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WM- Team gegen Costa Rica - ein Rückblick

Das erste Mal gegen Costa Rica: Der Startschuss fürs Sommermärchen fiel 2006

Gegen Costa Rica bestritt Deutschland erst ein Länderspiel - das war aufgrund seiner Bedeutung aber ein ganz besonderes. Mit ihm wurde nämlich am 9. Juni 2006 die WM in Deutschland  eröffnet. Das "Sommermärchen" ist bis heute bei allen unvergessen, die es vor den Bildschirmen, in den Stadien oder auf den Fanmeilen erlebten. Das Auftaktspiel selbst hatte schon zu Beginn einen unvergesslichen Moment. Den Schuss, der diese WM nach sechs Spielminuten so richtig ins Rollen brachte eröffnete, bezeichnete der Schütze als "Tor meines Lebens". Vor dem entscheidenden Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2022 in Katar gegen Costa Rica am Donnerstag (ab 20 Uhr MEZ, live in der ARD und bei MagentaTV) blickt DFB.de zurück auf das bisher einzige Duell mit den Mittelamerikanern.

Vor der Partie in München hatte Bundestrainer Jürgen Klinsmann Sorgen, denn ausgerechnet sein Kapitän Michael Ballack war angeschlagen. Ihn plagte seit Mitte Mai eine Wadenverhärtung. Er hielt sich zwar für einsatzbereit, aber die Ärzte rieten ab - und Klinsmann hörte auf sie. Er wollte kein Risiko eingehen und gab Ballacks Aussetzen mit den Worten bekannt: "Die Wade ist noch nicht da, wo sie hin muss." Für ihn kam der Bremer Tim Borowski in die Startelf. Gegen Costa Rica war ein Sieg natürlich fest eingeplant. Es war das erste Treffen mit den Mittelamerikanern, dem vermeintlich leichtesten Gruppengegner. "WM-Rekord gegen Costa Gurka? So fragte die Bild etwas respektlos. Bezogen war die Frage allerdings auf die Eröffnungsspiele, die bisher noch keinen Sieger mit mehr als einem Tor Vorsprung gesehen hatten.

Costa Rica hatte sich gegen eine Heidelberger Amateurauswahl blamiert (2:3), aber den Mut nicht verloren. Torjäger Paulo Wanchope sagte: "Der Druck lastet auf Deutschland. Sie werden versuchen, in den ersten 15 Minuten ein Tor zu schießen. Aber wenn wir hinten gut stehen und kontern, können wir gewinnen." In der FIFA-Weltrangliste waren die Länder nur drei Plätze voneinander entfernt, Deutschland war 22., Costa Rica lag auf Platz 25.

Feierliche WM-Eröffnung mit Bundespräsident Köhler

Die Welt blickt nach München, rund 1,5 Milliarden Zuschauer verfolgen das Eröffnungsspiel. Erstmals seit 1970 macht es nicht der Weltmeister, sondern wieder der Gastgeber. Der ist am Vortag aus seinem Berliner Quartier, dem Schlosshotel Grunewald, angereist. Die Allianz Arena, erst seit einem Jahr in Betrieb und neue Heimat der Münchner Großklubs FC Bayern und TSV 1860, ist natürlich ausverkauft. Die Eröffnungsfeier ist kurz und ziemlich bayerisch, wird von Showmaster Thomas Gottschalk moderiert und kommt allgemein gut an. Ebenso die Ansprache des Bundespräsidenten Horst Köhler, der sich auf "vier Wochen Fußball, Fußball, Fußball" freut.

Um 18 Uhr erfolgt an diesem Freitag der Anpfiff. Beim ZDF schauen 20,13 Millionen Menschen zu. Die Sonne lacht zum Auftakt dieser WM, die man ein "Sommermärchen" nennen wird. Choreographien in den Landesfarben der beiden Kontrahenten sorgen für ein fröhliches Bild auf den Rängen. Bernd Schneider ist Kapitän für einen Tag, er gewinnt die Seitenwahl. Costa Rica stößt an. Die erste Torchance des Turniers hat Torsten Frings, der aus 23 Metern aufs Tordach schießt. Das Netz zappelt, mancher jubelt verfrüht.

