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Kasachstan

Warum die Proteste auch den Westen angehen

Es handelt sich nicht nur um einen einfachen Straßenprotest gegen hohe Rechnungen: Der Aufstand, der am 5. Januar in einigen Teilen Kasachstans losgebrochen ist, könnte zu einer nationalistischen und antiwestlichen Kampagne führen. 
Das erklärte der italienische Geistliche Edoardo Canetta, der zwanzig Jahre in Kasachstan gearbeitet hat und Generalvikar für Zentralasien war, der Nachrichtenagentur Fides. „Bis letztes Jahr kostete der Kraftstoff in Kasachstan nur 40 Cent pro Liter“, so Canetta, der jetzt an der Ambrosianischen Akademie in Mailand lehrt.

„Heute haben sich diese Preise verdoppelt, und gleichzeitig hat die Inflation Spitzenwerte erreicht. All dies führt zu heftigen Protesten der Mittelschicht: Diese Bürger fühlen sich am meisten betroffen, da die Armen keine Autos besitzen. Die Menschen können nicht verstehen, warum ein Land, das regelrecht in Gas und Öl ‚schwimmt‘, so viel für Gas und Öl bezahlen muss".

Almaty

Gelder aus Öl- und Gasförderung fliessen ins Ausland ab

Dieses Phänomen ist nach der Analyse von Edoardo Canetta auf die Verträge zurückzuführen, die unmittelbar nach dem Zusammenbruch der UdSSR vor dreißig Jahren zwischen Kasachstan und den großen Öl- und Energiekonzernen geschlossen wurden: „Als die Sowjetunion zusammenbrach, befand sich Kasachstan wie alle Länder der Region in einem Zustand absoluter Armut. Deshalb hat es sich auf Verträge eingelassen, nach denen nur ein sehr geringer Prozentsatz der Gewinne aus der Förderung im Land bleibt. Es sind also die großen ausländischen Unternehmen, die sich durch diese Tätigkeit auf kasachischem Gebiet bereichert haben.

“Zwar hätten die Unternehmen von auswärts auch für Investitionen in dem Land gesorgt, das so groß ist wie Westeuropa. Die kasachische Bevölkerung habe aber jetzt kein Verständnis mehr für die Verträge. „Darum könnten sich die Proteste auch auf einmal gegen die Ausländer wenden und zu einer nationalistischen Kampagne führen, vor allem gegen den Westen.“

Wackelige Telefonverbindungen

Die Unruhen betreffen mehrere kasachische Städte; das Epizentrum war die Finanzhauptstadt Almaty. Dutzende von Demonstranten wurden bei Zusammenstößen verletzt oder getötet, 18 Polizeibeamte verloren ihr Leben, und mehr als 2.000 Menschen wurden festgenommen. Randalierer besetzten und plünderten Fernsehstationen und Flughäfen.


Seit Beginn des Aufstands ist das Land weitgehend isoliert: Die Telefonverbindungen sind wackelig, und die Internetverbindung ist fast vollständig ausgefallen, wie Pater Guido Trezzani, nationaler Direktor der Caritas, aus Talgar, einer Stadt in der Nähe von Almaty, gegenüber Fides bestätigt. „Vor zwei Tagen wurde der Ausnahmezustand verhängt. Die erste Folge ist, dass das Internet und alle damit verbundenen Dienste blockiert werden. Gelegentlich ist es möglich, E-Mails zu nutzen, aber andere Dienste wie Skype und soziale Medien sind blockiert.“

„Es ist im Moment am sichersten, zuhause zu bleiben“

Wie ein Mitarbeiter der Caritas Kasachstan gegenüber Fides berichtet, können die Mitarbeiter der Organisation mit Sitz in Almaty seit zwei Tagen nicht mehr ins Büro gehen: „Wir sind etwa eine Meile vom Regierungsgebäude entfernt und hören Schüsse, aber wir wissen nicht, was sie bedeuten. Es geht uns allen gut, aber ich denke, es ist im Moment am sichersten, zuhause zu bleiben.“ In der Zwischenzeit sind von Russland entsandte Truppen zur Unterstützung der Regierung im Land eingetroffen.

Moskauer Patriarch besorgt über Blutvergießen in Kasachstan

Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. zeigte sich ebenfalls besorgt angesichts der Unruhen in Kasachstan. Die Menschen des zentralasiatischen Landes seien mit einem „schweren Bürgerkonflikt“ konfrontiert, sagte das Kirchenoberhaupt am Freitag in Moskau in seiner orthodoxen Weihnachtsmesse. Das geschehe gleich nebenan auf dem „Territorium der historischen Rus, und deshalb können wir diesem Blutvergießen, diesen Zusammenstößen, diesem menschlichen Chaos nicht gleichgültig gegenüberstehen“.

Der Konflikt in Kasachstan müsse beendet werden und in dem Land „wahrer Frieden“ herrschen, so Kyrill I. „Wir werden dafür beten, arbeiten und hoffen, dass es so sein wird.“ Kasachstans orthodoxer Metropolit Alexander hatte bereits am Mittwoch in einer Videobotschaft „die sofortige Beendigung des Schürens brudermörderischer Konflikte“ gefordert.

(fides – sk)