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"Wir brauchen ein europäisches Forum für Religionsforschung"

Hans-Peter Großhans über die Jahrestagung der "European Academy of Religion" in Münster

„Religion and Change“ (Religion und Wandel): Unter diesem Titel findet ab dem 30. August zum ersten Mal die Jahrestagung der „European Academy of Religion“ (EuARe) in Deutschland statt. Gastgeberin ist die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster. „Religionen werden in einer Welt voller Veränderungen häufig eher als Fels in der Brandung wahrgenommen - umso mehr, wenn heilige Schriften oder Traditionen im Mittelpunkt stehen“, betont Dr. Hans-Peter Großhans, Professor für systematische Theologie an der evangelisch-theologischen Fakultät der WWU und Präsident der Akademie. Brigitte Heeke sprach mit ihm über die Inhalte der Tagung und über die Herausforderung, ein solch großes Format in Pademiezeiten zu organisieren. 

Die „European Academy of Religion“ wurde erst vor vier Jahren in Bologan gegründet, somit ist es eine relativ junge wissenschaftliche Gesellschaft – was ist ihr Anliegen? 

Wir brauchen ein europäisches Forum für alle religionsbezogenen Forschungen. In den USA gibt es die ,American Academy of Religion' bereits seit über 100 Jahren, sie hat sich zu einer wichtigen Stimme von Religionsforschern aus der ganzen Welt entwickelt. Die AAR ist unser Vorbild: Wir möchten Akteure aus den Universitäten und darüber hinaus an einen Tisch bringen, die Religionsforschung betreiben oder darin involviert sind. Inhaltlich geht es nicht nur um Religionen in Europa, eher um einen europäischen Beitrag zur Globalisierung in diesem Bereich. Neben den Impulsen aus der interdisziplinären Vernetzung, die auch das gegenseitige Verständnis fördert, motiviert uns auch der Forschungstransfer: Politik und Gesellschaft sollen von den Erkenntnissen profitieren.

Sind Religionen mit ihrer teils Jahrtausende alten Geschichte nicht immun gegen Veränderungen?

Die religiöse Landkarte Europas ist im vergangenen halben Jahrhundert vielfältiger und bunter geworden. Praktisch alle Religionen der Welt sind zunehmend präsent in Europa. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie anpassungsfähig Religionen an die moderne Welt sind. Können sich Religionen ändern, sollen sie sich überhaupt ändern? Religion ist nichts, was man wie eine Tablette schlucken kann. Aber der Glaube hilft vielen Menschen dabei, zurechtzukommen. Manche Menschen nehmen die religiöse Tradition mitunter als das einzige stabile Element in ihrem Leben wahr. Vor allem wenn die Treue zu Traditionen oder heilige Schriften im Mittelpunkt stehen, wird der Religion häufig unterstellt, sie sei unveränderlich. Oft scheint jedoch gerade die Rückbesinnung auf ihre Traditionen den Impuls zur Veränderung zu geben. Wir untersuchen daher auch die Frage, wie Religion mit Geschichte und Wandel verbunden ist. Viele Religionen pflegen eine reiche Praxis der Interpretation ihrer heiligen Schriften. Auch das kann ein Schlüssel sein, um ihr Verhältnis zum Wandel zu verstehen.

Es werden rund 900 Forscher zu der Tagung erwartet. Wie kann eine internationale Begegnung in so einer Größenordnung derzeit gelingen?

Der jährliche Kongress ist unsere zentrale Veranstaltung, und erstmals findet die Jahrestagung nicht in Bologna statt. Wir haben die Konferenz wegen der Pandemie bereits verschieben müssen, 2020 haben wir stattdessen ein verkleinertes Programm online angeboten. Diesmal können und wollen manche der Redner gerne anreisen, sofern es die jeweiligen Bestimmungen in ihrem Land zulassen. Wiederum andere werden per Video zugeschaltet sein. Alle Präsenzveranstaltungen finden so statt, dass die aktuellen Regeln eingehalten werden. Für virtuell zugeschaltete Besucher und für gestreamte Beiträge haben wir mehrere Seminarräume und Hörsäle mit einer entsprechenden Übertragungstechnik ausstatten lassen. Sie können auch online an Gesprächen teilnehmen, die virtuelle Ausstellung der Verlage ansehen oder in einer virtuellen Konferenz-Bar andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen. Wir freuen uns jedenfalls, dass die Konferenz nun in Münster stattfindet.


Weitere Infos zur Konferenz:

Die internationale Konferenz beginnt am 30. August und endet am 2. September. Die Veranstaltungen finden im hybriden Format statt – also sowohl online als auch in Präsenz, Letzteres vor allem im Fürstenberghaus (Domplatz 20-22). Den Eröffnungsvortrag hält der ehemalige Erzbischof von Canterbury, Prof. Dr. Rowan Williams, am 30. August ab 18.30 Uhr im Fürstenberghaus über Tradition, Traditionalismus und Kulturkämpfe. Weitere Informationen bietet die Tagungsseite (www.europeanacademyofreligion.org/euare2021).


Foto: Prof. Dr. Hans-Peter Großhans ist Präsident der "European Academy of Religion" (EuARe) und Hauptorganisator ihrer Jahrestagung in Münster. © Bruno Biermann