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Streit um die Maßnahmen voll entbrannt

Debatte über Aufheben aller Corona-Schutzmaßnahmen nimmt Fahrt auf

Nach Äußerungen von Experten über das Ende der Pandemie hat im politischen Berlin eine Debatte über das Ende aller Corona-Schutzmaßnahmen begonnen. Während Politiker aus FDP und Union die Maßnahmen schnell beenden wollen, kamen aus der SPD und von den Grünen am Dienstag vorsichtigere Stimmen. Der Ärzteverband Marburger Bund (Seite) sprach sich gegen weitere Lockerungen aus.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb einen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Wikipedia), wie der "Tagesspiegel" am Dienstag berichtete. Darin habe der Justizminister vorgeschlagen, die bundesweiten Schutzmaßnahmen außer Kraft zu setzen. Er habe Lauterbach um dessen Einschätzung gebeten.

Der Virologe Christian Drosten hatte der Zeitung zuvor gesagt, nach seiner Einschätzung gehe die Pandemie in eine endemische Lage über. Ähnlich äußerte sich der Intensivmediziner Christian Karagiannidis (Wikipedia)  im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Buschmann hatte bereits am Montag via Twitter gefordert, die Schutzmaßnahmen zu stoppen. Das Infektionsschutzgesetz sehe vor, dass die Bundesregierung bei einer günstigen Entwicklung die bundesweit einheitlichen Maßnahmen auch schon vor dem 7. April beenden könne, schrieb er nun in dem Internetdienst.

Bis zum 7. April gilt derzeit das geänderte Infektionsschutzgesetz. Als bundesweite Maßnahme ist darin vor allem eine Maskenpflicht im Fernverkehr von Bus und Bahn und in Gesundheitseinrichtungen vorgesehen. Andere Maßnahmen liegen im Ermessen der Bundesländer.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann (Wikipedia) , erklärte: "Wir können und sollten zum Regelfall zurückkehren." Auch Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte dem "Tagesspiegel": "Mit dieser Erklärung von Christian Drosten, auf dessen Expertise Karl Lauterbach immer gebaut hat, wird jeglicher Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Corona-Virus die Grundlage entzogen."

Der Ärzteverband Marburger Bund kritisierte diese Forderungen scharf. "Die Aufhebung aller Maßnahmen ist zutiefst unsolidarisch mit dem Klinikpersonal, das in der Pandemie viel geleistet hat und gerade wieder die Grenzen der Belastbarkeit erreicht hat" sagte die Vorsitzende Susanne Johna (Wikipedia) dem RND. Der Winter sei "noch lange nicht vorbei und wir erleben erneut eine starke Belastung des Gesundheitswesens auch durch verschiedene virale Erkrankungen."

Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen (Wikipedia) sagte der "Rheinischen Post" (Dienstagsausgabe), die hohe Zahl an Atemwegserkrankungen führe zu einem Rekord an Personalausfällen insbesondere auch im Gesundheitswesen. "Mehr Rücksicht wäre hier das Gebot der Stunde, denn es gibt guten Grund zur Hoffnung, dass es dank der Impfung zumindest mit Corona mit dem Ende des Winters in Deutschland vorerst auch vorbei sein dürfte."

Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, sagte im Bayerischen Rundfunk: "Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten." Klaus Reinhardt, der Präsident der Bundesärztekammer, warb für Umsicht. Beispielsweise solle sich ein paar Tage lang isolieren, wer einen Infekt habe, schlug er im Deutschlandfunk vor.

Auch Politikerinnen und Politiker der SPD plädierten weiter für Vorsicht. SPD-Chefin Saskia Esken (Wikipedia) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwochsausgaben), die gesundheitlichen Folgen einer Infektion seien für viele erheblich. "Wenn wir über den Winter weiterhin rücksichtsvoll miteinander umgehen, werden wir die Corona-Pandemie bald überwunden haben."

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte im ZDF-"Morgenmagazin". "Wir erleben jetzt noch vier Monate Abschiedstournee des Infektionsschutzgesetzes und wenn es dann keine Mutationen gibt, dann wird es auch wirklich in die Phase der Eigenverantwortung übergehen müssen."

Auch die gesundheitliche Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, erklärte: "Den Pfad bis zum Ende der Regelungen Anfang April sollten wir beibehalten." Ein anderer Weg, wie von Buschmann gefordert, sei "voreilig".

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (Wikipedia), forderte eine Sonderkonferenz von Bund und Ländern Anfang Januar. Dort solle die Beendigung der meisten Corona-Maßnahmen gemeinsam koordiniert werden, sagte er dem RND. 

Die Landkreise drängten auf weitere Lockerungen. Der Bund solle "dringend die Notwendigkeit seiner noch bestehenden Maßnahmen überprüfen", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (Wikipedia) , den Funke-Zeitungen.

smb/bk © Agence France-Presse