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Loslassen und so

Ein Text, der vom „Höcksken auf Stöcksken“ springt um, am Ende bei allen Zweifeln voller Hoffnung zu bleiben


Manchmal, wenn wie jetzt der scheinbar ganze Druck von den Schultern gefallen ist, alles verloren scheint, die Beziehung beendet und die Klausuren versaut sind, macht man schon komische Sachen. Ich zum Beispiel, setze mich mit einem Joint in ein Café und genieße einen heißen Kakao. Dabei beobachte ich das lebendige Treiben einer trägen Stadt um mich herum.

I' m sorry Mrs. Jackson“ dröhnt es durch die einsfünfzig- Kopfhörer vom Tedi, während meine Finger über die Tastatur tanzen. Es ist mehr das Gefühl des Loswerden und Loslassen, als des „Schreiben-müssens“.                                                                    Ich müsste, wenn wir schon dabei sind, lernen, um die Klausuren im zweiten Anlauf zu bestehen, aber mein Innerstes drängt mich dazu, inne zu halten, zu malen und zu schreiben. Das bringt mir nicht nur vor dem eigenen Ego keine Bonuspunkte sondern auch vor jenen, die ich zu beeindrucken habe. Dabei weiß doch jeder, ich kann vieles erklären, aber leider nichts vormachen.

Das Leben ist doch so kurz. Soeben habe ich noch ein Interview mit Brad Bitt gesehen, der sich ebenfalls nicht vom Gedanken des Alterns befreien kann. Und er ist schon über 50. Ein komisches Gefühl, das Alter erreicht zu haben, das man in der Jugend immer so belächelt hat. „Man, sind die alt“ die stinken ja schon“. Naja, das mit dem Stinken liegt wenn an der fehlenden Hygiene, aber noch nicht am Prozess des Faulens. Dennoch habe ich festgestellt, dass ich mich im Laufe des Lebens immer mehr in Richtung der Horizontalen begebe und auch die Faszination für die Natur mehr und mehr zunahm. Als wolle sich etwas in mir wieder mit der Natur und dem Vergänglichen versöhnen, von dem ich mich so lange mit aller Kraft zu emanzipieren versucht habe. Und schon nach 10 Jahren beginnt man, die Ambitionen einzustellen und mit möglichst wenig Anstrengung seine Ziele zu erreichen. Aber was soll all das Lementieren? Es ist wie es ist und meine Superstars sind die Roy Blacks und Udo Jürgens meiner Nachkommen, ob mir das nun gefällt oder nicht. Aber vielleicht ist es gut, dass hin und wieder einmal zu reflektieren, um nicht vollends den Bezug zur nächsten Generation zu verlieren.

Wie oft habe ich meinen Eltern vorgeworfen, dass sie mir nicht zuhören und alles, was mich tangierte und interessierte, und was mach ich jetzt? Deine Musik ist lame Kackscheisse! Das Gleiche gab es schon vor 20 Jahren. Und noch schlimmer, bei Neuauflagen von Filmen lässt man sich heute nicht mal mehr Zeit, bis die meisten das Original gestreamt haben. Erst neulich dachte ich das wieder, als „Man in Black“ oder „Maleficent“ wieder in die Kinos kam. Echt jetzt? Ist das denn etwas, das nur mir auffällt, weil ich älter werde oder hat sich wirklich Fulminantes verändert?

Hat das Leben von heute wirklich die Inspiration und den Mut verloren? Wagt man es heute nicht mehr, etwas zu wagen? Wovor hat man Angst? Man ist doch jung, da ist doch eigentlich alles möglich. Ich möchte nicht den Eindruck erhärten, dass meine Kleine oder gar die ganze Generation nutzlos wäre, ganz im Gegenteil. Die Jugend ist so enorm pragmatisch und analytisch, dass es mir kalt den Rücken hinunter läuft. Wenn Zoé eine nicht ideale Note bekommt antwortet sie: „ es lohnt sich doch nicht, sich mit ihr anzulegen“. Natürlich hat sie da recht, aber verlernt sie nicht den konstruktiven Disput, wenn sie derlei Dinge einfach so hinnimmt? Wenn man an dieser Stelle schon ohnmächtig den Starken gehorcht, wann und wo soll dann der konstruktiv kritische Blick wachsen und lernen sich zu behaupten? Schön ist das Gefühl, mir keine Sorgen um sie machen zu müssen; mit kritischem Auge betrachte ich aber die sorglose Genügsamkeit des Seins in den Fängen der Zivilisation. Ist der Turbo einer sich weiter entwickelnden Gesellschaft nicht die Kontroverse zwischen Establishment und Nachwuchs?

Aber was ist das für ein Nachwuchs, der mit 18 zur BWL- Vorlesung schlendert, sich einen Konservativen Christdemokraten nennt und sich einen Jens Spahn als Parteivorsitzenden der CDU wünscht?                                                                                   So konservativ war mein Vater mit 75, auch wenn er nicht wusste, was er da sagte. Aber für mich ist das beinahe nicht so schlimm, wie die gerechtfertigte Überzeugung, mit der es nichtwegdiskutabel vertreten wird. Bei meinem Glück wird mich meine Tochter in wenigen Jahren mit einem solchen Vogel als Schwiegersohn beglücken. Auch wenn sie das heute noch vehement verneint, so bin ich mir dessen schon ziemlich sicher und freue mich lieber, wenn es anders kommt, als dass ich in Schockstarre verfalle, wennn das Wahrscheinlichste eintritt. Ich werde sie trotzdem dabei unterstützen und unendlich lieben, schließlich geht es um ihr Glück. Aber heimlich werde ich für sie, um ihren verpassten Spaß,  in die Kissen weinen. Aber nur, wenn sie nicht dabei ist, denn ich möchte eines am wenigsten, dass sie nicht davon überzeugt ist, dass ich mir gewiss bin, dass sie für sich und ihr Leben immer die richtigen Entscheidungen trifft.