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Thomas-Cook-Kunden werden komplett entschädigt

Die Gesamtschadenhöhe betrage nach vorläufigen Berechnungen 287,4 Millionen Euro, teilte Zurich mit. Dieser Summe stehen demnach aber nur 50,4 Millionen Euro gegenüber


Die Kunden des insolventen Reiseveranstalters Thomas Cook bleiben nicht auf ihrem Schaden sitzen: Der Bund springt ein und sorgt für ihre komplette Entschädigung, wie die Regierung am Mittwoch ankündigte. Der Versicherer von Thomas Cook, die Zurich Gruppe Deutschland, erstattet den Kunden nur 17,5 Prozent ihrer Ansprüche. Mehr gibt demnach die Haftungssumme von 110 Millionen Euro nicht her. 

Die Thomas Cook GmbH hatte am 25. September Insolvenz angemeldet. 140.000 Urlauber wurden davon im Urlaub überrascht. Sie wurden nach Hause gebracht, dafür zahlte Zurich 59,6 Millionen Euro. 

212.000 Kunden konnten ihre gebuchten und angezahlten Reisen nicht mehr antreten, wie ein Sprecher der Versicherung am Mittwoch sagte. Sie konnten ihre Ansprüche beim Dienstleister Kaera anmelden. 

Die Gesamtschadenhöhe betrage nach vorläufigen Berechnungen 287,4 Millionen Euro, teilte Zurich mit. Dieser Summe stehen demnach aber nur 50,4 Millionen Euro gegenüber - das ergibt sich aus 110 Millionen minus die 59,6 Millionen Euro für den Rücktransport der Urlauber im September. Es sei daher "leider notwendig", den von den Kunden geltend gemachten Ersatzanspruch anteilig zu regulieren, erklärte Zurich.

Vorstandsmitglied Horst Nussbaumer kündigte an, Zurich werde in den kommenden Tagen mit der Bearbeitung der Ansprüche beginnen. Dies werde einige Wochen in Anspruch nehmen.  

Den Rest ihres Geldes sollen die Kunden vom Staat bekommen. Es solle "möglichst einfach und kostenfrei" ausgezahlt werden, die Betroffenen müssen "aktuell nicht selbst aktiv werden", teilte die Regierung mit. 

Sie begründete ihr Vorgehen damit, dass es nicht zumutbar sei, dass die Kunden "jeweils auf sich gestellt für die Klärung der komplexen offenen Rechtsfragen sorgen müssen". Tausende von Klageverfahren müssten geführt werden, langjährige Rechtsstreitigkeiten wären die Folge. Die Regierung will eine "erhebliche Prozesslawine" verhindern und "am Ende den möglichen Schaden für den Steuerzahler so gering wie möglich" halten. 

Opposition und Verbraucherschützer hatten bereits kurz nach der Thomas-Cook-Pleite scharf kritisiert, dass die gesetzlich vorgeschriebene Garantiesumme so niedrig ist. Sie forderten schon vor Jahren, diese Summe auf 300 Millionen Euro anzuheben. 

Die Grünen-Politiker Markus Tressel und Tabea Rößner erklärten am Mittwoch, die Übernahme der Entschädigung durch den Bund sei "keine vorweihnachtliche Großzügigkeit, sondern ein Schuldeingeständnis". Mit der Begrenzung der Haftungssumme habe die Bundesregierung den Reisekonzernen jahrelang niedrigere Versicherungsprämien beschert. "Jetzt gibt die Bundesregierung Steuergelder in dreistelliger Millionenhöhe aus, um diesen Fehler zu korrigieren." 

Über die politische Verantwortung werde "intensiv zu reden sein", kündigten Tressel und Rößner an. "Hunderte Millionen Euro aus der Staatskasse sind keine Lappalie, über die man hinweggehen könnte." 

Auch der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Marcel Klinge, kritisierte, dass die Regierung eine effektive Kundengeldabsicherung seit 2017 fahrlässig verschleppt habe. "Für diese Inkompetenz müssen jetzt alle Steuerzahler haften."

Die tourismuspolitische Sprecherin der Linken, Kerstin Kassner, erklärte, die Interessen der Konzerne seien Union und SPD damals schon wichtiger gewesen als der Verbraucherschutz. Jetzt müssten die Steuerzahler einspringen, "während die Versicherung billig davonkommt".

ilo/cne

© Agence France-Presse


dpa/picture-alliance