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Vielschichtige Bilder von Karel Dierickx

Für den flüchtigen Blick sind sie viel zu schade: Die Werke des belgischen Künstlers Karel Dierickx verlangen Muße und die Bereitschaft, sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben. In einer Studioausstellung zeigt das LWL-Museum für Kunst und Kultur Arbeiten von großer Intensität.

Er war ein stiller, in sich gekehrter, höchst sensibler Künstler: Karel Dierickx (1940-2014) aus Belgien. Er studierte und lehrte an der Akademie der Künste in Gent und nahm 1984 für den belgischen Pavillon an der Biennale in Venedig teil. Jetzt sind 47 seiner Werke im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zu sehen. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Arbeiten, die zwischen 1996 und 2010 entstanden sind, darunter Gemälde, Plastiken und Arbeiten auf Papier.  

Der belgische Künstler Dierickx - Foto: Dirk VermeirreDierickx zählt zu den bekanntesten Vertretern der Gegenwartskunst in Belgien. In Deutschland allerdings sind seine Arbeiten weitgehend unbekannt. Dabei hat der Münsteraner Galerist Heiner Hachmeister schon früh ein Auge auf die starken Arbeiten des belgischen Künstlers geworfen.  

Von Hachmeister stammen auch einige der aufregendsten Arbeiten, die in Münster gezeigt werden. Sie oszillieren zwischen Figuration und Abstraktion, fordern den Betrachter heraus. Was auf den ersten Blick wie eine reine Farbstudie erscheinen mag, entpuppt sich vielleicht bei intensiverem Blick als eine impressionistische Landschaftsstudie. Aber auch das mag als eine Verkürzung erscheinen, denn, was wild und gestisch entstanden scheint, ist wohl gesetzt und bis ins Detail gewollt – oft erst in einem langwierigen Prozess entstanden.  

Karel Dierickx: Tears in Heaven, 2006, Sammlung Günther Kebeck - Foto: LWL-Museum für Kunst und Kultur, Sabine Ahlbrand-DornseifViele Gemälde des Künstlers müssen länger studiert werden, bevor Betrachtende das Motiv erkennen - sei es ein Baum in einer Landschaft oder ein Blumenarrangement in einem seiner Stillleben. Zugleich distanzierte sich Dierickx von der Konzeptkunst: Seine Arbeiten sollen ohne jegliche Erklärungen für Betrachtende verständlich sein.  Daher sind die Titel seiner Arbeiten kryptisch und wenig hilfreich, um die Arbeiten zu entschlüsseln.  

Karel Dierckx hat sich mit seinen Gemälden oft viel Zeit gelassen. Mitunter liegen zwischen dem Beginn und der Vollendung Wochen, Monate, ja sogar Jahre. Oft hat der Künstler sich seine Arbeiten nach einer längeren Ruhepause wieder vorgenommen, um sie zu überarbeiten und zu vollenden. Seine Arbeitsweise ist einzigartig wie seine Handschrift. Jedes einzelne Gemälde ist das Ergebnis eines langwierigen Schaffensprozesses, deswegen war der Künstler im Kern am liebsten als Zeichner und Grafiker unterwegs. Wenn ihm dann ein Blatt nicht unmittelbar gefiel, dann wurde es weggeworfen und ein neues Blatt entstand.  

Karel Dierickx: Nicht ganz ruhig, 2002, Galerie Hachmeister - Foto: LWL-Museum für Kunst und Kultur, Sabine Ahlbrand-DornseifIn vier Räumen zeigen die Kuratoren, Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anna Luisa Walter, Landschaften, Porträts, Gesichter und Stillleben. Der Anstoß zu der Ausstellung liegt bereits einige Jahre zurück. 2014 hat das LWL-Museum eine Grafikserie mit dem Titel „Kruisweg“ (deutsch: Kreuzweg) geschenkt bekommen, für Arnhold war dies Anlass und Motivation zugleich Dierckx mit einer Studioausstellung bekannt zu machen. Die 14 Blätter der Serie „Kruisweg“ schuf Dierickx 2008 innerhalb nur einer Woche.  

Der „Kruisweg“ ist im zweiten Raum zu sehen. Die Blätter folgen nur entfernt der christlichen Ikonographie eines in Stationen festgelegten Kreuzweges. Im Mittelpunkt steht das Antlitz des Schmerzensmannes, aber so ausgedeutet und entwickelt, dass das Gesicht eine existenzialistische Studie über menschliches Leiden, Not, Angst, Verzweiflung und Wut ist. Als Betrachter mag man sich durchaus selbst in diesen Gesichter wiederkennen und bewegen lassen.  

Karel Dierickx: Kreuzweg, Station IV: Jesus begegnet seiner Mutter, 4.4.2008 - Foto: LWL-Museum für Kunst und Kultur, Hanna NeanderDie Gemälde, Gouachen, Zeichnungen und Plastiken des Künstlers sind von Emotionen geprägt und zeigen neben Angst und Melancholie auch Freude und Trost und entziehen sich allzu schnellen Betrachtungsweisen. Der belgische Künstler malte mit dem Pinsel genauso wie mit seinen bloßen Händen. Diercks setzte Spachtel, Hilfsmittel wie eine Küchenrolle und seine Finger ein, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.  

In seinem Werk orientierte er sich stark an der europäischen Kunstgeschichte. Ohne Künstler vergangener Jahrhunderte zu kopieren, ließ er sich dennoch von deren Arbeiten inspirieren und schöpfte daraus Energie. So widmete er James Ensor (1860-1949) eine Zeichnung und huldigte Hieronymus Bosch (1450-1516) und Francisco de Goya (1746-1828) in der Bronzeplastik „Der Traum des Hieronymus an Goya denkend“.  

Zur Ausstellung gibt es erstmals im LWL-Museum für Kunst und Kultur einen digitalen Katalog mit Abbildungen aller ausgestellten Werke und Beiträgen der Kuratoren. Dieser Katalog ist als Download kostenfrei auf der Homepage verfügbar.  

Die Ausstellung ist ab Samstag, den 14. März bis zum 7. Juni in Münster zu sehen.