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Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel

beim Treffen der Regierungschefs im Rahmen der 26. Klimakonferenz am 1. November 2021 in Glasgow:

Herr Präsident,
Exzellenzen,
meine Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich hatte die Ehre, im Jahr 1995 als Umweltministerin der Bundesrepublik Deutschland die erste Vertragsstaatenkonferenz zu leiten. Heute hier in Glasgow wird die UN-Klimakonferenz die letzte Konferenz sein, bei der ich dabei bin.

Es stellt sich natürlich die Frage: Wo stehen wir heute? Wir haben eine Vielzahl an Beschlüssen gefasst, gerade gestern wieder bei der G20 in Rom. Wir haben vor allen Dingen als unsere Leitmarkierung das Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015. Aber – und das haben wir in der Eröffnungssitzung schon gehört – wir sind nicht da, wo wir hinmüssen. Die von den Vertragsstaaten abgelieferten Reduktionsziele, die NDCs, ergeben zusammen nicht das, was wir in Paris vereinbart haben.

Die Welt hofft natürlich darauf – und ich unterstreiche das –, dass wir am Ende dieser Glasgower Konferenz besser dastehen. Dabei geht es einmal um verbesserte Ziele. Aber es geht vor allen Dingen in den nächsten Tagen um die technischen Fragen. Wie können wir unsere Zielerreichung verbindlicher messen und ein einheitliches Maß entwickeln?

Dass die Auswirkungen des Klimawandels verheerend sind, wissen wir. Wir müssen – und ich sage auch: wir können – das Pariser Abkommen umsetzen; und das nicht erst im Laufe dieses Jahrhunderts, sondern, wie wir als G20 gesagt haben, in der Mitte dieses 21. Jahrhunderts.

Wir wissen, dass in besonderer Weise die Industrieländer Verantwortung tragen. Das betrifft natürlich auch die Bundesrepublik Deutschland. Deshalb haben wir unsere Klimaziele noch einmal verschärft. Wir wollen bis 2030 gegenüber 1990 65 Prozent unserer Emissionen einsparen und bis 2045 klimaneutral sein.

Essenziell für die Glaubwürdigkeit der Industrieländer ist die Finanzierung. Deutschland und Kanada haben sich noch einmal den Delivery Plan angeschaut. Wir müssen zugeben, dass wir die Finanzierung in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar erst 2023 erreichen – verspätet, aber immerhin können wir sie erreichen. Das ist ein wichtiges Signal. Wir leisten von deutscher Seite einen beträchtlichen Beitrag und werden diesen bis 2025 auf sechs Milliarden Euro erhöhen.

Klimaneutralität zu erreichen, ist auf der einen Seite die Zielsetzung. Auf der anderen Seite sind es die konkreten Maßnahmen. Neben unseren nationalen Anstrengungen versuchen wir natürlich an verschiedenen Stellen Beiträge zu leisten. Mit der „Glasgow Leaders’ Declaration on Forests and Land Use“ stärken wir den Schutz von Wäldern. Für mich ist wichtig, dass wir bis 2030 den Waldverlust global stoppen. Wir haben eine erfolgreiche Partnerschaft mit Kolumbien, mit der wir gemeinsam mit Norwegen und dem Vereinigten Königreich den Schutz der Wälder voranbringen.

Deutschland wird auch Teil einer Initiative sein, von der ich glaube, dass sie besonders interessant ist. Mit der „Just Energy Transition Partnership“ mit Südafrika zeigen wir, wie wir aus der Nutzung von Kohle aussteigen können. Ich glaube, das wird ein Pilotprojekt für viele afrikanische Länder sein. Die Wahrheit ist natürlich sehr konkret. Dass wir gestern im Rahmen der G20 verabredet haben, die internationale Finanzierung von Kohlekraftwerken zu stoppen – und zwar jetzt –, ist sehr wichtig.

Wir werden allein mit staatlichen Aktivitäten nicht vorankommen. Denn es geht um eine umfassende Transformation unseres Lebens, Arbeitens und Wirtschaftens. Deshalb will ich hier ein klares Plädoyer für die Bepreisung von Kohlenstoffemissionen, von CO2-Emissionen ablegen. Mit einer solchen Bepreisung, die wir in der Europäischen Union schon haben, die in China eingeführt wird und die mit vielen anderen zusammen weltweit entwickelt werden muss, können wir unsere Industrie, unsere Wirtschaft dazu bringen, die technologisch besten und effizientesten Wege zu finden, um zur Klimaneutralität zu kommen. Es geht darum zu wissen, wie wir CO2-freie Mobilität, CO2-freie Industrie und CO2-freie Prozesse in unseren Lebensweisen am besten arrangieren können.

Mein klares Plädoyer ist, in der Dekade des Handelns, in der Dekade, in der wir jetzt leben, national ambitionierter zu sein, aber global Instrumente zu finden, die nicht nur Steuergelder einsetzen, sondern auch wirtschaftlich vernünftig sind. Und das ist für mich die CO2-Bepreisung.

Herzlichen Dank.