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Schießbefehl und keine Verhandlungen

Nach den tagelangen gewaltsamen Protesten ist die Lage in Kasachstan weiter eskaliert:

Staatschef Kassym-Schomart Tokajew erteilte den Sicherheitskräften am Freitag den Schießbefehl auf Demonstranten und schloss Verhandlungen mit diesen aus. In einer Fernsehansprache dankte er seinem Verbündeten, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, für die Entsendung von Truppen zur Unterstützung. Das US-Außenministerium gab derweil grünes Licht für die Ausreise von nicht dringend benötigtem US-Konsulatspersonal. 

"Ich habe den Befehl gegeben, ohne Vorwarnung tödliche Schüsse abzugeben", sagte Tokajew am Freitag in einer Fernsehansprache. Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, sperrten die Sicherheitskräfte strategische Bereiche der Stadt Almaty ab und schossen in die Luft, wenn sich jemand näherte. Der Schießbefehl löste international Entsetzen aus.

Das zentralasiatische Land wird seit Tagen von beispiellosen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften erschüttert. Proteste, die sich zunächst gegen steigende Gaspreise gerichtet hatten, weiteten sich zu regierungskritischen Massenprotesten im ganzen Land aus. Die Wut der Demonstranten richtet sich auch gegen den autoritären Ex-Präsidenten Nursultan Nasarbajew, der weiterhin als höchst einflussreich gilt.

Almaty, die größte Stadt des Landes und wirtschaftliches Zentrum, sei von "20.000 Banditen" angegriffen worden, erklärte Tokajew. Die "Terroristen" hätten einen klaren Plan gehabt und seien "bereit für den Kampf" gewesen. Westliche Aufrufe, mit den Demonstranten zu verhandeln, bezeichnete der Präsident als "absurd".

In seiner TV-Ansprache dankte Tokajew seinem Verbündeten, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, "ganz besonders" für seine Hilfe. Eine Truppe der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) unter russischer Führung unterstützt derzeit die kasachischen Sicherheitskräfte.

US-Außenminister Antony Blinken warnte am Freitag, dass es für Kasachstan jetzt schwierig sein werde, den russischen Einfluss zurückzudrängen. "Ich denke, eine Lehre aus der jüngsten Geschichte ist, dass es manchmal sehr schwierig ist, die Russen wieder loszuwerden, wenn sie erst einmal in deinem Haus sind", sagte Blinken vor Reportern. 

Er forderte die ausländischen Truppen und die kasachischen Behörden auf, sich an die internationalen Menschenrechtsstandards zu halten. "Wir beobachten die Situation mit großer Sorge und ermutigen alle, eine friedliche Lösung zu finden", sagte er weiter.

Aufgrund der Lage vor Ort reagierte das US-Außenministerium: Es erlaubte Konsulatsmitarbeitern, die nicht für Notfälle zuständig sind, das Land zu verlassen, hieß es in einer Erklärung. 

Das Auswärtige Amt in Berlin verschärfte derweil seine Reisewarnung für die Region: Für die Dauer des Ausnahmezustands riet es von jeglichen Reisen nach Almaty und in das Almatiner Gebiet ab. Zuvor hatte Berlin bereits von nicht dringend erforderlichen Reisen nach Kasachstan abgeraten. 

Nach kasachischen Regierungsangaben wurden 26 "bewaffnete Kriminelle" getötet und mehr als tausend weitere Demonstranten verletzt. Auf Seiten der Sicherheitskräfte gab es demnach 18 Tote und fast 750 Verletzte. Mehr als 3800 Demonstranten seien festgenommen worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigen.

Das kasachische Innenministerium teilte mit, alle Regionen des Landes seien "befreit und unter verstärkten Schutz gestellt" worden. Der "Anti-Terroreinsatz" werde fortgesetzt, sagte Tokajew. Er bezichtigte "die freien Medien und bestimmte Personen im Ausland", zu den Protesten angestachelt zu haben. 

Ex-Präsident Nasarbajew sprach unterdessen mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in einem Telefonat über die Lage in Kasachstan, wie die belarussische Nachrichtenagentur Belta am Freitag unter Berufung auf Lukaschenkos Presseamt berichtete. Der 81-jährige Nasarbajew herrschte von 1989 bis 2019 über das Land. Er gilt als Mentor des derzeitigen Präsidenten.

mkü/noe