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Belarus ist ein einziges großes Gefängnis

Tichanowskaja sieht "Schlüsselrolle" Deutschlands für Belarus

Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat an Deutschland appelliert, eine "Schlüsselrolle" bei der Lösung der politischen Krise in Belarus und der Vorbereitung von Neuwahlen zu spielen. Die belarussische Opposition zähle auf Deutschland und die anderen internationalen Partner, sagte Tichanowskaja am Sonntag auf dem Grünen-Parteitag in Berlin. Gebraucht werde eine hochrangige Konferenz, bei der belarussische Akteure und die internationale Seite einen Fahrplan für Neuwahlen entwickeln sollten.

Die Reaktion auf die Festnahme des belarussischen Regierungskritikers und Journalisten Roman Protassewitsch habe gezeigt, dass die internationale Gemeinschaft schnell und entschlossen reagieren könne, sagte Tichanowskaja in ihrer Gastrede auf dem Parteitag. "Wir können nicht zulassen, dass Diktatoren Geschichte schreiben", betonte sie mit Blick auf den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko. Dieser habe aus Belarus ein landesweites Gefängnislager gemacht.

Die deutsche Unterstützung bedeute der belarussischen Opposition sehr viel, sagte Tichanowskaja weiter. Sie dankte den Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck für deren Engagement in Osteuropa und dafür, "dass Ihr Belarus in Deutschland eine Stimme gebt".

Auch die Menschen in Belarus wollten einen neuen Anfang, dafür hätten Millionen von ihnen bei den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr gekämpft. Ihr Ehemann sei seit mehr als einem Jahr im Gefängnis und warte immer noch auf ein Gerichtsverfahren, sagte die Oppositionsführerin.

Tichanowskaja war zur Wahl angetreten, nachdem ihr Ehemann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, festgenommen und von der Präsidentschaftskandidatur ausgeschlossen worden war. Die Opposition spricht von Wahlbetrug und Fälschung, nach ihren Angaben gewann Tichanowskaja die Abstimmung gegen Lukaschenko. Auch die EU erkannte das offizielle Wahlergebnis wegen mutmaßlichen Betrugs nicht an.

Nach der Wahl waren zehntausende Oppositionsanhänger gegen Lukaschenko auf die Straße gegangen. Die belarussischen Sicherheitskräfte gingen hart gegen die Demonstranten vor, tausende wurden festgenommen und Berichten zufolge teils schwer misshandelt.

Die Oppositionsführerin ist derzeit auf Weltreise, um Politiker und Exil-Belarussen zu treffen und Unterstützer für ihre Bewegung zu gewinnen. Nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2020 verließ sie ihre Heimat. 

Am 23. Mai Wochen hatte die Festnahme Protassewitsch und seiner Partnerin Sofia Sapega international Empörung ausgelöst und die Führung in Minsk weiter isoliert. Die Festnahme erfolgte im Zusammenhang mit der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine durch die belarussischen Behörden. Die EU und die USA verhängten in der Folge neue Sanktionen gegen Belarus.

Tichanowskaja sagte, eine Woche zuvor sei sie selbst auf diesem Flug mit Ziel Vilnius gewesen, "auch ich hätte betroffen sein können", so die belarussische Oppositionsführerin.

cha/bk

© Agence France-Presse