen in Nordrhein-Westfalen und Berlin gegeben. Bestreikt wurden unter anderem Verkehrsbetriebe, Stadtreinigung, Krankenhäuser und Kitas. Für Freitag sind weitere Aktionen geplant.

"Die Streikaufrufe entsprechen lediglich der Dramaturgie der Gewerkschaften und dienen auch der Mitgliedergewinnung", sagte dazu Welge. "Eine Eskalation - noch dazu in solch einer frühen Phase der Verhandlungen - verbietet sich für mich."

Welge wies auch erneut die Lohnforderungen der Gewerkschaften zurück. Diese seien "deutlich über das Ziel hinausgeschossen". Die Tariflöhne im öffentlichen Dienst seien "in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen als die Inflation". Die Beschäftigten hätten daher immer noch "spürbare Reallohngewinne, auch wenn man das komplette Jahr 2022 mitberücksichtigt". Ein hoher Tarifabschluss koste letztlich "Bürgerinnen und Bürger mehr Geld, weil damit die Kosten für Abgaben und Gebühren steigen", warnte die VKA-Präsidentin.

Verdi und der Deutsche Beamtenbund fordern für 2,4 Millionen Angestellte von Bund und Kommunen wegen der hohen Inflation für die Laufzeit von zwölf Monaten ein Lohnplus von 10,5 Prozent, mindestens jedoch monatlich 500 Euro mehr. Die Arbeitgeberseite lehnt dies ab. Die erste Runde der Tarifgespräche war im Januar ergebnislos vertagt worden; die zweite Runde ist für den 22. und 23. Februar geplant.

Der Tarifexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch, erwartet in den nächsten Wochen harte Auseinandersetzungen. "Bis zur dritten Verhandlungsrunde, die vom 27. bis 29. März terminiert ist, kann es noch viele Warnstreiks geben", sagte er der "Rheinischen Post". "Verdi streikt sich üblicherweise durch die Regionen und stellt immer wieder andere Berufsgruppen in den Vordergrund."

Er sei skeptisch, dass es nach drei Runden schon eine Einigung gebe, sagte Lesch. "die Fronten sind verhärtet." Neben stunden- oder tageweisen Warnstreiks seien auch unbefristete Streiks denkbar.

Lesch kritisierte zugleich die Kommunen. Es sei unklug von ihnen gewesen, "erst Wochen nach dem Auslaufen des Tarifvertrags  mit den Tarifverhandlungen zu beginnen", sagte er. "Durch ihr Zögern riskieren die Kommunen, dass die Bürger durch viele Streiks beeinträchtigt werden."

cne/hcy


© Agence France-Presse