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Auflösung von Memorial-Organisation

Der Oberste Gerichtshof Russlands hat mit der Verhandlung über die Auflösung eines zentralen Teils der Menschenrechtsorganisation Memorial begonnen.

Das Gericht prüfte am Donnerstag einen Antrag der Staatsanwaltschaft, die Organisation Memorial International aufzulösen. Diese koordiniert die Arbeit der regionalen Einheiten des Menschenrechts-Netzwerks. Memorial gilt als eine der wichtigsten Bürgerrechtsgruppen Russlands.

Als Zeichen der Solidarität versammelten sich am Donnerstagmorgen dutzende Menschen vor dem Gericht. Einige von ihnen trugen eine schwarze Maske mit der Aufschrift "Memorial kann nicht verboten werden".

Ein Verbot der 1989 von sowjetischen Dissidenten, darunter dem Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow, gegründeten Organisation wäre ein schwerer Schlag für die letzten verbleibenden Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Wie Memorial-Gründungsmitglied Irina Schtscherbakowa der Nachrichtenagentur AFP vor der Anhörung sagte, will die russische Regierung mit dem Verfahren eine Botschaft senden: "Wir machen mit der Zivilgesellschaft hier, was wir wollen." 

Die Staatsanwaltschaft wirft Memorial International vor, mehrfach gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" verstoßen zu haben. Die Organisation ist von den russischen Behörden seit 2016 als "ausländischer Agent" eingestuft. Dies erschwert die Arbeit der Organisation, da sie beispielsweise ihre Finanzierungsquellen offenlegen sowie alle Publikationen mit einem Hinweis versehen muss. 

Einer der Leiter von Memorial International, Oleg Orlow, hatte der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag gesagt, dass die Auflösung von Memorial International die Arbeit des Netzwerks "stark" erschweren würde. Die Gruppe hätte dann keine Rechtsgrundlage mehr für die Einstellung von Mitarbeitern, den Empfang von Geldern oder die Lagerung ihrer Archive.

Neben der Auflösung des Netzwerks fordert die Moskauer Staatsanwaltschaft auch die Auflösung des Menschenrechtszentrums von Memorial in der Hauptstadt. Diese Einrichtung leistet unter anderem politischen Gefangenen, Migranten und sexuellen Minderheiten Unterstützung. Dem Zentrum werden ebenfalls Verstößen gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" vorgeworfen. Zusätzlich wird es auch der Verherrlichung von "Extremismus und Terrorismus" beschuldigt, weil es eine Liste von Gefangenen veröffentlicht hatte, die Mitglieder in verbotenen religiösen Bewegungen sind. 

Am Dienstag hatte ein Moskauer Gericht erstmals über die Vorwürfe gegen das Zentrum verhandelt. Das Verfahren soll in den kommenden Tagen fortgesetzt werden.

Mit den Gerichtsverfahren gegen Memorial erhöht die russische Justiz den Druck auf die Opposition weiter. Zahlreiche Aktivisten flohen aus Russland. Kreml-Kritiker Alexej Nawalny sitzt in Haft, viele der von ihm gegründeten Organisationen mussten die Arbeit einstellen. 

Memorial begann ursprünglich mit der Dokumentation stalinistischer Hinrichtungen und der Geschichte des Gulag-Systems, bevor die Organisation ihre Aktivitäten auf den Schutz von Menschenrechten und politischen Gefangenen ausweitete.

©AFP