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Todesopfer am Ende "achtmal höher als die ersten Bilanzen"

Mehr als 4300 Tote durch Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet

Nach dem verheerenden Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet (Wikipedia) steigt die Zahl der Opfer immer weiter. Allein in der Türkei wurden laut einer am Dienstagmorgen veröffentlichten neuen Bilanz fast 3000 Menschen getötet. Damit stieg die Gesamtzahl der Todesopfer in der Türkeiauf mehr als 4300. Rettungskräfte suchten derweil bei eisiger Kälte die ganze Nacht hindurch und teils mit bloßen Händen nach möglichen Überlebenden.

Es seien 2921 Menschen getötet und 15.834 weitere Menschen verletzt worden, erklärte die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad. Syrien seinerseits hatte am Montag 1444 Todesopfer vermeldet. Damit stieg die Gesamtzahl der Todesopfer in beiden Ländern auf 4365. Es wird befürchtet, dass mit Fortschreiten der Rettungsarbeiten die Opferzahl noch weiter steigt. 

Oft sei bei Erdbeben die Zahl der Todesopfer am Ende "achtmal höher als die ersten Bilanzen", warnte beispielsweise Catherine Smallwood von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). "Leider passiert bei Erdbeben immer das Gleiche: Die Zahl der Opfer und Verletzten steigt in der Woche danach stets signifikant an."

Das Erdbeben der Stärke 7,8 hatte am frühen Montagmorgen das türkisch-syrische Grenzgebiet erschüttert. Es hinterließ eine Spur der Verwüstung. Überall in den betroffenen Gebieten kämpften sich auch in der Nacht zum Dienstag Rettungskräfte durch die Trümmer. Dabei räumten sie bei eisiger Kälte laut Berichten von AFP-Reportern oft mit bloßen Händen Trümmer beiseite. 

In Sanliurfa im Südosten der Türkei beispielsweise arbeiteten sich die Einsatzkräfte in der Dunkelheit durch die Überreste eines mehrstöckigen Gebäudes. "Da ist eine Familie, die ich kenne, unter den Trümmern", sagte ein Student der Nachrichtenagentur AFP. "Bis gegen Mittag hat meine Freundin noch auf Anrufe reagiert. Aber jetzt antwortet sie nicht mehr", fügte der 20-Jährige hinzu. "Sie muss irgendwo unter den Trümmern sein."

Ungeachtet der eisigen Temperaturen verbrachten viele Menschen aus Angst vor einstürzenden Gebäuden und weiteren Nachbeben die Nacht auf den Straßen. Mustafa Koyuncu beispielsweise zog sich mit seiner Frau und den fünf Kindern ins Familienauto zurück. "Wir können nicht nach Hause gehen - Alle haben Angst", sagte er.

Aus dem Ausland kamen derweil immer weitere Hilfsangebote, dutzende Länder sagten Syrien und der Türkei bereits ihre Unterstützung zu. Allerdings wurde das Anlaufen der internationalen Hilfe durch einen Wintersturm und geschlossene Flughäfen in der Region verzögert. 

Syrien versicherte seinerseits, dass Hilfsgüter auch in die nicht von Damaskus kontrollierten Gebiete des Landes weitergeleitet würden. Die Regierung werde Hilfe "an alle betroffene Syrer und in alle Gebiete Syriens" weitergeben, sagte in New York der UN-Botschafter des Landes, Bassam Sabbagh.

Im Nordwesten Syriens nutzten derweil 20 mutmaßliche Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) eine nach dem Beben ausgebrochene Gefängnismeuterei zur Flucht. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus dem Militärgefängnis von Rajo nahe der Grenze zur Türkei.

Das Beben am Montag war das stärkste in der türkisch-syrischen Grenzregion seit Jahrzehnten. Es überraschte die Menschen am Morgen um 04.17 Uhr (02.17 Uhr MEZ) im Schlaf. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS (Wikipedia)  lag sein Epizentrum in 17,9 Kilometern Tiefe in der Nähe der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt Gaziantep, rund 60 Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt.

In den Stunden darauf wurde die türkisch-syrische Grenzregion von mehr als 50 Nachbeben erschüttertet. Eines von ihnen hatte die Stärke 7,5. Die Erschütterungen waren bis zum Libanon und Zypern zu spüren - und laut Dänemarks geologischem Institut bis Grönland messbar.

Die Türkei liegt in einer der aktivsten Erdbebenregionen der Welt. 1999 waren bei einem Beben der Stärke 7,4 in Düzce im Norden mehr als 17.000 Menschen ums Leben gekommen. Ein Beben der Stärke 7,8 wurde zuletzt 1939 registriert. Damals starben in der östlichen Provinz Erzincan 33.000 Menschen.

jes Bulent KILIC und Kadir DEMIR / © Agence France-Presse