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Kein Frieden in Sicht

Tausende Palästinenser protestieren zum Jahrestag der Staatsgründung Israels.

Inmitten verschärfter Spannungen nach dem Tod der Al-Dschasira-Reporterin Schirin Abu Akleh sind am Sonntag tausende Palästinenser auf die Straße gegangen, um gegen die Staatsgründung Israels vor 74 Jahren zu demonstrieren. Abu Akleh war am Mittwoch bei der Berichterstattung über einen israelischen Militäreinsatz im besetzten Westjordanland erschossen worden. Ein gewaltsamer Einsatz der israelischen Polizei bei ihrer Beerdigung wurde von den USA und der EU scharf kritisiert.

Am Gedenktag der "Nakba" (Katastrophe) erinnern die Palästinenser an die Vertreibung von mehr als 700.000 Palästinensern, die 1948 auf die Gründung des Staates Israel folgte. Allein in Ramallah im Westjordanland versammelten sich am Sonntag tausende Demonstranten. Weitere Protestaktionen gab es im Gazastreifen, im annektierten Ost-Teil Jerusalems und in Israel.

Bei einer Nakba-Protestaktion an der Universität Tel Aviv nahm die Polizei drei arabische Israelis fest, die nach Polizeiangaben Gegendemonstranten und Polizisten attackiert hatten. Nach Angaben von Augenzeugen war es zu Auseinandersetzungen gekommen, als Anhänger der rechtsgerichteten israelischen Gruppe Im Tirtzu die arabischen Studenten verhöhnten.

Am Freitag war die israelische Polizei gewaltsam gegen Teilnehmer des Trauerzugs für Abu Akleh in Ost-Jerusalem vorgegangen, um palästinensische Fahnen zu konfiszieren. Mehr als 30 Menschen wurden verletzt, der Sarg der Journalistin stürzte in dem Tumult fast zu Boden.

In der EU und den USA stieß der Polizeieinsatz auf scharfe Kritik. Die EU zeigte sich in einer Erklärung "entsetzt" und verurteilte die "unverhältnismäßige Gewalt" und das "respektlose Verhalten" der israelischen Polizisten. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zeigte sich "zutiefst erschüttert". 

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sprach von "zutiefst verstörenden" Bildern. US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich "zutiefst beunruhigt" und telefonierte nach Angaben seines Ministeriums am Samstag mit der Familie der Journalistin. Blinken habe den Angehörigen sein "tiefes Beileid" ausgedrückt und ihnen Unterstützung durch die US-Botschaft in Jerusalem zugesagt. Die Palästinenserin Abu Akleh war auch US-Staatsbürgerin.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres reagierte "zutiefst beunruhigt" auf die Gewalt bei dem Trauerzug. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet nannte die Szenen "schockierend". Der Chef der israelischen Polizei ordnete inzwischen eine Untersuchung des Einsatzes an.

Die 51-jährige Abu Akleh war am Mittwoch im Westjordanland von einer Kugel im Kopf getroffen worden. Die palästinensische Christin gehörte zu den bekanntesten Journalistinnen des arabischen Senders Al-Dschasira und genoss in der palästinensischen Bevölkerung hohes Ansehen.

Weiterhin ungeklärt ist, wer den tödlichen Schuss auf die Reporterin abfeuerte. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte am Freitag in einer einstimmig verabschiedeten Erklärung den gewaltsamen Tod der Journalistin und forderte "eine sofortige, gründliche, transparente und unparteiische Untersuchung". Einstimmige Entscheidungen des Gremiums sind selten. 

Israel und die Palästinenser hatten sich zunächst gegenseitig für den Tod Abu Aklehs verantwortlich gemacht. Später räumte Israel aber ein, dass die Journalistin auch durch einen Schuss von israelischer Seite getötet worden sein könnte. In einem Zwischenbericht zu den Ermittlungen der israelischen Armee hieß es, es sei "nicht möglich, die Herkunft des Schusses zu bestimmen".

Abu Akleh war nahe des Flüchtlingslagers Dschenin getötet worden, einer Hochburg bewaffneter Palästinensergruppen im Westjordanland. Am Sonntag starb ein Palästinenser, der am Freitag bei einem Schusswechsel mit israelischen Einheiten im Lager Dschenin verletzt worden war. Ein israelischer Polizist wurde bei dem Einsatz getötet, zwölf weitere Palästinenser verletzt. 

Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern hatte sich in den vergangenen Wochen massiv verschärft. Seit März wurden bei anti-israelischer Gewalt mindestens 19 Menschen getötet. Im selben Zeitraum wurden laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP 32 Palästinenser und drei arabische Israelis getötet.

mid/yb


Hiba ASLAN / © Agence France-Presse