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Mit Trampolinsprüngen gegen die Traurigkeit

Monika Büchsenschütz hat dreißig Jahre als Mototherapeutin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marsberg gearbeitet und geht jetzt in den Ruhestand. Sie schwört auf das Erfolgsgeheimnis Bewegung, das gerade für Kinder und Jugendliche, die ihren Körper ablehnen, von großer Bedeutung ist.

Wer Monika Büchsenschütz in ihrem Büro besucht, durchquert das 'Morgenland'. So heißt eine Turnhalle auf dem Gelände der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LWL-Klinik Marsberg. "Die zweite Halle nebenan haben wir 'Abendland' genannt", erklärt die Mototherapeutin, die jetzt in Rente geht. "Die Namen orientieren sich am Sonnenstand, wann in welcher Turnhalle hereinfallende Sonnenstrahlen die Atmosphäre bereichern."

Für Monika Büchsenschütz geht die Sonne auf und ihr wird warm ums Herz, wenn sie über ihre Arbeit spricht. "13 Jahre habe ich in einem Sonderkindergarten mit körperbehinderten und sprachbehinderten Kindern gearbeitet", erzählt die 63-Jährige. "1991 bin ich dann zum LWL bekommen. Das waren dreißig spannende, abwechslungsreiche und schöne Jahre. Ich hatte mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern zu tun, die Bewegungserfahrung hat vielen Patienten geholfen." 

Bei der Mototherapie gehe es darum, durch Bewegung positive Erfahrungen zu sammeln. "Wenn ich zum Beispiel auf dem Trampolin springe, geschieht etwas mit mir. Das Springen setzt sofort Energien frei und bringt gute Laune. Körper und Psyche beeinflussen sich gegenseitig."

Gerade für Kinder und Jugendliche, die sich viel mit ihrem Körper beschäftigen, ihn aber ablehnen, sei dies eine wichtige Erfahrung. Auf einer Station für Jugendliche mit Essstörungen präsentiert Monika Büchsenschütz den knallbunten "Powerhoop", eine Form des Hula-Hoop-Reifens. "Bei Essstörungen oder selbstverletzendem Verhalten hilft die Bewegung, um sich wieder wohl im eigenen Körper zu fühlen. Bereits ein kleiner Augenblick reicht aus, um einfach mal eine neue Perspektive zu bekommen oder Gefühle auszudrücken."

Jede Station der LWL-Klinik stellt besondere Anforderungen. Auf einer davon werden Kinder und Jugendliche mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit behandelt. "Da geht es auch um Psychomotorik wie Sprechen, Mimik und Gehen. Oder auch um Fühlen, Sehen, Riechen, Schmecken, unsere sensomotorischen Fähigkeiten", erklärt Büchsenschütz. "Das sind verschiedene Welten. Für jede Station brauche ich anderes Wissen. Das macht den Beruf so spannend."

Monika Büchsenschütz blickt auf ihren Tischkalender, ein Geschenk ihrer Tochter. "Der zählt hundert Tage runter. Erst hat der Countdown Spaß gemacht, aber jetzt bin ich auch melancholisch. Die Jahre sind nur so verflogen", betont die Warburgerin. "Es gab immer wieder Neues. Als Pioniere gehörten wir zu den ersten, die nach dem DTB-Konzept in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet haben. Das ist eine Verhaltenstherapie, die sich bei der Bereitschaft zur Veränderung sofort umsetzen lässt. Die Mototherapie ist ein Baustein von vielen. Gemein-sam finden wir neue Wege, um die Selbstakzeptanz zu erhöhen."

Die moderne Kinder- und Jugendpsychiatrie schreibt viele Erfolgsgeschichten. Wie die einer ehemaligen Patientin, die auch die Bewegung zu ihrem Beruf gemacht hat. "Das ist immer toll, wenn wir erfahren, wie das Leben weitergeht. Zum Beispiel lebt eine Frau mit einer Essstörung jetzt in einer Beziehung mit einem Mann zusammen und ist Krankengymnastin geworden. Ich habe viel Herzblut in meine Arbeit hineingesteckt und finde es großartig, wenn sich unsere Patient:innen so stabil in eine gesunde Richtung entwickeln", sagt Büchsenschütz.

Wieder ein anderes Arbeiten ist es auf der Station für Kinder und Jugendliche in seelischen Akut- und Notsituationen. "Da muss man manchmal die Situation einfach aushalten und schauen, was gemeinsam geht. Ich habe auch schon mit Patient:innen nur in dieselbe Richtung geblickt", sagt sie. "Die Voraussetzung für die Mototherapie ist einfach das freiwillige 'sich darauf Einlassen' und Ausprobieren."

Monika Büchsenschütz hat viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Dr. Falk Burchard, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LWL-Klinik Marsberg, sagt: "Frau Büchsenschütz hat hier eine super Arbeit geleistet, ganz besonders auch mit Jugendlichen, die sich nicht mehr selbst annehmen konnten, nicht mehr leben oder verhungern wollten. Da hat Frau Büchsenschütz vor allem durch ihr persönliches Sosein viele Herzen öffnen können. Eine tolle Fähigkeit."

Im Ruhestand wird es Monika Büchsenschütz wohl nicht langweilig werden: "Auf mich warten meine vier Enkelkinder und ich möchte mit meinem Mann reisen. Die Hauptsache im Leben ist doch, sich eine kindliche Freude zu bewahren und zu staunen. Kleinigkeiten machen das Leben aus." Wie die Sonnenstrahlen, die der Turnhalle "Morgenland" den Namen schenkten.

LWL

Foto: LWL. Monika Büchsenschütz hat dreißig Jahre als Mototherapeutin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Marsberg gearbeitet und geht jetzt in den Ruhestand.