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Hubertus Heil zur Rentenanpassung 2022

Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, zur Rentenanpassung 2022 vor dem Deutschen Bundestag am 13. Mai 2022 in Berlin:

Bulletin 61-1

"Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Gerade in Zeiten von Krise und Krieg ist es wichtig, dass die Menschen in Deutschland spüren und erleben, dass sie sich auf ihren Staat verlassen können. Das gilt ganz besonders für das System der Alterssicherung. Deshalb ist dieses erste Rentenpaket wichtig: weil in dreierlei Hinsicht ein Signal der Stabilität und Verlässlichkeit davon ausgeht.

Was machen wir im Einzelnen? Erstens: Mit diesem Rentenpaket setzen wir eine kräftige Rentenerhöhung zum 1. Juli um. Es ist die kräftigste Rentenerhöhung seit vielen Jahrzehnten. Die Renten steigen zum 1. Juli in Westdeutschland um 5,3 Prozent und im Osten um 6,1 Prozent. Das ist gerade in diesen Zeiten ein wichtiges Signal. Die Erhöhung folgt der Lohn- und Gehaltsentwicklung und ist auch ein Zeichen für die Stabilität des Arbeitsmarktes. Es ist wichtig, dass die Renten in diesem Jahr kräftig steigen.

Zweitens: Wir sorgen aber auch für Stabilität im System. Das Prinzip der Rentengarantie und der Nachholfaktor sorgen dafür, dass in Krisenzeiten die Renten eben nicht gekürzt werden müssen und wir in guten Zeiten einen fairen Interessenausgleich zwischen Rentnern und Beitragszahlern organisieren.

Drittens: Was mir besonders am Herzen liegt und endlich erreicht werden kann, ist: Wir sorgen für deutliche Verbesserungen für erwerbsgeminderte Bürgerinnen und Bürger. Es geht um Menschen, die nicht mehr oder nur eingeschränkt arbeiten können, weil sie beispielsweise an einem Krebsleiden oder an einer schweren Nervenerkrankung erkrankt sind oder weil sie schwere Behinderungen haben. Diese Menschen zu unterstützen, ist eine Frage der Verantwortung und der Gerechtigkeit. Es ist mir ein Herzensanliegen, dass wir das in dieser Koalition endlich hinbekommen; in der Vorgängerkoalition war das leider noch nicht möglich.

Bevor ich zu den einzelnen Punkten ausführe, lassen Sie mich vorweg eins sagen: Als wir den Gesetzentwurf veröffentlicht haben, gab es dazu Agenturmeldungen. Agenturmeldungen müssen in Deutschland immer bebildert werden. Agenturen suchen dann Stock-Fotos aus – so heißt das –, um Themen zu bebildern. Mir ist aufgefallen, dass, wenn über Rente und Rentner berichtet wird, diese Stock-Fotos dann oft Rentnerinnen und Rentner zeigen, die entweder auf einer Parkbank sitzen und braungebrannt sind oder Golf spielen. Ich will dazu ganz grundsätzlich was sagen. Die meisten Rentner in Deutschland leben nicht in Saus und Braus.

Ich sage sehr deutlich: Ich kenne viel mehr Rentner, die Minigolf spielen, als solche, die sich das Golfen leisten können. Wenn Rentner nach einem Leben voller Arbeit mal auf der Parkbank sitzen, haben sie meistens viele Jahrzehnte vorher an einer Werkbank oder einer Supermarktkasse gearbeitet. Auch das darf man nicht vergessen.

Nun zum ersten Punkt. Die Rentenerhöhung, die jetzt zum 1. Juli kommt, ist kein Gnadengeschenk des Staates. Sie ist das Ergebnis der Lebensleistung und der Tatsache, dass in Deutschland die Rentenerhöhungen der Lohn- und Gehaltsentwicklung und dem Arbeitsmarkt folgen. Weil wir es geschafft haben, in der Coronapandemie den deutschen Arbeitsmarkt mit Kurzarbeit und Ähnlichem trotz allem stabil zu halten, und weil es letztes Jahr ordentliche Lohnabschlüsse gab, ist diese Rentenerhöhung von 5,3 Prozent im Westen und 6,1 Prozent im Osten möglich. Das, würde ich sagen, ist kein Geschenk; das ist verdient.

