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Habeck in Erklärungsnot

Habeck verteidigt Personalentscheidungen bei den Grünen

Der Grünen-Vorsitzende und designierte Vizekanzler Robert Habeck hat die Personalentscheidungen seiner Partei für die künftige Ampel-Regierung verteidigt. Der als Landwirtschaftsminister vorgesehene Cem Özdemir sei "ein begnadeter Kommunikator", was besonders im Agrarressort wichtig sei, sagte Habeck. Özdemir markierte derweil bereits Themenfelder, die er in seinem neuen Amt angehen will. So kündigte er striktere Auflagen für die Fleischindustrie an. Zudem will er die Bauern für mehr Klimaschutz gewinnen.

Habeck sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", Özdemir verstehe es gut, "unterschiedliche Interessen zusammenzubringen". Dies sei eine wichtige Fähigkeit für das Agrarressort: "Die Landwirtschaft ist ein Gebiet, in dem unterschiedliche Erwartungen sehr hart aufeinanderprallen." Das wisse er aus eigener Erfahrung in Schleswig-Holstein, fügte Habeck hinzu, der dort sechs Jahre Agrarminister war.

Özdemir habe "in seiner politischen Karriere immer vor allem an der Versöhnung von Ökonomie und Ökologie gearbeitet". Beides gehöre "in kaum einem Bereich so eng zusammen" wie in der Landwirtschaft, betonte Habeck. 

Auch für die gesamte grüne Partei sei Özdemirs Nominierung ein Aushängeschild: "Erstmals wird ein Kind einer türkischen Einwandererfamilie deutscher Bundesminister – und zwar nicht in einem Bereich, der mit Migrationsfragen verbunden ist, sondern im deutschesten Ressort überhaupt, wenn man so will."

Der Grünen-Chef rechtfertigte auch die Nichtberücksichtigung der beiden Fraktionsvorsitzenden: "Toni Hofreiter und auch Katrin Göring-Eckardt haben große Verdienste und die Fraktion über Jahre erfolgreich geführt", sagte er. "Aber wenn man viele gute Leute hat und nur eine begrenzte Anzahl an Ressorts, dann ist die Auswahl immer ein schmerzhafter Prozess, der manchmal schwierige Entscheidungen erfordert." Hofreiter war im Vorfeld als Landwirtschaftsminister gehandelt worden, Göring-Eckardt als Familienministerin.

Habeck äußerte sich auch zu den weiteren Grünen-Kabinettsposten. "Mit Steffi Lemke kommt eine Ostdeutsche ins Kabinett, die profunde Kenntnisse im Umweltbereich hat", sagte er. Die designierte Familienministerin Anne Spiegel habe sich bereits in Rheinland-Pfalz im selben Amt bewährt. Und die bisherige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth werde "als Kulturstaatsministerin eine starke Stimme sein", weil sie "seit vielen Jahren die Kulturszene" präge. Habeck übernimmt das neue Ministerium für Klimaschutz und Wirtschaft, Ko-Parteichefin Annalena Baerbock wird Bundesaußenministerin.

Derweil kündigte Özdemir an, striktere Auflagen für die Fleischindustrie einführen zu wollen. "Wer Fleisch essen will, kann das gerne tun. Wer Fleisch produziert, darf das auch tun, aber unter Berücksichtigung des Tierwohls, des Klimaschutzes und nicht zu Lasten unserer Umwelt", sagte der designierte Agrarminister der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten" (Samstagsausgaben). 

Ihm gehe es um die Höfe und die Menschen, die täglich hochwertige Lebensmittel produzierten - "nicht um industrielle Massentierhaltung, die Tiere als Billigware verramscht". Özdemir stellte eine verbindliche Haltungsform-Kennzeichnung für Fleisch in Aussicht: "Wir werden auch dafür sorgen, dass die Investitionsförderung künftig auf gute Haltungsbedingungen in den Ställen ausgerichtet wird", sagte der Grünen-Politiker, der seit seiner Jugend Vegetarier ist.

Dem "Spiegel" sagte Özdemir, er wolle den Klimaschutz in der Landwirtschaft vorantreiben. "In der Vergangenheit war es doch immer so im Kabinett: Die Umweltministerin gab eigentlich ganz gute Klima- und Umweltziele vor, dann kam der damalige Wirtschaftsminister, der Verkehrsminister oder eben die damalige Landwirtschaftsministerin und hat den Klima- und Artenschutz in die Tonne getreten." 

Das werde die künftige Ampelregierung anders machen, sagte Özdemir. "Klimaschutz ohne Landwirtschaft kann nicht gelingen, Gesellschaft ohne Landwirtschaft auch nicht." Özdemir hatte sich bislang auf Verkehrs- und Außenpolitik konzentriert. Er verwies aber auf familiäre Verbindungen in die Landwirtschaft: "Bevor mein Vater als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen ist, war er Landwirt aus einfachsten Verhältnissen."

cha/ans

Foto und Text AFP