Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Was gegen den Hass helfen könnte

Ideen wie man mit der wachsenden Spaltung in der Gesellschaft umgehen sollte, sind rar. Einer der dazu inspirieren könnte, ist der Journalist Bastian Berbner. Er hat zu diesem Thema ein interessantes Buch geschrieben

Bastian Berbner war mit seinem Buch „Geschichten gegen den Hass“ Gast beim Grünen Kreisverbandes Münster und diskutierte beim Debatte e.V seine Thesen. Im Münstraner Café Floyds stellte er am vergangenen Donnerstag (9. Januar) vor rund 60 interessierten Bürgerinnen und Bürgern seine vielfältigen Erfahrungen vor, die er in den vergangenen Jahren bei seinen journalistischen Recherchen auf der ganzen Welt gemacht hat.  

Berbner hat sich systematisch mit der Entstehung von Vorurteilen und den Möglichkeinen befasst wie man diese überwinden kann. Das Gespräch im Floyds moderierte die Grüne Sonja Völker.  

Das Phänomen der Spaltung innerhalb der Gesellschaft ist nicht allein auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt, sondern betrifft und bedroht auch unsere europäischen Nachbarn und viele andere Staaten nicht zuletzt seit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten auch die USA. Seit weltweit immer mehr nationalistische, fremdenfeindliche, rassistische und extremistische Gruppierungen in den Gesellschaften auftreten und demokratische Ordnungen, ja selbst Parlamente unterwandern und den Parlamentarismus in Frage stellen, hat sich die Spaltung der Gesellschaften in einem bedrohlichen Ausmaß verschärft.

Extremistische Gruppierungen und bürgerliche Parteien treten sich unversöhnlich gegenüber. In den sozialen Medien nehmen Beschimpfungen, Hassposts und Gewaltandrohungen immer mehr Raum ein. Es ist eine Spirale der gegenseitigen Verachtung in Gang gebracht. Tatsächlich nehmen in der Folge auch Gewalt, tätliche Übergriffe bis hin zu Anschlägen und sogar Morden zu. 

Bastian Bernbner macht für diese unheilvolle Entwicklung auch das Internet und die sozialen Medien verantwortlich, die die Gruppenbildung, Gegensätze und wachsenden Hass innerhalb der Gesellschaft und Ressentiments verstärken. Auch die Medien hätten an der wachsenden Polarisierung ihren Anteil. Durch ihre polarisierende Berichterstattung verstärken sie die Gegensätze.  

Vorurteile würden geschürt, um die Gruppenidentität und die Bindungskräfte innerhalb der Gruppierungen und Parteien zu nutzen. Dabei sind von diesen Prozessen „Wir-gegen-Die“ alle Gruppen und Parteien betroffen, die sich mit ihren Positionen und Überzeugungen - mitunter sogar diametral - gegenüberstünden. Dadurch steht, wie in der Diskussion herausgearbeitet wurde, auch die Arbeit der Parteien selbst in der Kritik. Seit dem Einzug der AfD in vielen Parlamenten sei der Ton und der Umgang miteinander rauer, herabwürdigender und unversöhnlicher geworden. Die AfD nutze jede Möglichkeit zur Skandalisierung, um durch den Gegenwind die eigenen Reihen weiter zu schließen und die eigenen Positionen weiter zu radikalisieren.  

Bastian Berbner ist Redakteur bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Daneben schreibt er unter anderem für das SZ-Magazin. Seine Texte wurden mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis, dem Deutschen Reporterpreis und dem Axel-Springer-Preis ausgezeichnet.  In seinem Buch "180 Grad. Geschichten gegen den Hass" befasst er sich mit der Frage, was wir tun können gegen Hass und Vorurteile, die den sozialen Zusammenhalt zu zerstören drohen.  

Im Floyds erzählt Bastian Berbner Geschichten von Menschen, Gruppen und ganzen Gesellschaften, denen es gegen alle Erwartungen gelungen ist zusammenzufinden. Um diese Geschichten einzuordnen, befasst er sich auch mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, vor allem aus der Sozialpsychologie. So berichtet Berbner unter anderem von einer Familie, die eigentlich voller Vorurteile gegenüber Roma gewesen sei, aber dann miterleben musste wie eine Roma-Familie direkt über ihnen in ihr Haus zog. Der direkte Kontakt und die unmittelbare Begegnung, machte sie schließlich sogar zu Freunden. Aus diesem und anderen Beispielen leitet Bastian Berbner die Erkenntnis ab, dass wenn man sich auf Augenhöhe und als Menschen begegnet und dabei wirklich kennenlernt, man vielfach „nicht mehr hassen kann“. Wichtig sei es, sich die Empathie für den einzelnen Menschen zu erhalten und neugierig auf den anderen zu sein. Wichtig sei es auch, etwas gemeinsames zu machen und zu schaffen.  

Interessant sei in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass sich Vorurteile und Ablehnung gerade in den Bereichen entwickeln und verstärken, wo die Gruppen gar keinen direkten Kontakt mit den abgelehnten Gruppen hätten. Fremdenfeindliche Ansichten beispielsweise würden vor allem in den Regionen beispielsweise von PEGIDA in Dresden gepflegt, in denen es kaum Migranten und Asylanten gäbe. Ähnlich könne man die Ablehnung der AfD vor allem in den akademischen Kreisen der Städte beobachten, in denen man kaum mit AfD-Mitgliedern in Kontakt kommen würde.  

Berbner berichtet von einem bemerkenswerten Experiment, das in Irland umgesetzt worden ist. Dort konnten sich „willkürlich“ (nach statistischen Vorgaben) ausgeloste Bürger an der politischen Willensbildung beteiligen, indem sie in kleinen Runden (von acht Personen ein einem Tisch) beispielsweise zur gleichgeschlechtlichen Ehe und zum Schwangerschaftsabbruch diskutierten und zu gemeinsamen Entscheidungen gekommen sind. Derartige Prozesse könnte man vielleicht als Blaupause für Veränderungen nutzen, nachdem die repräsentative Demokratie in die Krise gekommen sei. Auch in Deutschland hat man auf kommunaler Ebene mit beachtlichem Erfolg derartige Prozesse initiiert – etwas beim Bürgerrat in Leipzig. Die wichtigste Erkenntnis dabei war, dass sich scheinbar unversöhnliche und von Vorurteilen genährte Gegensätze auflösen ließen und man zu einem größeren Verständnis auch kontroverser Positionen kommen konnte.  

Berbner ermutigte dazu, in politischen Prozessen mehr nach den Gemeinsamkeiten zu suchen, anstatt in den Diskussionen die Unterschiede und die Möglichkeiten der Polarisierung zu suchen. Wichtig sei die Bereitschaft, die politischen Gegner auch als Menschen wahrzunehmen und Empathie für einander zu entwickeln. Im Diskussionsprozess wurden diese Erkenntnis dankbar aufgriffen und weiter diskutiert. Dabei wurde aber auch Skepsis deutlich wie man derartige Überlegungen in der tagtäglichen politischen Arbeit berücksichtigen und umsetzen kann.  

Fotos: Jörg Bockow