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Bulgarien wählt zum dritten Mal

In Bulgarien ist am Sonntag zum dritten Mal in diesem Jahr ein neues Parlament gewählt worden.

Die beiden vorangegangenen Parlamentswahlen im April und Juli führten jeweils zu einem zersplitterten Parlament, so dass es keiner Partei gelang, eine stabile Regierungskoalition zu bilden. Die Bulgaren waren zudem zur Wahl eines Präsidenten aufgerufen. Überschattet wurde die Wahl von der bislang tödlichsten Corona-Welle im Land. 

Die Hoffnungen auf eine stabile Regierungsbildung nach dem dritten Anlauf waren gering: "Wir müssen alle wählen, aber ich befürchte, dass es alles vergeblich sein wird", sagte die 62-jährige Milena Stojanowa am Vorabend der Wahl. Während viele Bulgaren ankündigten, gar nicht erst wählen zu gehen, sagte der 35-jährige Finanzexperte Petar Angelow, er werde "ganz bestimmt wählen für einen Wandel" und "eine bessere Zukunft". 

Der Politikwissenschaftler Antoni Todor von der Neuen Bulgarischen Universität sagte der Nachrichtenagentur AFP, er hoffe, "dass die politisch Verantwortlichen ihre Lektion gelernt haben und verhandeln werden". 

Mit Verweis auf die bislang schwerste Corona-Welle im Land sagte Borjana Dimitrowa vom Forschungsinstitut Alpha: "Wir können nicht einfach keine Regierung haben." Nur knapp über 23 Prozent der 6,9 Millionen Bulgaren sind vollständig geimpft, dies ist die niedrigste Impfrate in der EU. Die Übergangsregierung war mit dem Versuch gescheitert, strengere Corona-Maßnahmen zu verhängen, um den drastischen Anstieg von Infektions- und Todeszahlen zu stoppen. Bulgarien weist eine der höchsten Todesraten weltweit auf.

"Es gibt dieses Gefühl von Chaos", sagte Todorow. Die Ungewissheit in Kombination mit steigenden Strom- und Gaspreisen hat die Wirtschaft des Landes getroffen, die Europäische Kommission senkte vergangene Woche die Wachstumsprognose für Bulgarien. 

Die konservative Gerb-Partei des langjährigen Ministerpräsidenten Boiko Borissow "nutzt dieses Gefühl sehr gut aus" mit Wahlplakaten mit dem Versprechen, "Ordnung in das Chaos" zu bringen, sagte Todorow weiter.

Umfragen zufolge könnte Borissows Partei wieder stärkste Kraft werden - eine Mehrheit ist laut Meinungsforschern jedoch nicht in Sicht. Für die meisten anderen Parteien gilt Borissow nach den massiven Anti-Korruptionsprotesten im vergangenen Jahr und zahlreichen Enthüllungen über Missbrauch öffentlicher Gelder als "inakzeptabler" Partner.

Dimitrowa rechnete damit, dass die "Wähler dazu neigen, Parteien zu wählen, die für einen Wandel stehen, denen sie eine Regierungsbildung zutrauen". Im Sommer 2020 hatten tausende Menschen bei Anti-Korruptionsprotesten gegen Borissow demonstriert. 

Die Hoffnungen richteten sich zuletzt auf Kiril Petkow und Assen Wassilew, zwei ehemalige Geschäftsmänner und Harvard-Absolventen. Ihre Bewegung "Wir setzen den Wandel fort" wurde erst im September gebildet, könnte aber zweitstärkste Partei werden und in der Lage sein, mit anderen ein breiteres Bündnis gegen Borissow zu bilden. Ihr Ziel, die Korruption auszumerzen, gewinnt an Unterstützung in dem EU-Mitgliedsland mit der höchsten Korruption. Die Bewegung liegt in Umfangen Kopf an Kopf mit den Sozialisten bei rund 16 Prozent.

Nachwahlbefragungen sollten nach Schließung der Wahllokale um 19.00 Uhr MEZ veröffentlicht werden. 

Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl bewirbt sich Amtsinhaber Radew für eine weitere fünfjährige Amtszeit. Obwohl der von den Sozialisten unterstützte Kandidat als klarer Favorit galt, erwarteten Beobachter eine Stichwahl am 21. November. 

ck/gap