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Russlands neuer Regierungschef will "echte Veränderungen"

383 Abgeordnete der Duma stimmten für den von Putin vorgeschlagenen Kandidaten Mischustin, Gegenstimmen gab es keine, lediglich die Abgeordneten der Kommunistischen Partei enthielten sich


Der neue russische Ministerpräsident Michail Mischustin hat in seinem ersten öffentlichen Auftritt seit seiner Nominierung "echte Veränderungen zum Besseren" angekündigt. Der 53-Jährige sprach am Donnerstag vor dem russischen Unterhaus, das ihn kurz darauf erwartungsgemäß mit breiter Mehrheit als neuen Regierungschef bestätigte. Präsident Wladimir Putin traf sich derweil mit der Arbeitsgruppe, welche die von ihm angekündigten Verfassungsreformen ausarbeiten soll.

383 Abgeordnete der Duma stimmten für den von Putin vorgeschlagenen Kandidaten Mischustin, Gegenstimmen gab es keine, lediglich die Abgeordneten der Kommunistischen Partei enthielten sich. Putin hatte den Chef der russischen Steuerbehörde am Mittwoch für das Amt des Ministerpräsidenten vorgeschlagen, nachdem die Regierung von Dmitri Medwedew als Reaktion auf die angekündigten Verfassungsreformen überraschend zurückgetreten war.

"Der Beschluss ist gefasst", sagte Parlamentspräsident Wjatscheslaw Wolodin nach der fast einhelligen Zustimmung für Mischustin und fügte hinzu: "Diese Kandidatur hat alle geeint." Die Zustimmung der Duma galt als Formalität, da die Pro-Putin-Partei Geeintes Russland 75 Prozent der Sitze in der Parlamentskammer hält. Der neue Regierungschef muss noch per Präsidentendekret bestätigt werden, er hat nun eine Woche Zeit, ein neues Kabinett zusammenzustellen.

In seiner zehnminütigen Vorstellungsrede legte Mischustin den Schwerpunkt auf wirtschaftliche und soziale Themen. Priorität habe für ihn die "Erhöhung der Reallöhne", kündigte er an. Er wolle zudem das Vertrauen der Unternehmer "zurückgewinnen" und Investitionen ankurbeln. 

Mischustin ist gelernter Ingenieur und hat in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Er machte Karriere in mehreren Behörden, bevor er 2010 Chef der Steuerbehörde wurde. Ob er nur ein Platzhalter ist oder Nachfolger Putins werden soll, ist unklar. Der Moskauer ist ein Verfechter der Modernisierung und Digitalisierung Russlands und gilt wie Putin als Eishockey-Fan. 

Die Regierung Medwedew hatte mit ihrem Rücktritt auf die Ankündigung einer Verfassungsreform durch Putin reagiert, mit der Änderungen an den politischen Strukturen in Russland vorgenommen werden sollen. Vor allem soll die Rolle des Parlaments gestärkt werden, während das Präsidialsystem beibehalten werden soll. Putin begründete die Reformen damit, dass es in der Bevölkerung "den Wunsch nach Veränderungen" gebe.

Putin traf sich derweil mit der Arbeitsgruppe, die die Änderungen an der Verfassung vorbereiten soll. Die Reformen sollten "die Entwicklung des Rechtsstaats garantieren" und "die Zivilgesellschaft stärken", sagte Putin. Westliche Staaten und Nichtregierungsorganisationen werfen Russland immer wieder vor, Menschenrechte und die Prinzipien des Rechtsstaats mit Füßen zu treten. 

Die Arbeitsgruppe zur Verfassungsreform zählt 70 Mitglieder, darunter Prominente wie der Schriftsteller Sachar Prilepin, der im Osten der Ukraine gekämpft hatte, die ehemalige Stabhochspringerin Jelena Issinbajewa und der Pianist Denis Matsuev. 

Die wichtigsten Verfassungsreformen betreffen eine Stärkung des Parlaments bei der Regierungsbildung. Es soll künftig den Ministerpräsidenten wählen, dessen Ernennung der Präsident nicht ablehnen darf. Bislang bestätigt die Duma den vom Präsidenten vorgeschlagenen Regierungschef. 

Putin plädierte zudem dafür, den Staatsrat - ein Beratergremium - zu stärken und in der Verfassung zu verankern. Dies löste Vermutungen aus, dass Putin nach dem Ende seiner Präsidentschaft im Jahr 2024 als Staatsratsvorsitzender und zugleich Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats der mächtigste Mann Russlands bleiben könnte.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte bei einem Besuch in London, es gebe "im Moment sehr viele Spekulationen, was die Hintergründe für diese Entscheidung sind". Es sei "heute schwer zu sagen, welche Absicht Präsident Putin mit dieser Verfassungsreform und der Regierungsumbildung verfolgen will".

ck/cp

Maria ANTONOVA / © Agence France-Presse