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Bolsonaro übergibt die Macht in Brasilien friedlich

Bolsonaro willigt in Machtübergabe ein - ohne Niederlage einzugestehen

Zwei Tage nach der Stichwahl für die Präsidentschaft in Brasilien hat der unterlegene Amtsinhaber Jair Bolsonaro seine Bereitschaft für eine friedliche Machtübergabe signalisiert. "Solange ich Präsident der Republik bin, werde ich die Verfassung weiterhin respektieren", sagte Bolsonaro am Dienstag bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Bekanntgabe des Wahlergebnisses in der Hauptstadt Brasília, ohne jedoch seine Niederlage explizit einzugestehen. Sein Stabschef Ciro Nogueira sagte im Anschluss, der Präsident habe die Übergabe der Amtsgeschäfte an Wahlsieger Luiz Inácio Lula da Silva "autorisiert".

Der linksgerichtete Lula (Wikipedia) hatte die Präsidentschaftswahl am Sonntag in einem knappen Rennen gegen den rechtsradikalen Bolsonaro gewonnen. Lula bekam in der Stichwahl 50,9 Prozent der Stimmen, Bolsonaro 49,1 Prozent. 

Das zwei Tage andauernde Schweigen des Amtsinhabers nach seiner Niederlage hatte Ängste geschürt, er werde den Wahlausgang nicht akzeptieren. Landesweit protestierten Bolsonaro-Anhänger gegen Lulas Sieg und errichteten Straßensperren. 

Bolsonaro forderte die Demonstranten in seiner kurzen Rede am Dienstag zum Verzicht auf Gewalt auf. "Friedliche Proteste werden immer willkommen sein", die Bewegungsfreiheit dürfe aber nicht eingeschränkt werden, sagte er. Die Demonstrationen seien das Ergebnis von "Empörung und eines Gefühls der Ungerechtigkeit" gegenüber dem Wahlverfahren, fügte der Präsident hinzu.

Die Behörden gingen unterdessen verstärkt gegen die Straßensperren vor. Der stellvertretende Chef der Bundesverkehrspolizei (PRF), Marco Antonio Territo de Barros, sagte bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Brasília am Dienstag, es gebe noch 267 Straßensperren im Land. Demnach wurden seit Sonntag bereits mehr als 200 solcher Blockaden aufgelöst.

Aus Protest gegen den Sieg Lulas bei der Stichwahl am Sonntag errichten Anhänger Bolsonaros laut PRF in mindestens 23 der 27 brasilianischen Bundesstaaten Straßensperren. Barros sprach von einem "komplexen Einsatz", der ein Netzwerk von mehr als 75.000 Kilometern Bundesstraßen umfasse. Die PRF habe die Unterstützung der Bundespolizei und anderer Polizeieinheiten angefordert, hieß es.

Ein Richter des Obersten Gerichtshofs hatte am Montagabend die "sofortige Beendigung der Blockade der öffentlichen Autobahnen und Straßen" angeordnet und die Bundesverkehrspolizei aufgefordert, alle dazu notwendigen Schritte zu ergreifen. 

In der Stadt Novo Hamburgo nahe der südlich gelegenen Stadt Porto Alegre setzte die Polizei Tränengas zur Auflösung von Protesten ein, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. 

"Nein zu Lula!", skandierten Demonstranten an einer Brücke in São Paulo. Dort wurden gleich mehrere Straßen blockiert, darunter eine große Verbindungsstraße, die nach Rio de Janeiro führt. 

Am Montagabend sorgte die Blockade von Straßen rund um den Guarulhos-Flughafen in São Paulo, den größten internationalen Flughafen des Landes, für die Streichung mehrerer Flüge. Am Dienstagnachmittag hatte die Polizei die Zufahrtsstraße wieder geräumt. 

Besonders viele Straßensperren wurden aus dem südlichen Bundesstaat Santa Catarina gemeldet, in dem fast 70 Prozent der Wähler für Bolsonaro gestimmt hatten. 

In der Hauptstadt Brasília beschränkte die Polizei den Zugang zur Praça dos Três Poderes (Platz der drei Gewalten). An dem Platz befinden sich der Sitz des Präsidenten, das Parlament und Brasiliens Oberster Gerichtshof. Die Einschränkungen seien eine Vorsichtsmaßnahme angesichts von Protestaufrufen im Internet, hieß es.

In den Online-Diensten Twitter und Telegram warben Bolsonaro-Anhänger für die Unterstützung der Proteste. In São Paulo etwa wurde für Mittwoch zur "größten Mobilisierung der Geschichte" auf der zentralen Avenida Paulista aufgerufen.

Lula betraute derweil seinen designierten Vize-Präsidenten Geraldo Alckmin mit dem  zweimonatigen Übergabeprozess bis zur Amtsübernahme am 1. Januar. Der Prozess solle am Donnerstag beginnen, sagte die Parteivorsitzende von Lulas Arbeiterpartei (PT), Gleisi Hoffmann.

ma/kas © Agence France-Presse