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Scholz beim Besuch bei der Bayer AG

Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Besuch bei der Bayer AG am 13. Mai 2022 in Leverkusen:

Bulletin 62-2

"Schönen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, hier zu sprechen. Ich rätsle noch ein bisschen, wie ich die Verknüpfung hinbekomme. Was ist die direkteste Verbindung zwischen Bundespräsident Lübke und Bundeskanzler Scholz? Zwei Fußballvereine. Wie auch immer.

Sehr geehrter Herr Baumann!

Sehr geehrte Frau Hausfeld!

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Richrath!

Lieber Karl Lauterbach!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

In der anorganischen Chemie, mit der die Bayer AG groß geworden ist, ist man heftige Reaktionen unter höchstem Energieeinsatz gewöhnt. Für die internationale Politik gilt das spätestens seit dem 24. Februar. Das ist der Tag, an dem Russland die Ukraine angegriffen hat.

Sie alle wissen, ich habe im Deutschen Bundestag von einer Zeitenwende gesprochen. Eine Zeitenwende markiert dieser Krieg, weil er die gesamte internationale Friedensordnung bedroht. Eine Zeitenwende markiert dieser Krieg aber auch, weil er uns zwingt, globale Herausforderungen, die schon vorher bestanden, noch entschlossener anzugehen.

Um bei den chemischen Begrifflichkeiten zu bleiben: Spätestens die jetzt eingetretene neue Lage muss der Katalysator sein, der unsere industrielle und ökologische Transformation umso kräftiger vorantreibt – jetzt erst recht.

Das gilt etwa im Hinblick auf unsere Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland. Deshalb arbeitet die Bundesregierung mit noch mehr Hochdruck daran, unsere Abhängigkeit von fossiler Energie zu verringern und unsere Energieversorgung umzustellen. Wir haben uns schwimmende Flüssiggasterminals gesichert und neue Lieferquellen erschlossen. Und wir bauen die notwendige Infrastruktur, und zwar deutlich schneller, als solche Großprojekte bisher in Deutschland verwirklicht wurden. Denn wir wissen, worum es geht: Es geht um die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes.

Und um es klar zu sagen: Wir wollen, dass dieses Land auch in 10, 20 und 50 Jahren noch ein hochinnovatives und wettbewerbsfähiges Land ist – ein Industrieland. Dazu gehört, beim Ausbau erneuerbarer Energien noch schneller voranzukommen. Die Bayer AG verfolgt das Ziel, ihre Emissionen bereits bis 2030 um 42 Prozent zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu sein. Wie unbedingt richtig dieser Kurs ist, das zeigt doch der russische Krieg gegen die Ukraine noch einmal in ganz neuem Licht.

Auch unsere Versorgung mit strategisch wichtigen Importen müssen wir gründlich neu bewerten. Schon in den vergangenen Jahren der Pandemie mit ihren wachsenden Lieferkettenproblemen haben wir das gelernt, und sie haben uns etwas gezeigt: Wir brauchen mehr Diversifizierung und größere Resilienz. Für hochwertige und innovative Arzneimittel gilt das ganz, ganz besonders.

Vor diesem Hintergrund ist es der richtige Schritt zur richtigen Zeit, dass hier am Bayer-Standort Leverkusen jetzt eine der weltweit modernsten Produktionsanlagen für Arzneimittel entsteht. Diese neue Anlage wird Maßstäbe in Sachen Qualität, Liefersicherheit und Energieeffizienz setzen. Ich habe das eben bei unseren Gesprächen lernen können und auch verstanden. Außerdem habe ich gehört, dass das ist das Ergebnis einer ganz aktiven Sozialpartnerschaft ist, die die Grundlagen für diese Entscheidung sehr früh vorbereitet hat. Die Anlage wird als lernende Fabrik alle Chancen der Digitalisierung nutzen; auch das habe ich gelernt.

Besonders beeindruckt mich übrigens, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Planungsprozess der Anlage ganz direkt beteiligt sind. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, diese Art der Mitarbeiterbeteiligung und Mitbestimmung mündiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehört zu den ganz großen Stärken unseres globalen deutschen Wirtschaftsmodells.

Mit dieser Investition beweisen Sie großes Vertrauen in den Standort Leverkusen und in die Region als Zentrum der Chemie- und Pharmaindustrie. Das ist auch gut für unser ganzes Land. Denn Investitions- und Innovationsprojekte wie dieses schaffen nicht nur sichere Arbeitsplätze vor Ort. Sie strahlen auch wirtschaftliche Leistungs- und Zukunftsfähigkeit aus. Sie ziehen weitere Investitionen, Entwicklungskapazitäten und Fachkräfte an. Projekte wie dieses sind schlechthin entscheidend dafür, dass Deutschland auch im 21. Jahrhundert wirtschaftlich und technologisch zu den globalen Spitzenreitern gehört.

Dabei ist mir bewusst: Gerade die chemische und pharmazeutische Industrie ist im Rahmen der ökologischen Transformation besonders herausgefordert. Zum einen finden dort oftmals die energieintensiven Produktionsprozesse statt. Zum anderen bilden viele ihrer Produkte die Grundlage für das Gelingen der ökologischen und der digitalen Transformation. Oder um es noch klarer zu sagen: Nur wenn uns die Transformation in der chemischen und pharmazeutischen Industrie gelingt, wird uns auch die Transformation, die Weiterentwicklung unserer gesamten Wirtschaft gelingen.

Deshalb wird die Bundesregierung heute und in Zukunft alles tun, um diesen Entwicklungsgang zu ermöglichen. Wir bauen Bürokratie ab, um gezielt die Herstellung von Arzneimitteln in Deutschland und in der EU zu stärken; darüber haben wir auch vertieft gesprochen. Da geht noch was.

Wir wollen die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren halbieren, damit staatliche und private Investitionen schneller, effizienter und zielsicherer ankommen. Wir machen das gerade vor – und ich hoffe, wir lernen daraus für die Zukunft. –: Mit dem sogenannten Osterpaket hat die Bundesregierung bereits die Basis für einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien gelegt. Das „Sommerpaket“ wird die Impulse für die Bereitstellung von Flächen für die nötigen Anlagen und für die Planungs- und Genehmigungsverfahren setzen.

Und schließlich lassen wir die Unternehmen mit den steigenden Energiekosten nicht allein. Über Kredite und Zuschüsse unterstützen wir insbesondere energieintensive Branchen, damit sie die notwenden Investitionen auf dem Weg zur Klimaneutralität tätigen und zugleich ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit behaupten können.

Nicht nur heute, aber an einem Tag wie diesem ganz besonders bin ich mir sicher: Gemeinsam werden wir die Transformation der chemischen und pharmazeutischen Industrie und damit die ökologische und digitale Transformation der deutschen Wirtschaft insgesamt hinbekommen. Dafür steht diese Anlage. Deshalb ist heute ein guter Tag: für die Bayer AG mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, für den Standort Leverkusen und die Region, für das Land Nordrhein-Westfalen und auch für Deutschland insgesamt.

Vielen Dank." 


Die Bundesregierung

Bild: Olaf Scholz/BMF/Thomas Koehler/photothek.net