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Der Druck ist da

Die Staats- und Regierungschefs beraten unter schwierigen Vorzeichen in Glasgow.

Konfrontiert mit hohen Erwartungen angesichts der Klimakrise kommen über 120 Staats- und Regierungschefs am Montag zur Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow zusammen. Trotz des Drucks, deutlich mehr gegen die Erderwärmung zu tun, starten die Beratungen nach dem G20-Gipfel vom Wochenende aber unter schwierigen Vorzeichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird gleich zwei Mal zu den Teilnehmern sprechen.

"Es ist eine Minute vor Mitternacht und wir müssen jetzt handeln", will der britische Regierungschef Boris Johnson als Gastgeber laut vorab verbreiteten Redetextauszügen den Teilnehmern der COP 26 zurufen. Die Menschheit habe beim Klima lange auf Zeit gespielt.

Allerdings hatte sich die wichtige G20-Gruppe, die für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich zeichnet, am Wochenende in Rom nur auf einen Minimalkonsens einigen können. Das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wurde zwar bekräftigt. Ein Zieldatum wurde aber nicht genannt. Auch bei der angestrebten CO2-Neutralität konnten sich die Staaten nicht auf ein konkretes Datum einigen. Diese soll nun "bis zur oder um die Mitte des Jahrhunderts" erreicht werden. Widerstand gab es vor allem von Schwellenländern und von Staaten mit großer Produktion fossiler Energien.

Klima-Aktivisten und Umweltverbände kritisierten die Kompromisse als unzureichend. Auch UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich unzufrieden: Er verlasse Rom mit "nicht erfüllten Hoffnungen", schrieb er auf Twitter. Johnson sprach zwar von Fortschritten beim G20-Gipfel, die aber nicht ausreichten. "Wenn Glasgow scheitert, dann scheitert die ganze Sache", sagte er.

Kanzlerin Merkel hingegen sprach nach dem G20-Gipfel von einem "guten Signal für Glasgow". Es gebe nun ein "klareres Bekenntnis zu den 1,5 Grad". Bei der Weltklimakonferenz spricht sie am Montag im Plenum der Regierungschefs für Deutschland, danach hält sie eine kurze Rede zum Programmpunkt "Handeln und Solidarität - Die entscheidende Dekade".

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sieht Deutschland in Glasgow in der Rolle eines Brückenbauers. "Wir haben die Expertise, die Erfahrung und die Vertrauensbasis, die Fortschritte auf solchen Konferenzen möglich machen", sagte sie der "Rheinischen Post" vom Montag. Deutschland könne anderen Ländern im Kampf gegen den Klimawandel helfen – finanziell, aber auch mit Erfahrungen. Sie betonte auch, Deutschland komme mit einem starken neuen und rechtsverbindlichen Klimaziel nach Glasgow: "Wir werden 2045 klimaneutral, das sind fünf Jahre früher als die EU." 

Die zweiwöchige COP26 hatte am Sonntag mit eindringlichen Appellen begonnen. Die Konferenz sei die "letzte" Hoffnung, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, sagte ihr Präsident Alok Sharma. IWF-Chefin Kristalina Georgieva warnte in einem Internet-Beitrag vor der "großen Bedrohung für die makroökonomische und finanzielle Stabilität" durch den Klimawandel und forderte von allen ehrgeizigere Maßnahmen.

197 Nationen werden in Glasgow über die weitere Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verhandeln. Mit Chinas Präsident Xi Jinping und Russlands Staatschef Wladimir Putin fehlen aber die Staatsoberhäupter zweier großer Treibhausgas-Emittenten, US-Präsident Joe Biden hingegen ist vor Ort. Mit Spannung wird erwartet, ob der indische Regierungschef Narendra Modi am Montagnachmittag ehrgeizigere Klimaziele für sein Land ankündigt. Dies könnte den Druck auf China erhöhen.

Das Pariser Abkommen sieht die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, idealerweise 1,5 Grad, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter vor. Experten und die UNO warnen aber, dass die Erde derzeit auf eine Erwärmung von 2,7 Grad in diesem Jahrhundert zusteuert. Das 1,5-Grad-Ziel kann nach Ansicht von Experten nur erreicht werden, wenn die weltweiten Emissionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts halbiert werden und spätestens 2050 Klimaneutralität erreicht wird.

cp