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Historischer Tag durch Grundgesetzänderung

Die Bundesministerin der Verteidigung, Christine Lambrecht äußert sich zur Änderung des Grundgesetzes vor dem Deutschen Bundestag am 3. Juni 2022 in Berlin:

"Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!

„Zeitenwende“, „Zäsur“, „historischer Tag“: Das sind die Begriffe, die im Zusammenhang mit dieser Grundgesetzänderung fallen. Und sie sind richtig; denn es ist genau so. Es ist ein historischer Tag; denn wir beschließen heute ein Ertüchtigungspaket, wie es das in der Geschichte der Bundeswehr noch nie gegeben hat. 100 Milliarden Euro Sondervermögen – das ist viel Geld, aber es ist gut investiert, nämlich in Sicherheit und Frieden unseres Landes.

Wir müssen angesichts des brutalen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine uns doch der Tatsache stellen, dass Sicherheit ihren Preis hat und dass wir auch in der Lage sein müssen, unsere Werte militärisch zu verteidigen. Das ist ins Bewusstsein gekommen, und es ist richtig, dass wir daraus dann die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Über Jahrzehnte wurde die Bundeswehr vernachlässigt und heruntergewirtschaftet, und das hat große Lücken insbesondere in der Ausrüstung gerissen.

Ich treffe überall, wo ich Gespräche führe, auf hochmotivierte Soldatinnen und Soldaten, die mit ganz viel Engagement unserem Land dienen. Deswegen möchte ich Herrn Oberst Wüstner, den Vorsitzenden des Deutschen BundeswehrVerbandes, hier stellvertretend für diese engagierten Soldatinnen und Soldaten recht herzlich begrüßen.

Mit ganz viel Kreativität wird dort das kompensiert, was oftmals nicht vorhanden ist. Denn ich höre ganz oft: Wir haben das nicht. Wir haben davon zu wenig. Es ist verbraucht. Es ist defekt. Damit muss endlich Schluss sein, und heute legen wir den Grundstein, dass mit dieser Mangelverwaltung Schluss ist.

Wir statten die Bundeswehr, unsere Streitkräfte so aus, dass sie ihren Kernauftrag endlich in vollem Umfang erfüllen können, nämlich die Landes- und Bündnisverteidigung. Darum geht es. Das schulden wir zuallererst unseren Soldatinnen und Soldaten; denn sie sind es, die unseren Frieden, unsere Freiheit, unsere Demokratie verteidigen. Und sie sind es, die im Ernstfall unter Einsatz von Leib und Leben für uns kämpfen.

Deswegen ist eine ordentliche Ausstattung das Mindeste. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass das Sondervermögen so schnell wie möglich bei ihnen ankommt. Jede aktive Soldatin und jeder aktive Soldat bekommt jetzt endlich die volle Schutzausrüstung – vom Helm bis zur Kampfbekleidung –, und das schon 2025 und nicht, wie vormals geplant, erst 2031. In solchen Fristen wurde geplant. Damit muss Schluss sein!

Wir schulden das auch unseren Verbündeten in der Nato und in der EU, und zwar gerade jetzt, wo Putin die europäische Friedensordnung zertrümmert hat. Wir stehen ganz fest an der Seite unserer Verbündeten; an der Ostflanke, in Litauen, in der Slowakei und auf der Ostsee. Wir werden da sein, wenn diese Aufgaben weiter wachsen. Wir wollen unsere Bundeswehr zu einem europäischen Kräfteverstärker machen in der Nato und in der EU, zu einer Allround-Armee, die ein starker militärischer Kooperations- und Anlehnungspartner ist. Damit zeigen wir, wie ernst es uns ist.

Wie ernst es uns ist, zeigen wir auch damit, dass wir uns mit dieser Grundgesetzänderung bzw. mit dem Begleitpaket auch langfristig zu den Nato-Zielen bekennen. Auch das ist ganz wichtig für unsere Verbündeten: dass sie sich auch langfristig auf uns verlassen können. Deswegen war es wichtig, auch über das Sondervermögen hinaus diese Erklärung abzugeben.