Legendäres Lahm-Tor

Zwei Minuten später ist Jubel angebracht. Verteidiger Philipp Lahm schnappt sich einen versprungenen Ball auf links, kurvt in den Strafraum und zieht von dessen Eck ab. Der Ball schlägt im Winkel ein, mit Hilfe des Innenpfostens landet er im Tor - ein Sonntagsschuss bringt das 1:0. "Den Trick, dass er immer nach innen zieht, kennen sie noch gar nicht in Costa Rica", nimmt ZDF-Kommentator Bela Rethy an und findet: "Viel besser kann man in eine WM nicht starten!"

Die ohnehin gute Stimmung im Stadion steigt noch ein bisschen, schon singen welche das Lied von der "Nummer eins der Welt", da passiert es: Costa Rica kombiniert sich durch, Ronald Gomez spielt auf Paulo Wanchope, Arne Friedrich hebt das Abseits auf und der Stürmer mit Premier-League-Erfahrung schiebt eiskalt ein - 1:1. Jens Lehmann, der sich schon seit der dritten Minute wegen Schmerzen am Sprunggelenk behandeln lässt, hat keine Chance.

Schneller Ausgleich, schnelle Antwort

Die Deutschen stecken den Schock weg, als wäre nichts gewesen. Es dauert nur fünf Minuten, bis das DFB-Team wieder führt. Über rechts tankt sich Bernd Schneider durch, Bastian Schweinsteiger leitet sein Zuspiel direkt weiter auf Miroslav Klose und der drückt den Ball aus vier Metern mit links über die Linie. Sein 25. Länderspieltor am 28. Geburtstag bringt den Gastgeber wieder auf Kurs.

Von außen treibt ihn Jürgen Klinsmann an, Richtmikrofone lassen die Zuschauer teilhaben an seinen Kommandos: "Breit machen, Bewegung, weiter geht's". Lukas Podolski, einer von sieben WM-Debütanten im DFB-Team auf dem Platz, setzt einen Volleyschuss ab, Bastian Schweinsteiger einen Flatterball, aber Keeper Jose Porras ist auf der Hut. Kurz vor der Pause zischt ein Podolski-Freistoß um wenige Zentimeter übers Tor, dann geht es in die Kabinen. Beifall, auch vom Kommentator: "Eine tolle, weil überaus amüsante erste Hälfte", hat Rethy gesehen. In Zahlen: 63 Prozent Ballbesitz und 12:1 Torschüsse für Deutschland, da macht sich der Spielstand von 2:1 eher bescheiden aus.

Klose schnürt den Doppelpack

Wiederanpfiff. Podolski brennt auf sein erstes WM-Tor, schießt schon nach 30 Sekunden drauf - drüber. So verheißungsvoll es beginnt, danach wird es schlechter. Die Überlegenheit bleibt, aber die Nervosität wird offenbar größer. Immer wieder schleichen sich überflüssige Abspielfehler ins deutsche Aufbauspiel ein, 15 Minuten passiert gar nichts. Dann macht sich wieder Lahm auf zu großen Taten. Diesmal tankt er sich bis zur Grundlinie durch und flankt mit dem schwächeren Linken auf Klose, dessen Bewacher sich verschätzt hat. Der Bremer köpft druckvoll aufs Eck, Porras pariert, aber der Abpraller ist eine leichte Beute für das Geburtstagskind: Mit rechts haut Klose den Ball unters Tordach zum 3:1.

Kurz danach dribbelt sich Lahm bis in den Fünfmeterraum durch, ein Verteidiger stoppt ihn im letzten Moment. Im Vorgefühl des sicheren Sieges wird Deutschland unaufmerksam, was sich rächt. Das 3:2 ist fast eine Kopie des 1:1. Wieder zerreißt ein geschlenzter Pass auf Wanchope die Abwehrkette, wieder spielt die DFB-Auswahl auf Abseits und obwohl es diesmal knapp zutrifft, zählt auch dieses Tor. "Hohes Risiko wird bestraft", moniert Rethy.

Die letzten zehn Minuten brechen an, sie werden spannender, als erwartet. Klinsmann wechselt zum zweiten Mal, Klose holt sich seinen Sonderapplaus ab. Mit Oliver Neuville kommt ein Konterstürmer. Das Publikum spürt die Angst im deutschen Team, feuert es lautstark an. Innenverteidiger Per Mertesacker, der nicht seinen besten Tag hat, kommt bei einer Ecke mit vor und prüft Porras per Kopf - gehalten.

