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50er-Inzidenz aus Infektionsschutzgesetz streichen

Die Bundesregierung will den Inzidenzwert 50 als zentrales Kriterium für Pandemie-Schutzmaßnahmen aus dem Infektionsschutzgesetz streichen.

"Die 50er-Inzidenz im Gesetz hat ausgedient", sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Der Wert 50 sei bei einer ungeimpften Bevölkerung sinnvoll gewesen, sagte Spahn. Angesichts der fortgeschrittenen Impfkampagne müssten nun aber andere Kriterien bei der Entscheidung über künftige Beschränkungen berücksichtigt werden. Das Gesetz solle noch vor der Wahl geändert werden.

Spahn nannte die so genannte Hospitalisierungsquote als wichtigen neuen Richtwert. Sie gibt an, wie viele Menschen wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Dieser Wert soll künftig eine zentrale Rolle spielen. 

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums liegt die Hospitalisierungsquote derzeit bei 1,3 pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie habe sie in Deutschland bei über zehn gelegen.

Die anvisierte Abkehr vom Inzidenzwert als Kriterium für Pandemiebeschränkungen könnte praktische Folgen für den Alltag haben: Der Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Behörden im Kampf gegen die Pandemie neue Beschränkungen erlassen, könnte sich dadurch nach hinten verschieben. Im aktuellen Infektionsschutzgesetz sind besondere Maßnahmen ab einer Inzidenz 50 auf regionaler Ebene vorgesehen. Ab dem Wert 100 greifen bundeseinheitliche Regeln.

Spahn sagte, er wolle noch vor der Bundestagswahl einen entsprechenden Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorlegen. Das Corona-Kabinett beauftragte den Minister am Montag nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert, zügig einen Entwurf auszuarbeiten, der dann rasch vom Kabinett verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet werden soll.

Das Bundesregierung wollte am Montag noch keine Angaben dazu machen, wie genau die künftigen Richtwerte in einem geänderten Infektionsschutzgesetz ausfallen werden. Die zuständigen Ministerien seien sich im Corona-Kabinett aber einig gewesen, dass das Gesetz wegen "neuer Bedingungen" geändert werden müsse, sagte Seibert. Diese neuen Bedingungen seien dadurch gegeben, dass die Impfkampagne fortgeschritten sei und es inzwischen genug Impfstoff gebe.

Seibert erneuerte seinen Appell an die Bürgerinnen und Bürger, sich impfen zu lassen. Derzeit handle es sich bei 90 Prozent der Patienten, die wegen einer Covid-19-Infektion im Krankenhaus liegen, um Ungeimpfte, sagte er. "Mehr und mehr handelt es sich um eine Pandemie der Ungeimpften."

Spahn äußerte sich am Montag ähnlich: "Jeder nicht Geimpfte wird sich im Herbst und Winter mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit anstecken." Trotz steigender Ansteckungszahlen könnten sich Geimpfte und Genesene darauf einstellen, dass es für sie "keine weiteren Beschränkungen geben" werde, sagte der Minister. 

Der Koalitionspartner SPD signalisierte Zustimmung zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes. "Wir brauchen diese Inzidenzzahl nicht", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf "Bild TV" mit Blick auf den 50er-Wert. "Sie ist in einer Zeit entstanden, als wir noch ganz andere Zahlen hatten, als wir noch nicht ausreichend Impfstoff hatten."

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich führte die geplante Änderung auf Forderungen aus seiner Partei zurück. "Seit Monaten drängt die SPD-Bundestagsfraktion angesichts des Fortschritts beim Impfen darauf, weitere Kriterien neben der Inzidenz im Infektionsschutzgesetz zu verankern", sagte er auf "Bild TV". "Vorstöße in diese Richtung hat die Unionsfraktion bis Ende letzter Woche leider immer wieder abgelehnt."

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen ist derweil auf 56,4 gestiegen. Bundesweit wurden binnen 24 Stunden 3668 Neuinfektionen registriert, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen meldete. Nordrhein-Westfalen überschritt dabei als erstes Bundesland wieder die Inzidenz-Marke von 100. Die Zahl der neuen Todesfälle gab das RKI mit vier an.

Deutschland befindet sich nach Einschätzung des RKI inzwischen am Beginn der vierten Corona-Welle. Auch jüngere Altersgruppen sind diesmal stark betroffen. 

pw/cne