Wie ernst es uns ist, zeigt aber auch der Blick auf unseren Wirtschaftsplan und die Vorhabenliste zu diesem Sondervermögen. An der Stelle möchte ich ein herzliches Dankeschön all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium aussprechen, die beim Aufstellen dieser Liste eine unglaubliche Leistung erbracht haben. Da bin ich insbesondere dem Generalinspekteur sehr dankbar.

Denn wir haben etwas gemacht, was vielleicht viele verwirrt hat: Wir haben nicht die Listen der Industrie, die uns zuhauf zugesandt wurden, zur Grundlage für diesen Wirtschaftsplan und für diese Vorhabenliste gemacht, sondern das, was wir wirklich brauchen, um die Herausforderungen angehen zu können. Viele haben darauf gewartet, diesen Wirtschaftsplan und diese Vorhabenliste frühzeitig zu bekommen. Aber uns war es wichtig, zuerst zu identifizieren: „Was brauchen wir?“, und es dann entsprechend festzuschreiben. Ich weiß, wie gesagt, der eine oder andere hätte sich gewünscht, er hätte darauf – vielleicht auch aus Wahlkreisinteressen – früher Einfluss nehmen können. Aber nein, es geht darum, klar festzuschreiben: „Was ist notwendig für die Bundeswehr?“, und das in einem solchen Plan festzuschreiben.

Denn es geht darum, die Führungsfähigkeit sicherzustellen, zum Beispiel durch Funkgeräte, damit die Bundeswehr im Einsatz endlich mit anderen Nationen kommunizieren kann. Das war die ganze Zeit nicht möglich. Das darf nicht mehr länger sein. Schluss mit der Mangelverwaltung! Schluss mit der Mangelverwaltung bei der persönlichen Ausstattung! Schluss mit der Mangelverwaltung in all den Bereichen wie bei den Nachtsichtgeräten. Das gehört jetzt der Vergangenheit an.

Ganz wichtig war uns bei diesem Sondervermögen, dass wir nicht zulasten anderer Ressorts sparen müssen. Wir nehmen die Verantwortung an, die Bundeswehr auszustatten, wollen aber nicht bei anderen Ressorts einsparen. Deswegen bin ich dankbar, dass wir genau diesen Weg gewählt haben, dass es eben nicht dazu kommt, dass gerade in dieser schwierigen Zeit wichtige Projekte, für die Geld da sein muss, gestoppt oder eingeschränkt werden müssen, sondern dass wir beide Herausforderungen annehmen können. Das sind wir auch den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land schuldig.

Es wird sich viel verändern in den nächsten Wochen und Monaten; denn das muss jetzt auch umgesetzt werden. Das muss ganz schnell bei der Truppe ankommen, und das wird auch so geschehen.

Dazu gehört auch, dass das Beschaffungswesen deutlich verändert werden muss. Da ist richtig viel zu tun. Wir haben die ersten Weichen schon gestellt. 20 Prozent aller Aufträge in der Bundeswehr müssen nicht mehr mit einem bürokratischen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden, sondern können freihändig vergeben werden. Wir nutzen die Möglichkeiten, die uns das europäische Vergaberecht gibt, davon abzuweichen, damit es schneller geht.

Und es werden noch viele Änderungen folgen. Wir haben die Möglichkeit, durch einen Vorschlag, den ich vorgelegt habe, noch vor der Sommerpause eine weitere Beschleunigung zu beschließen. Das ist wichtig, um deutlich zu machen: Dieses viele Geld wird richtig eingesetzt, es wird effizient und effektiv eingesetzt. Das ist unsere Aufgabe, und wir nehmen sie auf jeden Fall an.

Wir können heute ein Zeichen der Geschlossenheit senden an unsere Soldatinnen und Soldaten, an unsere Verbündeten und an die Menschen in unserem Land. Wir stehen zu unserer Verantwortung für Sicherheit, für Frieden, Freiheit und Demokratie.

Vielen Dank." 



Die Bundesregierung

Foto: Christine Lambrecht / Susie Knoll