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Ethikrat beurteilt Impfpflicht

Der Ethikrat hält eine Impfpflicht unter Auflagen für vertretbar.

Der Deutsche Ethikrat hält eine Ausweitung der gesetzlichen Impfpflicht gegen das Coronavirus für vertretbar - aber nur in bestimmten Ausnahmesituationen. Eine solche Maßnahme sei "nur zu rechtfertigen, wenn sie gravierende negative Folgen möglicher künftiger Pandemiewellen abzuschwächen oder zu verhindern vermag", heißt es in der am Mittwoch vorgelegten Stellungnahme, die der Ethikrat mit 20 Ja- und vier Gegenstimmen angenommen hat.

Solche negativen Folgen seien etwa "eine hohe Sterblichkeit, langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen signifikanter Teile der Bevölkerung oder ein drohender Kollaps des Gesundheitssystems", heißt es in der Stellungnahme. Eine Impfpflicht könne "kein Allheilmittel gegen die Pandemie sein, sondern nur als Teil einer umfassenden, evidenzbasierten, differenzierten und vorausschauenden Pandemie-Gesamtstrategie erwogen werden", schreiben die Expertinnen und Experten.

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder hatten den deutschen Ethikrat Anfang Dezember gebeten, eine Stellungnahme zu den ethischen Aspekten einer ausgeweiteten Impfpflicht abzugeben. Bislang gibt es eine Corona-Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen etwa in der Pflege und im Gesundheitsbereich - Anfang 2022 soll der Bundestag aber über eine generelle Impfpflicht entscheiden.

Über die konkrete Ausgestaltung einer solchen Impfpflicht gab es im Ethikrat unterschiedliche Auffassungen. Sieben Ratsmitglieder plädierten dafür, eine Ausweitung der Impfpflicht auf Erwachsene zu beschränken, die bezüglich Covid-19 besonders vulnerabel sind - etwa Ältere und Vorerkrankte. 13 Ratsmitglieder befürworteten die Ausweitung auf alle in Deutschland lebenden impfbaren Erwachsenen.

In seiner mit 20 gegen vier Stimmen verabschiedeten Empfehlung fordert der Ethikrat, eine Impfpflicht mit einer Reihe von Maßnahmen zu flankieren. So müsse es eine flächendeckende Impf-Infrastruktur mit sehr vielen niedrigschwelligen Impfangeboten und ausreichend Impfstoff geben. Empfohlen werden eine direkte Einladung von Impfverpflichteten, ein datensicheres nationales Impfregister sowie kontinuierliche Evaluation und Begleitforschung. 

Eine Impfpflicht müsse mit "zielgruppenspezifischer, kultursensibler, mehrsprachiger und leicht verständlicher Information, auch über soziale Medien", verbunden sein. Der Ethikrat rief Staat und Regierung auf, bei der Umsetzung der Impfpflicht "bewusst darauf hinzuwirken, Frontstellungen zwischen geimpften und nicht geimpften Menschen zu vermeiden". Die Durchsetzung der Impfpflicht unter Anwendung von körperlicher Gewalt müsse ausgeschlossen werden.

Der Ethikrat betonte in seiner Empfehlung, dass hohe Impfquoten entscheidend seien, "um in eine kontrollierte endemische Situation zu kommen". Derzeit stoße das deutsche Gesundheitssystem vielerorts an seine Grenzen. "Virusvarianten wie Omikron und erwartbar weitere Varianten des Virus nötigen Sachverständige dazu, ihre Einschätzungen zum künftigen Pandemieverlauf immer wieder aufs Neue zu überprüfen", heißt es in dem Papier.

Der Deutsche Ethikrat berät über zentrale ethische Fragen und gibt regelmäßig Stellungnahmen ab. Dem Gremium gehören 26 Mitglieder an, die je zur Hälfte auf Vorschlag des Bundestags und der Bundesregierung berufen werden. Darunter sind etliche Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen.

pw/jp