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Es geht nicht nur um Rohstoffe und um grünem Wasserstoff

Scholz trifft Lula in Brasilien zu Gesprächen über Energie, Klima und Demokratie

Als erster westlicher Staats- oder Regierungschef seit den Krawallen in Brasília wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag zu einem offiziellen Besuch in Brasilien erwartet. Der neue Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (Wikipedia)  empfängt den Kanzler am Nachmittag (Ortszeit) in der Hauptstadt. Nach Gesprächen zu den Themen Klima, Energie und Demokratie im Präsidentenpalast ist für den Abend eine gemeinsame Pressekonferenz geplant. 

Scholz kommt aus Chile, wo er der Regierung deutsche Unterstützung beim Aufbau einer Gedenkstätte für die Opfer der früheren Sektensiedlung Colonia Dignidad W zusagte.

Der am 1. Januar vereidigte, linksgerichtete Lula hat den Klimaschutz zu einer Priorität seiner Regierung erklärt und versprochen, die Abholzung im Amazonasgebiet bis 2030 komplett zu stoppen. Außerdem will er die Nutzung grüner Energien ausweiten. Bei den Gesprächen mit Scholz soll es deshalb besonders um Klimafragen, um eine Zusammenarbeit in der Energiepolitik und bei grünem Wasserstoff W sowie um die Verteidigung der Demokratie gehen. 

Wenige Tage nach Lulas Amtsantritt hatten Anhänger von dessen rechtsradikalem Vorgänger Jair Bolsonaro das Regierungsviertel in Brasília gestürmt. Nach zunächst mehr als 2000 Festnahmen steht die brasilianische Justiz aktuell vor der Mammutaufgabe, hunderte Verantwortliche und Beteiligte vor Gericht zu bringen. 

Scholz will bis Dienstag in Brasilien bleiben, der letzten Station seiner viertägigen Südamerika-Reise, die ihn bereits nach Argentinien und Chile führte. Ziel der Kanzlerreise sind vor allem neue Partnerschaften im Bereich der Lieferung von Rohstoffen und Energieträgern. Damit soll Deutschlands Versorgung etwa bei Seltenen Erden oder Lithium W unabhängiger von Ländern wie China gemacht werden. 

In Chile habe er über den Ausbau von Windenergie und Solarkraft, die Herstellung von Wasserstoff und den Lithium-Handel gesprochen, schrieb Scholz im Onlinedienst Twitter. Begleitet wird er von rund einem Dutzend deutschen Unternehmensvertretern.

In Argentinien hatte Scholz am Samstag bereits auf eine schnelle Einigung auf ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur W gedrungen, das über zwei Jahrzehnte verhandelt wurde, aber noch nicht ratifiziert ist. 

Das Abkommen mit den aktuellen Mercosur-Mitgliedern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay mit ihren insgesamt 300 Millionen Einwohnern würde die größte Freihandelszone der Welt schaffen. Allerdings gibt es für das Abkommen in der jetzigen Form Gegenwind von Umweltverbänden wie der Deutschen Umwelthilfe oder dem WWF, die auf mehr Schutz für den Regenwald und Indigene pochen. Greenpeace W verlangt eine Neuverhandlung des Abkommens.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) hielt sich bereits seit Samstag in Brasilien auf und traf sich am Wochenende mit Gewerkschaftsvertretern und der Industrie. "Wir werden die neue brasilianische Regierung mit deutlich mehr Mitteln unterstützen als die Vorgängerregierung unter Präsident Bolsonaro", sagte sie.

Neben ihrer Teilnahme am Gespräch mit Scholz und Lula wolltet sich Schulze auch mit weiteren Kabinettsmitgliedern der Lula-Regierung treffen, darunter der Leiterin des neu gegründeten Ministeriums für indigene Angelegenheiten, Sonia Guajajara W.

Auch der Ukraine-Krieg ist ein wichtiges Thema bei Scholz' Südamerika-Reise. In Chile lobte er die dortige Regierung für ihre "sehr klare Haltung bei der Verurteilung der russischen Aggression". Der Kanzler unterstrich in Santiago, dass der russische Angriffskrieg "keine rein europäische Angelegenheit, sondern eine Herausforderung für die internationale Ordnung insgesamt" sei. Der Krieg habe weitreichende Folgen, etwa hinsichtlich der Rohstoffpreise und der Ernährungssicherheit. 

In Chile sagte Scholz der Regierung von Präsident Gabriel Boric W auch Unterstützung beim Aufbau einer Gedenkstätte für die Opfer der früheren deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad zu. In der 1961 gegründeten Siedlung waren zur Zeit der Militärdiktatur von Augusto Pinochet W (1973-1990) Menschen vergewaltigt, gefoltert und getötet worden. Die Siedlung war von dem aus Deutschland geflohenen ehemaligen Wehrmachtsgefreiten und Laienprediger Paul Schäfer gegründet worden.

loc/cp/dja

© Agence France-Presse