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Stärkster Anstieg von Treibhausgasemissionen seit 1990

Für das Gesamtjahr ergibt sich ein voraussichtlicher Anstieg der Emissionen um rund 47 Millionen Tonnen CO2 gegenüber 2020.

Deutschland steht vermutlich vor dem stärksten Anstieg der Treibhausgasemissionen seit 1990. Das ergeben Berechnungen von Agora Energiewende, wie die Denkfabrik am Montag in Berlin mitteilte. Eine Analyse der Daten aus den Sektoren Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude, Verkehr und Industrie aus dem ersten Halbjahr 2021 ergebe für das Gesamtjahr einen voraussichtlichen Anstieg der Emissionen um rund 47 Millionen Tonnen CO2 gegenüber 2020.

Damit lägen die Emissionen laut Agora nur noch um 37 Prozent unter dem Niveau von 1990. Der CO2-Ausstoß würde also auch wieder hinter das Klimaziel für 2020 von 40 Prozent Emissionsminderung zurückfallen. Im vergangenen Jahr war inmitten der Corona-Pandemie eine Minderung um 40,8 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 erreicht worden.

"Der vermeintliche Erfolg von 40 Prozent Emissionsminderung im letzten Jahr war kein wirksamer Klimaschutz, sondern eine Eintagsfliege, bedingt durch Corona und Sondereffekte", erklärte der Direktor der Denkfabrik, Patrick Graichen, zu den neuen Zahlen. Die nächste Bundesregierung müsse nach der Wahl in den ersten hundert Tagen die entscheidenden Weichen für Klimaneutralität stellen. Dazu gehörten ein vorgezogener Kohleausstieg sowie eine Verdreifachung beim Ausbau von Wind- und Solaranlagen, forderte Graichen.

"Unverzügliches Handeln für ernsthaften Klimaschutz" forderte die Klima-Allianz Deutschland angesichts der dramatischen Zahlen von der Bundesregierung. Ihr Vize-Geschäftsführer Malte Hentschke-Kemper warf der Regierung vor, es vor und während der Corona-Krise versäumt zu haben, für "echten Klimaschutz und strukturelle Änderungen" zu sorgen. "Nun bekommen wird dafür die Quittung." Behauptungen, mehr Klimaschutz stehe im Widerspruch zu Freiheitsrechten, wies Hentschke-Kemper zurück. Richtig sei vielmehr: "Nur mit Klimaschutz lassen sich Freiheitsrechte auch für zukünftige Generationen sichern."

Der Umweltverband BUND warf vor allem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), aber auch den unionsregierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Bayern vor, wirksamen Klimaschutz ausgebremst zu haben. Notwendig sei jetzt ein Sofortprogramm, um den Ökostrom-Ausbau zu beschleunigen und den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen.

Von einem "Versagen" der Bundesregierung sprach auch der Umweltverband WWF. Effektive Maßnahmen wie ein Vorziehen des Kohleausstiegs und der Abbau klimaschädlicher Subventionen seien nicht angegangen worden, vielmehr sei der Braunkohle-Verbrauch im ersten Halbjahr verglichen mit dem Vorjahr um 33 Prozent gestiegen.

Auch die Organisation Germanwatch nannte als Haupttreiber der Emissionen die Kohleverstromung. "Das Klimakabinett muss umgehend Maßnahmen ergreifen, um die Volllaststunden der dreckigsten Kohlekraftwerke zurückzufahren", forderte deren Politischer Geschäftsführer Christoph Bals. Er rief auch die Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) auf, ihre Vorstellungen dazu deutlich zu machen.

"Der Erhalt der gemeinsamen Lebensbasis, des Weltklimas, ist von entscheidender Bedeutung für uns alle, egal wo wir zu Hause sind", betonte Baerbock auf einer Veranstaltung in Frankfurt/Oder. Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sprach von einem "Scheitern der Bundesregierung". Er warf Laschet und Scholz vor, ein Vorziehen des Kohleausstiegs zu verweigern. Kellner sprach von einer "großen Koalition der Klimabremser".

bk/cne


© Agence France-Presse