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Afghanistan und seine Kinder

Save the Children warnt vor Anstieg der Kinderarbeit

Berlin/Kabul - (ots) - Zwei Wochen nach dem von den Taliban verhängten Beschäftigungsverbot für Frauen in Nichtregierungsorganisationen warnt Save the Children vor einem Anstieg der Kinderarbeit in Afghanistan. Da die Menschen keine Unterstützung mehr erhalten, sind nun wieder mehr Kinder gezwungen, unter gefährlichen Bedingungen zum Einkommen und damit zum Überleben ihrer Familien beizutragen.

Die Kinderrechtsorganisation musste ihre Programme nach mehr als 45 Jahren im Land vorübergehend aussetzen, weil sie ohne weibliche Kräfte nicht sicher und effektiv arbeiten kann. Frauen machen rund die Hälfte der mehr als 5000 Mitarbeitenden in Afghanistan aus. Ohne sie können vor allem Mädchen und Frauen nicht mehr erreicht werden, die aus kulturellen Gründen keinen Kontakt zu männlichen Helfern haben dürfen.

"In unseren Projekten helfen wir Mädchen, die einer besonders gefährlichen Arbeit nachgehen, etwa in Ziegelfabriken, auf Baustellen, beim Müllsammeln oder Betteln auf der Straße", berichtet Hasina*, eine Kinderschutzmitarbeiterin von Save the Children. "Meine Kolleginnen und ich gehen von Tür zu Tür und sprechen mit den Mädchen. Wir unterstützen sie bei der Rückkehr in die Schule, bilden sie in einem Beruf aus oder helfen mit Zuschüssen, damit sie einen kleinen Betrieb gründen können. Jetzt, wo das nicht mehr möglich ist, werden viele Kinder in ihr früheres Elend zurückgedrängt."

Das Beschäftigungsverbot kommt zu einer Zeit, in der Afghanistan die schwerste Wirtschafts- und Ernährungskrise seiner Geschichte erlebt. Mehr als 28 Millionen Menschen brauchen laut Vereinten Nationen humanitäre Hilfe. Zehn Prozent mehr Familien als noch 2021 mussten einer Studie der Initiative REACH zufolge ihre Kinder im vergangenen Jahr arbeiten schicken, weil sie sonst nicht genug Geld zum Überleben hatten.

Nasreen* ist eines von ihnen. "Ich habe bei anderen Leuten geputzt, abgewaschen, gekocht und Kinder gehütet. Aber das reichte nicht, also musste ich betteln gehen", erzählt die 16-Jährige. "Ich war wütend und unglücklich, doch dann half mir Save the Children. Ich bekam Lese- und Schreibunterricht und lerne jetzt, wie man stickt, näht und Kleidung entwirft." Nach dem jüngsten Dekret aber pausiert das Programm und Nasreen hat große Angst vor der Zukunft.

Save the Children fordert gemeinsam mit anderen internationalen Organisationen eine sofortige Aufhebung des Verbots und die Zusicherung der zuständigen De-facto-Behörden, dass Mitarbeiterinnen sicher und ungehindert arbeiten können. Andernfalls werde dies verheerende Auswirkungen auf Millionen Kinder, Frauen und Männern haben, die in ganz Afghanistan auf Hilfe angewiesen sind.

* Name zum Schutz geändert

Save the Children arbeitet seit 1976 in Afghanistan, um Kindern und ihren Familien im ganzen Land lebensrettende Hilfe zukommen zu lassen. Als die Taliban im August 2021 die Kontrolle wiedererlangten, setzte Save the Children seine Arbeit vorübergehend aus und nahm sie im September 2021 wieder auf. Seitdem hat die Organisation fast vier Millionen Menschen, darunter zwei Millionen Kinder, erreicht. Die Kinderschutzdienste von Save the Children in Afghanistan umfassen Projekte zur Verhinderung von Kinderarbeit, psychologische und psychosoziale Hilfe in Einzel- und Gruppenberatungen sowie Resilienztrainings. Die Organisation betreibt Schutz- und Spielräume und stellt Familien Bargeld zur Verfügung. Alle Aktivitäten sind derzeit aufgrund des Verbots ausgesetzt.

Über Save the Children

Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können - seit über 100 Jahren.