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Handwerksbetriebe spüren Aufschwung

Herbstkonjunktur: Pandemierückschläge teilweise aufgeholt, vorsichtiger Blick auf den Winter

Das Handwerk spürt einen konjunkturellen Aufschwung. Rückschläge durch die Pandemie wurden in den vergangenen sechs Monaten teilweise aufgefangen. Die Lage ist aber noch deutlich vom Boom vor Corona entfernt. Diese Ergebnisse der Herbst-Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Münster präsentierte deren Präsident Hans Hund am Freitag (26. November). 433 repräsentative Betriebe aus dem Münsterland und der Emscher-Lippe-Region haben darin Auskunft zu ihrer Situation in den vergangenen sechs Monaten gegeben.  

Die knappe Mehrheit der Betriebe (52 Prozent) meldet eine „gute“ Geschäftslage. 13 Prozent finden die Lage „schlecht“ und 35 „befriedigend“. Damit setzte sich die Konjunkturerholung nach dem Lockdown im Frühjahr fort. Auf den Winter blicken die Befragten mit vorsichtiger Skepsis – in Unsicherheit wegen Lieferengpässen und Infektionszahlen. Die Erwartungen sind insgesamt leicht negativ. Der Geschäftslageindikator, der die aktuelle Situation und Prognose zusammenfasst, erreicht 116,9 Prozentpunkte. Das ist ein Plus von 5,5 Punkten gegenüber Herbst 2020.  

Die Kapazitätsauslastung stieg seit dem Frühjahr um 7,3 deutlich auf 81,7 Prozentpunkte. Sie liegt 3,5 Punkte höher als vor einem Jahr. Der Saldo des Auftragsbestandes ist 5,9 Prozentpunkte im Plus. Im Jahresvergleich stagniert der Umsatz.

Die Betriebe erhielten also mehr neue Aufträge als sie abarbeiten konnten. Wesentlicher Grund dürften Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen sein. Die Reichweiten der Aufträge nahmen in allen Gewerbegruppen zu. Im Schnitt warten Kunden des Handwerks neun Wochen, bis sie an der Reihe sind. Das sind zwei Wochen länger als im Vorjahr beziehungsweise zwei Tage länger als vor Corona.  

Die Preise für handwerkliche Leistungen und Produkte mussten außergewöhnlich angehoben werden. Beinahe jeder zweite Betrieb (48 Prozent) berichtete von erhöhten Verkaufspreisen, 5 Prozent von gesunkenen. Die Konjunkturerholung der letzten Monate hatte Kostenanstiege bei vielen Rohstoffen und Energieträgern zur Folge. Der staatlich festgesetzte CO2-Preis verursachte eine zusätzliche Teuerung. Hinzu kamen Engpässe in den internationalen Logistikketten und bei den Produktionskapazitäten für viele Güter. Diese Faktoren werden sich voraussichtlich auch in den kommenden Monaten auf die Absatzpreise der Handwerksbetriebe auswirken, erwartet die HWK.  

Angesichts der anziehenden Konjunktur dürfte sich bei vielen Gewerken wieder ein Engpass an Fachkräften abzeichnen, so Hund. Offenbar konnten bei Weitem nicht alle offenen Stellen mit zusätzlichen Mitarbeitern besetzt werden. Hinzu kommen Leerläufe wegen fehlendem Material. Von gesunkener Beschäftigung sprechen 19 Prozent der Befragten, von gestiegener Beschäftigung 16 Prozent. Eine entsprechende Verfügbarkeit vorausgesetzt, will das heimische Handwerk im nächsten Halbjahr mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Mit dem besseren Geschäftsumfeld nahmen die Investitionen etwas zu. Die Betriebe agieren jedoch vorsichtig.  

In beiden Regionen des Kammerbezirks Münster belebte sich die Konjunktur nach dem Corona-Einbruch wieder. 

Im Münsterland geht es 54 Prozent der Befragten „gut“, 35 Prozent „befriedigend“ und 11 Prozent „schlecht“. Die Prognose kündigt eine geringfügige Abwärtsbewegung über den Winter an. Auch in der Emscher-Lippe-Region überwiegt der Anteil von 43 Prozent an Betrieben mit „guter“ Geschäftslage. 39 Prozent finden ihre Lage „befriedigend“ und 18 Prozent „schlecht“. Hier prognostizieren die Handwerksunternehmen eine deutlichere Abschwächung der Konjunktur in den nächsten Monaten.  

Hochkonjunktur haben nach wie vor die Bau- und die Ausbaugewerke. Die weiterhin hohe Nachfrage nach Wohnungen sorgte für eine kontinuierliche Entwicklung. Zuletzt sprang auch der Gewerbebau wieder an. Trotz Umsatzsteigerungen verkleinerten sich die Belegschaften im Baugewerbe etwas.  

