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Im Impfwiderstand entleeren sich ältere Konflikte

„Im Impfwiderstand entleeren sich ältere, aufgestaute Konflikte“, denkt die Wiener Werteforscherin Regina Polak. Sie warnt zugleich vor einer Rhetorik der Spaltung und wirbt für Beziehungsarbeit - gerade jetzt.

Auf die vielfachen Herausforderungen angesichts der beziehungsbelastenden Polarisierung zu Corona hat die Wiener Pastoraltheologin und Werteforscherin Regina Polak aufmerksam gemacht. „Wir beobachten in der Werteforschung, dass es seit Längerem Probleme bei der Anerkennung von Normen gibt“, betonte sie bei einem virtuellen Treffen mit katholischen Medienschaffenden am Donnerstagabend. Das häufig verwendete Narrativ der Spaltung hält Polak für problematisch. Es zwinge, sich einem Lager zuzuordnen. Die Mehrheit zwischen den Extremen schweige.

Historische Gärung: Soziale Erosion über Jahrzehnte

„Wir beobachten jetzt auch den Verlust des Gemeinwohlsinns, eine Folge der sozialen Erosion über Jahrzehnte“, bei starkem Fokus auf die Individualität, fügte die Leiterin des Instituts für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien hinzu. Wichtig seien milieu- und generationendurchmischt physische Kontakte. Denn, „wenn man einander kennt und voneinander weiß, entstehen Beziehungen“.

Entsprechend plädierte Polak für das Ringen um jede Beziehung inmitten der Polarisierung. Es werde neben und auch nach Corona Konfliktthemen geben, etwa wirtschaftliche Fragen, jene der Vermögensverteilung, nicht zuletzt die Klimaveränderung und den Umgang damit. „Wenn jeder sich um eine Person bemüht, wäre das ein hilfreicher Beitrag“, zeigte sich die Theologin überzeugt.

„Wenn jeder sich um eine Person bemüht, wäre das ein hilfreicher Beitrag“

Medien könnten mit Appellen zum Erhalt von Beziehungen, auch zwischen Generationen, beitragen. Ein „langer Atem“ sei jedoch notwendig. Polaks These: „Im Impfwiderstand entleeren sich ältere Konflikte“, die sich innerhalb der Gesellschaft und zwischen den Generationen aufgestaut haben. Diese „historische Gärung“ sei der Grund, „warum ich nicht weiß, ob und wie wir da wieder herauskommen“.

Unterschiede aushalten und die Aufgabe kirchlicher Medien

Wo unterschiedliche Meinungen gefestigt seien, könne ein Lernprozess unter dem Motto „to learn to disagree better“ helfen, wie man ihn auch im interreligiösen Dialog kennenlernen könne. Zudem könne man nach Hannah Arendt versuchen, Meinungen von unterschiedlichen Perspektiven, auch jene von Abwesenden zu sehen, diese Unterschiede auszuhalten und zu repräsentieren.

Medien könnten laut Polak den Menschen helfen, diese Lernprozesse zu beginnen und insbesondere kirchliche Medien könnten zu ethischer Bildung beitragen. Um jüngere Generationen nicht aus den Augen zu verlieren, sei es jedenfalls wichtig, die Stimmen der Jungen zu stärken. Das könne etwa durch mediale Gestaltungsmöglichkeiten geschehen. Zudem wäre es wichtig, generationenübergreifende Dialoge sichtbar zu machen. Denn, „zu dieser historischen Amnesie gehört das Brechen des Generationendialogs“.

Der Abend zum Thema „Wie in der Corona-Polarisierung leben und schreiben“ wurde veranstaltet vom Verband Katholischer Publizistinnen und Publizisten Österreichs. Verbandsvorsitzende Gabriele Neuwirth, betonte zu Beginn der Veranstaltung: „Wir können dieses schwierige Thema nur bewältigen, indem wir uns auseinandersetzen.“

(kap - pr)

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