Zweitens zu den Themen Nachholfaktor und Rentengarantie. Auch das muss man erklären; das sind technische Begriffe. Im Kern geht es darum, dass wir im Jahr 2020, zu Beginn der Pandemie, einen wirtschaftlichen Einbruch erlebt haben, auch einen Einbruch bei den Löhnen, der rechnerisch dazu geführt hätte, dass ein Jahr später, 2021, die Renten hätten gekürzt werden müssen. Aus guten Gründen machen wir das in Deutschland nicht; das nennt sich Rentengarantie. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite der Medaille ist, dass wir in Zeiten, in denen es besser läuft, für einen fairen Interessenausgleich zwischen Rentnern und Beitragszahlern sorgen. Auch das stabilisiert das System, und ich glaube, das ist eine Frage der Verlässlichkeit.

Drittens zu den Erwerbsgeminderten. Wir haben es in den Jahren seit 2014 geschafft, bei den Erwerbsminderungsrenten zu Verbesserungen zu kommen – Schritt für Schritt, unter meiner Amtsvorgängerin Andrea Nahles, auch in der letzten Legislaturperiode mit mir als Bundesarbeitsminister in der Großen Koalition. Allerdings betrifft dies nur zukünftige Fälle. Die meisten Schreiben haben wir als Abgeordnete von Erwerbsgeminderten bekommen, die schon im Bestand sind, die arbeiten wollten, aber erkrankt sind, die im Arbeitsleben einen Unfall hatten, die arbeiten wollten, aber einfach nicht mehr konnten. Ich bin froh, dass wir jetzt für drei Millionen Erwerbsgeminderte in Deutschland zu deutlichen Verbesserungen kommen. Das zeigt die Leistungsfähigkeit und Solidarität der gesetzlichen Rentenversicherung.

Diese drei Punkte sind wichtig. Ich weiß, was nachher in der Debatte passieren wird. Es wird welche geben, die sagen werden: Das ist alles schön und gut, aber wir haben im Moment massive Preissteigerungen. Richtig, wir verkennen auch überhaupt nicht, welche Sorgen sich viele Bürgerinnen und Bürger, auch Rentnerinnen und Rentner, in Deutschland machen. Dann wird es einige aus der Opposition geben, die, wie gestern, behaupten, im Entlastungspaket mit den 30 Milliarden Euro, das die Koalition auf den Weg gebracht hat, sei nichts für Rentnerinnen und Rentner drin.

Da sage ich sehr deutlich: Das ist falsch. Ich finde, Sie sollten redlich sein; denn Sie wissen es doch besser, Herr Kollege Straubinger. Ich will es Ihnen ganz deutlich sagen: Erstens profitieren natürlich auch Rentnerinnen und Rentner von den allgemeinen Entlastungen wie der Abschaffung der EEG-Umlage. Zweitens profitieren Rentnerinnen und Rentner natürlich auch davon, dass wir Kraftstoffpreise senken und mit dem 9-Euro-Ticket ermöglichen, dass Mobilität bezahlbar bleibt. Drittens wird der Grundfreibetrag erhöht; auch das ist etwas, von dem Rentnerinnen und Rentner profitieren können. Und natürlich ist es auch so, dass in den Grundsicherungssystemen auch Menschen der Grundsicherung im Alter von dem 200-Euro-Zuschlag profitieren. Genauso ist es übrigens so, dass wir mit dem Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger zu knapp 50 Prozent Rentnerinnen und Rentner erreichen.

Also, Sie können gerne mit mir darüber streiten, ob es genug ist; aber dass in diesen Paketen nichts für Rentner enthalten ist, stimmt nicht. Sie sollten das auch anerkennen. Mit diesem Rentenpaket I sorgen wir für Stabilität und Verlässlichkeit, und mit den Entlastungspaketen machen wir in schwierigen Zeiten das Leben für viele Menschen ein Stück einfacher. Ich will an dieser Stelle aber auch sagen, nicht nur den Rentnerinnen und Rentnern: Falls die Preissteigerungen ganz lange andauern werden, dann werden wir weitere Maßnahmen ergreifen, auch für Rentnerinnen und Rentner. Dann geht es aber nicht um einmalige Maßnahmen; dann muss es um strukturelle Entlastungen gehen, gerade für mittlere und untere Einkommen in diesem Land.

Das Ganze ist notwendig. Ich sage das deshalb, weil wir unsere Gesellschaft in diesen schwierigen Zeiten zusammenhalten müssen. Deshalb ist die Ansage dieser Koalition ganz klar: Wir werden dafür sorgen, dass unser Sozialstaat funktioniert, und wir werden nicht zulassen, dass äußere Sicherheit gegen sozialen Frieden im Inland ausgespielt wird. So richtig es ist, dass wir die Bundeswehr besser ausrüsten: Das wird nicht zulasten der sozialen Sicherheit in Deutschland gehen. Das ist die klare Ansage dieser Koalition. Herzlichen Dank."


Die Bundesregierung

Bild: Hubertus Heil/BMAS/Dominik Butzmann