Im Gesundheitsgewerbe dürfte es einen Nachholeffekt durch häufigere Arztbesuche und offene Läden gegeben haben. Es kam zum größten Beschäftigungszuwachs und zur besten Umsatzbewertung aller Branchen. Die Auftragslage ist prima, aber die Erwartungen wegen der Infektionslage gedämpft.

Die Beurteilung der Geschäftslage fiel bei den Anbietern für den gewerblichen Bedarf deutlich besser aus als vor einem Jahr – trotz unterbrochener Lieferketten und weit verbreiteter gestörter Produktionsabläufe in der Industrie. Dennoch ist der Auftragsbestand nur moderat und sank der Umsatz. Hier wurde im Saldo am meisten Beschäftigung reduziert.

Für die Nahrungsmittelgewerke brachte die Normalisierung des Konsumverhaltens über den Sommer eine positive Geschäftsentwicklung mit sich. Der Rückgang des Auftragsbestandes und der Beschäftigung hat sich abgeschwächt. Die Branche investierte am meisten.  

Auch im Kraftfahrzeuggewerbe ist die Geschäftslage deutlich besser als im Vorjahr, obwohl die gedrosselte Produktion der Automobilhersteller die Neuwagenverkäufe bremst. Die Betriebe erwarten von allen den deutlichsten Abschwung in den kommenden Monaten.

 

Die personenbezogenen Dienstleister leiden nach wie vor unter dem zurückhaltenden privaten Konsum und den Corona-Einschränkungen. Ihre Geschäftslage hat sich weiter negativ entwickelt. Spürbare Rückgänge gab es beim Umsatz, Auftragsbestand, der Beschäftigung und den Investitionen.

 

Einen wieder leicht zunehmenden Pandemiestress im Handwerk attestierte HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz. Diesen zeigt der Corona-Effekt-Index, mit dem monatlich ermittelt wird, in welchem Umfang das Handwerk stark bis sehr stark von der Pandemie betroffen ist. Der Index legte von Oktober bis November um 1,1 Prozentpunkte auf 19,8 Punkte zu. In den Wert fließen zehn verschiedene Parameter ein, unter anderem das Ausmaß von Beschaffungsproblemen. Seit Pandemiebeginn waren die Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten, Rohstoffen und Materialien im Handwerk noch nie so massiv wie aktuell. 93 Prozent von 495 Umfrageteilnehmern berichteten über Beeinträchtigungen durch Lieferengpässe. 34 Prozent sind stark bis sehr stark betroffen. Auch das ist der bisherige Höchststand.

 

11 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer melden Liquiditätsengpässe im Zuge der Pandemie. Es sind vor allem die Soloselbstständigen und kleinen Betriebe, bei denen Zahlungsmittel knapper werden. Einen erhöhten Kreditbedarf stellen 7 Prozent fest, besonders wiederum die Einzelunternehmer, aber auch Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten. Mit der anschwellenden vierten Coronawelle steigen auch die Kosten der Betriebe durch den Infektionsschutz an.

 

Hund appelliert an eine hohe Impfbereitschaft aller im Handwerk: „Der persönliche Impfschutz ist Arbeitsschutz, ist Betriebsschutz.“ Eine von der Politik entschiedene Impfpflicht fände die konstruktive Mitwirkung der HWK. Seinen Dank für die Verlängerung der Coronahilfen für notleidende Betriebe wegen der Pandemie verband Hund mit der Bitte um eine unkomplizierte Gestaltung der Antragstellung und eine intelligentere und effizientere Abwicklung des Verfahrens.

 

Politisch sieht Hund das Handwerk immer mehr in den Fokus rücken: „Unsere Wirtschaftsgruppe nimmt eine Schlüsselrolle bei der Realisierung von Energiewende und Klimaschutz einschließlich Gebäudesanierung und alternativen Kraftfahrzeugantrieben ein“, so der HWK-Präsident. Auch die Bewältigung der Herausforderungen im Zuge der demografischen Entwicklung erfordere das Handwerk, etwa beim barrierefreien Bauen oder in der Versorgung durch die Gesundheitsgewerke. Nur mit dem Handwerk lasse sich auch die Infrastruktur erneuern. Hund: „Dazu müssen wir noch sehr viel mehr Fachkräfte fürs Handwerk gewinnen. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung muss sich in der Gesellschaft und Erziehung noch mehr durchsetzen“. Das Handwerk verdiene mehr Wertschätzung.


  

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