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Türkei entsendet Truppen nach Libyen

Die Abgeordneten stimmten am Donnerstag in einer Sondersitzung für einen Antrag der Regierung, Soldaten in den nordafrikanischen Krisenstaat zu schicken

Das türkische Parlament hat den Weg für die Entsendung von Truppen nach Libyen freigemacht. Die Abgeordneten stimmten am Donnerstag in einer Sondersitzung für einen Antrag der Regierung, Soldaten in den nordafrikanischen Krisenstaat zu schicken. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan will die international anerkannte Regierung in Tripolis in ihrem Kampf gegen den abtrünnigen General Chalifa Haftar unterstützen. 

Für die Vorlage der Regierung sprach sich am Donnerstag eine klare Mehrheit von 325 Abgeordneten aus, wie Parlamentspräsident Mustafa Sentop mitteilte. Die wichtigsten Oppositionsparteien stimmten gegen das Vorhaben. Sie warnten vor einer weiteren Destabilisierung der Region. 

Das Mandat für den türkischen Militäreinsatz in Libyen ist ein Jahr lang gültig. Wie genau die militärische Unterstützung der Türkei für die Regierung in Tripolis aussehen soll, blieb zunächst jedoch offen. Auch ein Zeitpunkt für den Beginn einer möglichen Truppenentsendung wurde nicht genannt.

Bereits Ende November hatte Erdogan mit dem libyschen Ministerpräsidenten Fajes al-Sarradsch ein umstrittenes Militärabkommen geschlossen. Darin wurde vereinbart, dass Soldaten und Polizisten zu Trainings- und Ausbildungszwecken ins jeweils andere Land geschickt werden können. Einen Militäreinsatz türkischer Truppen in Libyen sah es nicht vor. Für das Militärabkommen hatte das türkische Parlament schon im Dezember grünes Licht gegeben. 

Danach hatte Erdogan allerdings seine Bereitschaft signalisiert, auch türkische Kampfeinheiten in das Krisenland zu schicken. Am Freitag bestätigte ein Sprecher Erdogans, dass die Regierung von al-Sarradsch um militärische Unterstützung im Kampf gegen Haftar gebeten habe. Der abtrünnige General wird von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten unterstützt. Die drei Staaten sind regionale Konkurrenten der Türkei. 

Auch Jordanien unterstützt die Truppen Haftars. Zudem werfen Erdogan und der UN-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salamé, der russischen Regierung vor, Söldner zur Unterstützung Haftars entsandt zu haben. Moskau bestreitet dies.

In Deutschland wurden Warnungen angesichts des türkischen Parlamentsbeschlusses laut. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Bijan Djir-Sarai, forderte eine europäische Strategie für Libyen. Die EU dürfe "nicht länger nur Russland und der Türkei dort das Feld überlassen".

Das plötzliche Militärengagement der Türkei im Krisenland Libyen hat jedoch noch einen ganz anderen Grund: Ankara und Tripolis hatten im November ein zweites Abkommen unterzeichnet, das die türkischen Seegrenzen im östlichen Mittelmeer ausweitet - um die reichen Gasvorkommen vor der Küste Zyperns ausbeuten zu können. Bei den anderen Anrainerstaaten Griechenland, Zypern und Ägypten stieß die Vereinbarung auf scharfe Kritik, da sie ihre eigenen Rechte in der Region verletzt sehen.

In den vergangenen Jahren waren im Osten der Mittelmeerinsel Zypern milliardenschwere Gasvorkommen entdeckt worden. Die Türkei fordert einen Anteil daran und hat mehrere Bohrschiffe in das Meeresgebiet entsandt.

Vor diesem Hintergrund wollten die Staats- und Regierungschefs Griechenlands, Zyperns und Israels am Donnerstagabend in Athen ein Abkommen über den Bau einer Erdgaspipeline im östlichen Mittelmeer schließen. Mit der 1872 Kilometer langen Pipeline EastMed soll Erdgas, das vor den Küsten Zyperns und Israels gefördert wird, nach Griechenland und von dort aus in weitere europäische Staaten wie Italien geleitet werden.

In Libyen herrscht seit dem Sturz und gewaltsamen Tod des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos. Die international anerkannte Einheitsregierung in Tripolis ist schwach und hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle. Haftar und seine "Libysche Nationalarmee" kontrollieren den Osten des Landes. Seit dem Beginn von Haftars Offensive auf Tripolis vor acht Monaten wurden nach UN-Angaben mehr als 280 Zivilisten getötet und mehr als 140.000 Menschen vertrieben.

muk/mid

© Agence France-Presse