Frings: Abgerutschter Schuss ins Glück

In der 87. Minute gibt es auf der linken Seite einen Freistoß. Alle rechnen mit einer Hereingabe von Schweinsteiger, doch der legt quer auf Frings. Dem Bremer verspringt der Ball etwas, weshalb ihm der 25-Meter-Schuss abrutscht. Zum Glück, unhaltbar schlägt das Geschoss zum 4:2 ein. Rethy jubelt: "Das ist die Entscheidung - der nächste Traumtreffer des Tages."

Nun darf David Odonkor noch ein paar Minuten spielen, der überraschend in den Kader gerutschte Dortmunder kommt zu seinem zweiten Länderspiel und deutet an, warum er dabei ist. Nach rasantem Antritt bringt der Sprinter den Ball flach vors Tor, Podolskis Drehschuss wird abgeblockt. Es folgt der Schlusspfiff, das Publikum verabschiedet beide Mannschaften mit tosendem Applaus.

"Gelungener Auftakt mit Schönheitsfehlern"

Für die Spieler und den Trainerstab ist es noch lange nicht zu Ende, denn es gibt Gesprächsbedarf, wie Philipp Lahm in seiner Biografie Der feine Unterschied acht Jahre später niederschreibt: "Costa Rica hatte mit einfachsten Mitteln zwei Tore gegen uns gemacht, weil wir viel zu weit voneinander entfernt gestanden hatten, ohne Gefühl für das, was der andere tun wird, tun muss, tun kann. Am Tag nach dem Spiel setzen wir uns mit Jürgen Klinsmann und Jogi Löw zusammen, um das System in unserem Defensivspiel zu korrigieren. Noch eine solche Partie mit solchen Löchern in der Abwehr, und wir haben ein ernstes Problem." 

Die Welt traf den mit zwiespältigen Gefühlen aufgenommenen Sieg gut: "Gelungener Auftakt mit Schönheitsfehlern". Im Ausland wurde mehr gelobt, zum Beispiel in der französischen Libération: "Die deutsche Mannschaft bot zusammen mit Costa Rica das stärkste Eröffnungsspiel seit 40 Jahren."

Stimmen zum Spiel

Angela Merkel (Bundeskanzlerin): "Ich bin glücklich über den Sieg. Es war ein torreiches Eröffnungsspiel."

Franz Beckenbauer (Chef des WM-OK): "Hervorragend, dass unsere Mannschaft von der ersten Minute an gezeigt hat, dass sie Herr im Hause sein will, und das bis zur letzten Minute durchgehalten hat."

Jürgen Klinsmann (Bundestrainer): "Es war ein tolles Auftaktspiel für eine Fußball-WM. Konzentrationsfehler wie vor den Gegentoren kommen vor. Das muss man schlucken. Wir spüren eine unheimliche Energie bei uns, aber wir werden nicht abheben. Wir sind hohes Tempo gegangen, kamen auch nach den Anschlusstreffern immer wieder ins Spiel zurück."

Miroslav Klose: "Es gibt nichts Schöneres, als am Geburtstag mit der Mannschaft zu gewinnen und zwei Tore zu schießen. Ein Supergefühl, als ich traf und die Menschen jubelten. Den Salto lasse ich später folgen - den mache ich bekanntlich nur bei schönen und wichtigen Toren."

Philipp Lahm: "Der Ball sollte genau da hin gehen. Das war kein Zufall, ich habe ja nicht auf die Eckfahne gezielt. Für mich war es das Tor des Jahres, es war sogar das Tor meines Lebens."

Torsten Frings: "Ehrlich, das war ein Glückstor. Der Ball ist mir abgerutscht."

Alexander Guimaraes (Trainer Costa Rica): "In diesem Spiel wurde deutlich, wo wir Schaden beim Gegner anrichten konnten und wo wir in der Abwehr aufpassen mussten. So haben wir beim ersten Tor nicht aufgepasst. Ein Fehler hat auch zum 1:2 geführt. Nach der Pause hat meine Mannschaft die Marschroute umgesetzt, ist aber in einen Konter gelaufen, der zum 1:3 führte. Danach haben wir das Spiel wieder mehr kontrollieren können."


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