Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Demonstrationen in Moskau

Demonstranten protestieren in Moskau gegen ein mögliches Memorial-Verbot.

Vor dem Obersten Gerichtshof Russlands hat am Dienstag die möglicherweise letzte Anhörung im Verbotsverfahren gegen die Dachorganisation des Menschenrechtsnetzwerks Memorial begonnen. Mehrere Dutzend Demonstranten protestierten trotz eisiger Temperaturen vor dem Gerichtsgebäude in Moskau gegen den Prozess. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP sah, wie die Polizei drei Menschen festnahm. Das Urteil gegen Memorial International wird noch in dieser Woche erwartet.

Memorial gehört zu den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen in Russland. Die Ende der 80er Jahre vom sowjetischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow mitbegründete Organisation setzt sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein.

Die russischen Behörden werfen Memorial vor, gegen das sogenannte Ausländische-Agenten-Gesetz verstoßen zu haben. Als "ausländische Agenten" eingestufte Organisationen in Russland müssen sämtliche Publikationen mit einer speziellen Kennzeichnung versehen und ihre Finanzierungsquellen offenlegen. Kritiker sehen in dem Gesetz ein Instrument des Kreml zur Unterdrückung unabhängiger Stimmen in Russland.

Auch der Memorial-Unterorganisation Menschenrechtszentrum Memorial werden Verstöße gegen das Ausländische-Agenten-Gesetz zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Zentrum darüber hinaus die Verherrlichung von "Terrorismus und Extremismus" vor. Vor einem Gericht in Moskau findet am Mittwoch eine erneute Anhörung in diesem Verfahren statt. Das Menschenrechtszentrum Memorial setzt sich insbesondere für politische Gefangene in Russland ein. In diesem Jahr wies es dabei auch immer wieder auf das Schicksal des inhaftierten Oppositionspolitikers Alexej Nawalny hin.

Beobachter sehen in dem Vorgehen gegen Memorial auch den Versuch der russischen Führung, die sowjetische Geschichte umzudeuten. Während Memorial Gedenkorte für die Opfer des Stalinismus schaffen will, erinnert der Kreml an Stalin vor allem als Kriegshelden und Bezwinger des Nationalsozialismus. Aufarbeitung, wie Memorial sie betreibt, wird als Angriff auf dieses Geschichtsbild gewertet.

"Wir müssen unsere Geschichte kennen, verstehen, was geschehen ist", sagte eine der Demonstrantinnen vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau, Maria Birjukowa, der Nachrichtenagentur AFP. "Memorial sagt die Wahrheit - in keiner Weise verunglimpft das das Land."

isd/cp