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Mautfirmen wollen 560 Millionen Euro

Die gekündigten Betreiberfirmen Kapsch und CTS Eventim haben erstmals beziffert, wie viel Geld sie vom Bund fordern wollen. In mehreren Schritten geltend gemacht werden sollten insgesamt rund 560 Millionen Euro

Nach dem Scheitern der Pkw-Maut haben die gekündigten Betreiberfirmen Kapsch und CTS Eventim erstmals beziffert, wie viel Geld sie vom Bund fordern wollen. In mehreren Schritten geltend gemacht werden sollten insgesamt rund 560 Millionen Euro, teilten die Unternehmen am Donnerstag mit. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) wies die Forderungen "entschieden" zurück - die Zahlen seien "falsch und entbehren jeder Grundlage".

Hintergrund ist, dass Scheuer Ende vergangenen Jahres Verträge zur Erhebung der Maut geschlossen hatte, noch bevor endgültige Rechtssicherheit über das einstige Prestigeprojekt der CSU bestand. Im Juni 2019 kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) dann allerdings die Maut-Pläne, weil diese ausländische Autofahrer diskriminiere.

Unmittelbar nach der EuGH-Entscheidung kündigte Scheuer die Verträge mit den Betreiberfirmen. Seitdem geriet der Minister angesichts der finanziellen Auswirkungen zunehmend unter Druck der Opposition. Erst in der vergangenen Woche hatte deshalb ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Vergabe und Kündigung der Betreiberverträge seine Arbeit aufgenommen. 

Nachdem die Betreiberfirmen nun das Ausmaß ihrer Forderungen bezifferten, erneuerten Oppositionspolitiker ihre scharfe Kritik an Scheuer. Das "Kartenhaus" des Ministers breche nun "komplett in sich zusammen", sagte der Obmann der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss, Christian Jung, der Nachrichtenagentur AFP. Nun stelle sich die Frage nach der Haftung und der politischen Verantwortung. Es gehe um "gewaltige Summen", sagte Jung. "Bei jedem Unternehmen wäre bei solchen Problemen und Klagen der Chef spätestens heute abberufen worden."

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Stephan Kühn, warf Scheuer vor, mit dem Geld der Steuerzahler "gepokert" zu haben. Der Verkehrsminister sei "nicht mehr zu halten" und müsse "endlich zurücktreten".

Der Linken-Haushaltsexperte Victor Perli forderte, Scheuer müsse sich für "schwere Verstöße gegen das Haushalts- und Vergaberecht verantworten". Der Maut-Skandal werde jetzt auch zu einem großen Problem für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Scheuer im Bundestag im Zusammenhang mit der Maut gerade erst für seine "sehr gute Arbeit" gelobt habe, erklärte Perli.

Unionspolitiker und auch Scheuers Ministerium hatten nach dem Scheitern der Maut wiederholt argumentiert, dass es vom Gesetzgeber den klaren Auftrag gegeben habe, die Pkw-Maut, die ab Oktober 2020 erhoben werden sollte, baldmöglichst umzusetzen. Die Verträge seien deshalb bereits 2018 geschlossen worden, um den Termin für den Beginn der Maut nicht zu gefährden, außerdem hätten "erhebliche Einnahmeverluste" aus einer Verzögerung vermieden werden sollen.

Erhebliche Forderungen machen nun allerdings Kapsch und CTS Eventim geltend, die als Gesellschafter der Firma AutoTicket die Maut für den Bund erheben sollten. Nach Angaben der Unternehmen vereinbarten die Vertragsparteien für den Fall einer Vertragsbeendigung durch den Bund, dass der entgangene Gewinn "über die Vertragslaufzeit" gilt. Außerdem sehe der Betreibervertrag "die Kompensation der Beendigungskosten vor, zu denen auch Schadensersatzansprüche der beauftragten Unterauftragnehmer gehören".

Scheuer widersprach: Die Betreiber hätten "keinen Anspruch auf Entschädigung", erklärte der Minister. Die Unternehmen hätten ihre vertraglichen Leistungen "nicht erfüllt". Zudem hätten sie nach der Kündigung die Verträge "vorsätzlich und treuwidrig" verletzt. Der Bund habe deshalb "aus mehreren triftigen Gründen gekündigt", sagte Scheuer. In diesem Fall sei die Vertragslage "ausdrücklich zu Gunsten des Bundes".

Nun droht ein womöglich langwieriges Schiedsverfahren. Nach Angaben Scheuers leitete er den Prozess für ein solches Verfahren am Donnerstag ein. Die Betreiber seien dabei zu Gesprächen Mitte Januar aufgefordert worden. Dies sei die Vorstufe für das Schiedsverfahren.

jm/cp

© Agence France-Presse

Foto: dpa/picture-alliance