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Umweltverbände kritisieren Fahrplan für Kohleausstieg

Der Bund und die Länder mit Braunkohleförderung hatten sich in der Nacht zum Donnerstag nach einem Spitzentreffen im Kanzleramt auf einen Fahrplan für die Abschaltung von Kraftwerken geeinigt. Der erste Kraftwerksblock soll Ende 2020 vom Netz, große Anlagen aber erst im kommenden Jahrzehnt


Umweltverbände haben die Bund-Länder-Einigung auf einen Fahrplan für den Kohleausstieg scharf kritisiert. "50 Prozent der Braunkohle geht erst 2035 oder später vom Netz", erklärte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert, der auch Mitglied der sogenannten Kohlekommission gewesen war. Damit verpasse es die Bundesregierung, "den mühsam ausgehandelten Kohlekompromiss" eins zu eins umzusetzen.

Der Bund und die Länder mit Braunkohleförderung hatten sich in der Nacht zum Donnerstag nach einem Spitzentreffen im Kanzleramt auf einen Fahrplan für die Abschaltung von Kraftwerken geeinigt. Der erste Kraftwerksblock soll Ende 2020 vom Netz, große Anlagen aber erst im kommenden Jahrzehnt.

Der nun angepeilte Ausstiegspfad sei "klimapolitisch untragbar", kritisierte Niebert. "Klar ist: Die Klimakrise ist da, die Klimaziele werden steigen und der Kohleausstieg muss schneller kommen." Dass 2025 nur ein Viertel der vereinbarten zehn Millionen Tonnen CO2 reduziert werden solle, "sei ein klarer Bruch mit dem Kohlekompromiss".

Die zusätzliche Inbetriebnahme des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Datteln IV führt nach Angaben Nieberts zudem dazu, dass Abschaltungen zunächst die Mehremissionen "nicht kompensieren können". Mit der Entscheidung habe die Bundesregierung auch die Chance verpasst, einen "gesellschaftlichen Großkonflikt" zu befrieden. "Der Widerstand wird weitergehen und Region, Bewohner und Beschäftigte werden nicht zur Ruhe kommen."

Die Entscheidung für Datteln stieß auch bei Greenpeace auf scharfen Protest. "In Australien brennen die Wälder, Millionen Menschen demonstrieren für Klimaschutz - und die Bundesregierung macht den Weg frei für ein weiteres Kohlekraftwerk", kritisierte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser, der ebenfalls am Kohlekompromiss der Kommission "Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung" mitgewirkt hatte. 

Die mit Vertretern aus Politik, Industrie, Wissenschaft, Gewerkschaften und Umweltverbänden besetzte Kommission hatte sich im vergangenen Januar nach schwierigen Beratungen unter anderem auf die Empfehlung verständigt, für bereits gebaute, aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke "eine Verhandlungslösung zu suchen, um diese Kraftwerke nicht in Betrieb zu nehmen".

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verwies hierzu am Donnerstag darauf, dass sich herausgestellt habe, dass es möglich sei "wesentlich mehr CO2 einzusparen, indem man ältere Steinkohlekraftwerke außer der Reihe vorzieht und stilllegt". Zum anderen habe dies auch mit der "komplexen Systematik von Entschädigungsleistungen" für die Betreiber zu tun. Dies habe am Ende dazu geführt, dass es bei der Bund-Länder-Einigung einen breiten Konsens gegeben habe, dass die Inbetriebnahme, auf die es einen Rechtsanspruch gebe, nicht verhindert werden könne.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezeichnete die Inbetriebnahme von Datteln IV hingegen als "klimapolitische Blamage" für die Bundesregierung. "Geeint hat die Klimabewegung den Hambacher Wald gerettet", erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. "Diesen Protest werden wir jetzt zum Kraftwerk Datteln IV und in die Dörfer tragen", kündigte er an.

Die Expertin für Kohlepolitik der Klima-Allianz Deutschland, Stefanie Langkamp, kritisierte vor allem, dass der Ausstieg aus der Braunkohle zu langsam vorankomme: "Nach 2022 und Anfang der 30er Jahre passiert erst mal lange nichts, viele der dreckigsten Kraftwerke gehen besonders spät vom Netz", erklärte sie. "Das ist kein stetiger Abschaltpfad, sondern ein Irrweg." Viel zu lange verursachten die Braunkohlekraftwerke "weiteren Klimaschaden".

jm/bk

© Agence France-Presse