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„Der Dialog kann tragfähige Horizonte eröffnen“

Theologe Matthias Haudel spricht über die Gemeinsamkeiten von Naturwissenschaften und Religion.

In seinem Buch „Theologie und Naturwissenschaft“ widmet sich Prof. Dr. Matthias Haudel von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der WWU der „Überwindung von Vorurteilen und ganzheitlicher Wirklichkeitserkenntnis“. Im Interview mit Brigitte Heeke erläutert er die Voraussetzungen für einen Dialog zwischen den beiden Bereichen.

Erkenntnisgewinn ist das Ziel jeder Wissenschaft – das ist doch eine grundlegende Gemeinsamkeit von Theologie und Naturwissenschaft, oder?

Ja, beide Wissenschaftsbereiche richten sich jeweils aus ihrer Perspektive und mit ihren Methoden auf die Lebenswirklichkeit des Menschen. Entsprechend bleiben sie in den gemeinsamen lebensweltlichen Gesamtkontext eingebunden und sind somit auf den Dialog verwiesen. Wenn die Theologie aufzeigen will, dass der Glaube für die gesamte Wirklichkeit Bedeutung hat und nicht in innere Widersprüche führen muss, bedarf es der Übereinstimmung von Glaubens- und modernem Wirklichkeitsverständnis. Dafür ist der Dialog von Theologie und Naturwissenschaft unerlässlich.

Treffen dennoch zwei Welten aufeinander, oder gibt es konkrete Gemeinsamkeiten zwischen Theologie und Naturwissenschaft?

Betrachtet man die Möglichkeiten des Dialogs, wird ersichtlich, dass es nicht um zwei Welten geht, sondern um die eine Lebenswirklichkeit des Menschen. Im Licht aktueller Erkenntnisse von Kosmologie, Physik, Mathematik, Evolutionsbiologie oder Hirnforschung tritt hervor, wie Gott als Schöpfer, Erlöser und Vollender zu verstehen ist. Zugleich wird das angemessene Verständnis von Mensch und Natur transparent. Dazu gehören auch Aspekte wie Geist, Willensfreiheit, Seele, ewiges Leben oder die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes angesichts des Leids in der Welt.

Was versprechen Sie sich von dem Blick über den fachlichen Tellerrand?

Der Dialog ermöglicht es, gegenseitige Vorurteile zu überwinden und gibt einen Einblick in die erstaunliche Kompatibilität heutiger naturwissenschaftlicher und theologischer Erkenntnisse. Auch der Blick auf die geschichtlichen Entwicklungen ist wichtig, um aktuelle sowie zukünftige Herausforderungen zu identifizieren. Das betrifft zugleich neue ethische Herausforderungen. Für Studierende der schulischen Lehrämter, der Theologie, der Philosophie sowie der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fächer kann der Dialog tragfähige Horizonte eröffnen.

 

Vorlesung:

Im Wintersemester bietet Matthias Haudel an der evangelisch-theologischen Fakultät die Vorlesung „Theologie und Naturwissenschaft. Zur Überwindung von Vorurteilen und zu ganzheitlicher Wirklichkeitserkenntnis“ an. Mehrere Fachbereiche haben sie in ihr Vorlesungsverzeichnis übernommen, darunter Geschichte und Philosophie, Physik, Biologie sowie Medizin, Mathematik und Informatik. Zudem ist sie Bestandteil des Angebots des Zentrums für Wissenschaftstheorie und der Allgemeinen Studien. Die Vorlesung findet donnerstags von 10 bis 12 Uhr online statt, über Zoom (Livestream) mit Aufzeichnung. Eine Anmeldung im Vorlesungsverzeichnis und im Learnweb ist erforderlich. Interessierte ohne Zugang können sich an die E-Mail-Adresse m.haudel@uni-muenster.de wenden.

Publikation:

Matthias Haudel: Theologie und Naturwissenschaft. Zur Überwindung von Vorurteilen und zu ganzheitlicher Wirklichkeitserkenntnis. Göttingen 2021 (UTB 5561). ISBN 978-3-8252-5561-9. 486 Seiten. 24,90 Euro.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 12. Oktober 2022

Foto: privat

WWU Münster