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Zehntausende Ukrainer verschleppt

Die USA gehen von zehntausenden in russisches Gebiet verschleppten Ukrainern aus.

Die USA gehen davon aus, dass Russland seit Beginn seines Angriffskriegs zehntausende Ukrainerinnen und Ukrainer gewaltsam verschleppt hat. Allein aus der belagerten Hafenstadt Mariupol seien tausende Menschen nach Russland oder in russisch kontrolliertes Gebiet gebracht worden, sagte der US-Botschafter bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Michael Carpenter, am Donnerstag in Wien.

Die ukrainische Regierung schätzt die Zahl der verschleppten Ukrainer gar auf knapp 1,2 Millionen. Darunter sollen sich nach Angaben der Ombudsfrau Lyudmyla Denisowa auch mindestens 200.000 Kinder befinden. Nach Angaben Kiews betreibt Moskau zudem sogenannte Filtrationslager, in denen festgenommene Ukrainer verhört werden.

Augenzeugen hätten von "brutalen Verhören" in diesen Lagern berichtet, sagte Carpenter. Dies und die Zwangsverschleppungen kämen Kriegsverbrechen gleich. "Wir dürfen dieses Übel nicht zulassen", sagte er. Der UN-Menschenrechtsrat hatte am Donnerstag mit überwältigender Mehrheit für eine Untersuchung mutmaßlicher russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine gestimmt.

Kiew wirft der russischen Armee vor, seit ihrem Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar in zahlreichen Orten Kriegsverbrechen begangen zu haben. Die Sender CNN und BBC veröffentlichten am Donnerstag Aufnahmen eines solchen möglichen Verbrechens von Mitte März. Auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera war zu sehen, wie russische Soldaten offenbar zwei unbewaffnete Zivilisten in der Nähe eines Autohauses außerhalb von Kiew in den Rücken schießen. Einer der Männer starb noch vor Ort, der andere kurz darauf.

Die Kämpfe im Süden und Osten der Ukraine dauerten am Donnerstag weiter an. Das ukrainische Präsidialbüro meldete anhaltenden Beschuss aus der Region Luhansk. Russische Truppen versuchten, die vollständige Kontrolle über die Stadt Rubischne zu erlangen, eine wichtige Autobahn zwischen Lysytschansk und Bachmut zu blockieren und Sewerodonezk einzunehmen, hieß es.

In der nordöstlichen Region Tschernihiw wurden nach Angaben von Rettungskräften am Donnerstag bei einem Angriff auf eine Schule drei Menschen getötet und zwölf weitere verletzt. Die russische Armee selbst meldete Angriffe auf Donezk und Charkiw mit mehr als 170 Toten.

Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj inzwischen landesweit 570 Gesundheitseinrichtungen zerstört, darunter 101 Krankenhäuser. "Wozu? Das ist Nonsens. Das ist Barbarei", sagte der ukrainische Staatschef in seiner täglichen Videobotschaft vom Donnerstag.

Die Ukraine führte zudem Verhandlungen mit Russland über die Evakuierung schwer verletzter Soldaten aus dem belagerten Stahlwerk des Konzerns Asow-Stahl in Mariupol. Die Gespräche seien "sehr schwierig", erklärte die stellvertretende Regierungschefin Iryna Wereschtschuk. Es gehe zunächst nur um 38 Soldaten, die gegen gefangene Russen ausgetauscht werden könnten.

In dem Industriekomplex haben sich nach ukrainischen Angaben noch mehr als tausend Kämpfer verschanzt. Sie sind die letzten ukrainischen Verteidiger in der strategisch wichtigen Hafenstadt Mariupol, die mittlerweile abgesehen von dem Industriegebiet vollständig unter russischer Kontrolle steht. Hunderte Zivilisten wurden in den vergangenen Wochen aus den Asow-Stahl-Anlagen in Sicherheit gebracht.


noe/mkü

 

© Agence France-Presse