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Aus dem Gefängnis zurück an die Macht

Lula rechnet nach Vereidigung mit der Politik seines Vorgängers Bolsonaro ab und verspricht Wiederaufbau des Landes

Er kennt die Höhen und Tiefen eines Politikerlebens wie kein Zweiter: Luiz Inácio Lula da Silva, der am Sonntag im Alter von 77 Jahren zum dritten Mal das Amt des brasilianischen Präsidenten antrat. Nachdem er 2018 nicht hatte kandidieren dürfen, weil er im Gefängnis saß, setzte sich das Idol der lateinamerikanischen Linken bei der Stichwahl im vergangenen Oktober gegen den rechtsradikalen Präsidenten Jair Bolsonaro durch.

Am Neujahrstag legte Lula nun im Kongress seinen Amtseid ab. Er bescheinigte Bolsonaro eine "verheerende" Bilanz und kündigte an, er werde das Land gemeinsam mit dem Volk "wieder aufbauen".

Lula ist ein Hoffnungsträger über Brasilien hinaus, nicht zuletzt beim Klimaschutz: Denn ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger macht er sich für die Rettung des Amazonas-Regenwaldes stark. In seiner Rede nach seiner Vereidigung bekräftigte Lula sein Ziel, die Abholung im Amazonas-Gebiet zu beenden. 

Der Linkspolitiker hatte bereits von 2003 bis 2010 an der Spitze des größten südamerikanischen Landes gestanden. Danach kam sein tiefer Sturz: Zwischen 2018 und 2019 saß er mehr als anderthalb Jahre lang wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis. 

Seine Anhänger sahen hinter der Verurteilung allerdings ein politisches Manöver - der aussichtsreiche Linkskandidat wurde damit aus dem Präsidentschaftsrennen ausgeschlossen, Bolsonaro siegte. 

Im März 2021 hob der Oberste Gerichtshof dann das Urteil gegen Lula wegen Verfahrensfehlern auf - und machte damit den Weg frei für seine Phönix-artige Rückkehr. Der charismatische Politiker stürzte sich mit großer Leidenschaft in den Wahlkampf gegen Bolsonaro, dessen Amtszeit unter anderem durch eine dramatisch zunehmende Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes und ein Missmanagement der Corona-Pandemie gekennzeichnet war. 

Lula gewann die Wahl aber nur mit hauchdünnem Vorsprung - was die extreme Spaltung der Gesellschaft in Brasilien deutlich machte. Der 77-Jährige hat eine große Anhängerschaft vor allem in den armen Bevölkerungsschichten, von vielen Brasilianern wird er aber auch als Symbol der Korruption gesehen und vehement abgelehnt. 

Im Wahlkampf kündigte Lula an: "Die Arbeiterklasse wird das Land wieder herrichten, die Elite schafft das nicht." Er selber wuchs in großer Armut auf, als siebtes von acht Kindern einer Landarbeiterfamilie im nordöstlichen Bundesstaat Pernambuco. 

Als Siebenjähriger zog Lula mit seiner Familie in den Bundesstaat São Paulo, wo er als Schuhputzer und Erdnussverkäufer arbeitete und später Schlosser wurde. Als junger Mann stieg er zum Chef der Metallarbeitergewerkschaft auf und wurde in den 1970er Jahren zur treibenden Kraft einer Streikbewegung, die der damaligen Militärdiktatur Probleme bereitete.

Anfang der 80er Jahre war Lula dann Mitbegründer der sozialdemokratischen Arbeiterpartei PT, zwischen 1989 und 1998 kandidierte er drei Mal erfolglos für das Präsidentenamt. Beim vierten Mal, im Jahr 2002, wurde er schließlich gewählt, 2006 gelang ihm die Wiederwahl. 

Lulas Regierung setzte umfangreiche Sozialprogramme um, die schätzungsweise 30 Millionen Menschen aus der Armut holten. Gleichzeitig strafte er mit seiner wirtschaftsfreundlichen Haltung diejenigen Lügen, die vor einer zu linken Politik warnten. Die enormen Staatsausgaben während Lulas Präsidentschaft wurden allerdings nur durch den damaligen Boom der brasilianischen Rohstoffexporte ermöglicht.

Dieser Boom ist lange vorbei - Brasilien leidet massiv unter der globalen Wirtschaftskrise. Doch nicht nur deshalb sind Lulas Startbedingungen für die dritte Amtszeit schwierig. Auch die Dominanz der rechtsgerichteten Kräfte im Kongress sowie die Feindseligkeit, die dem künftigen Präsidenten aus großen Teilen der Bevölkerung entgegenschlägt und die sich in landesweiten Straßenblockaden in den Tagen nach seinem Wahlsieg manifestierte, sind große Hindernisse für ein erfolgreiches Regieren.

Als Pragmatiker ist Lula jedoch geschickt darin, Bündnisse zu schmieden, um seine Politik durchzusetzen. So ist es ein Signal an die Wirtschaft, dass er den konservativen Experten Geraldo Alckmin zu seinem Vizepräsidenten machte.

Auch privat ist Lulas Biografie durch extreme Höhen und Tiefen geprägt. 2011 hatte er Kehlkopfkrebs, 2017 starb seine langjährige Ehefrau. Neues Liebesglück fand er mit der PT-Aktivistin "Janja" da Silva, die er im vergangenen Mai heiratete. Er sei "verliebt wie ein 20-Jähriger", sagte Lula damals. 

bfi