Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen

Historische Regierungsbildung in Israel - Lapid schafft es!

Neuer Präsident Isaac Herzog ist ein Befürworter der Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt.

Nach zwölf Jahren steht die Regierung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor dem Aus: Kurz vor Fristende gelang Oppositionsführer Jair Lapid am Mittwochabend die Bildung einer Regierungskoalition ohne den langjährigen Regierungschef. "Ich habe es geschafft", erklärte der Mitte-Politiker auf Facebook. "Ich verspreche, dass diese Regierung im Dienste aller Bürger Israels arbeiten wird, derjenigen, die für sie gestimmt haben und derjenigen, die es nicht getan haben."

Nach Marathonverhandlungen gelang dem 57-jährigen ehemaligen Fernsehmoderator die Bildung einer Koalition aus acht Parteien. Die Koalitionspartner bilden das gesamte politische Spektrum ab, sie eint vor allem der Wunsch nach einem Ende der Ära Netanjahu.

Vorgesehen ist eine rotierende Ausübung des Amts des Ministerpräsidenten. Lapid, Chef der Partei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft), erklärte sich bereit, dem nationalistischen Hardliner Naftali Bennett nach dem Rotationsprinzip den Vortritt für den Posten des Regierungschefs zu überlassen. Lapid würde dann in zwei Jahren Ministerpräsident werden. "Mit Gottes Hilfe werden wir gemeinsam tun, was gut für Israel ist, und wir werden Israel wieder auf den richtigen Weg bringen", erklärte Bennett.

Um das Anti-Netanjahu-Bündnis zu realisieren, benötigte Lapid die Unterstützung einer Mehrheit der 120 Knesset-Abgeordneten. Vereinbarungen treffen musste er dafür mit sieben Parteien, darunter die Neupartei "Neue Hoffnung" des ehemaligen Netanjahu-Verbündeten Gideon Saar, die Siedler-Partei Jisrael Beitenu des säkularen Nationalisten Avigdor Lieberman, die Arbeitspartei und das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des derzeitigen Verteidigungsministers Benny Gantz. Gantz sprach in einer Erklärung auf Twitter von "einer Nacht der großen Hoffnung".

Lapid hat nun sieben Tage Zeit für die Bildung eines Kabinetts, im Anschluss muss die neue Regierung vom Parlament vereidigt werden. Beobachter rechnen damit, dass Netanjahu und seine Likud-Partei bis dahin nichts unversucht lassen werden, um die Koalition doch noch zu verhindern. Sollten einige Abgeordnete abspringen und nicht für das Bündnis stimmen, droht Israel die fünfte Parlamentswahl innerhalb von zwei Jahren.

Netanjahus Likud-Partei war als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl im März hervorgegangen, bei der Zusammenstellung einer Koalition jedoch gescheitert. Daraufhin hatte Präsident Reuven Rivlin Lapid mit der Regierungsbildung beauftragt. Am Sonntag hatte sich dann Bennett zu einem Bündnis mit Lapid bereit erklärt.

Bis kurz vor Fristende waren die Verhandlungen festgefahren. Zuletzt hatte die islamisch-konservative Partei Raam allerdings ihre Unterstützung für die Koalition des "Wandels" von Lapid und Bennett erklärt. Die Zustimmung von Raam war lange fraglich. Offenbar ließ sich Parteichef Mansur Abbas Zusagen für Gelder zusichern, die der arabischen Minderheit in Israel zugutekommen würden. Arabische Israelis machen 20 Prozent der Bevölkerung aus. 

Abbas ist nach Angaben des Politikexperten Afif Abu Much der erste arabische Politiker, der offen über eine Koalitionsbeteiligung verhandelte. Zuletzt hatten demnach arabische Abgeordnete in den 90er Jahren den damaligen Ministerpräsidenten Jitzchak Rabin unterstützt, ohne an einer Koalition beteiligt zu sein. Mehrere Abgeordnete anderer arabischer Parteien hätten bereits angekündigt, dass sie nicht mit der Regierung unter Bennett, der ein Befürworter der Siedlungspolitik im Westjordanland ist, zusammenarbeiten werden, sagte Abu Much.

Am Mittwochmittag war in Israel auch ein neuer Präsident gewählt worden. Der frühere Chef der linksgerichteten Arbeitspartei, Isaac Herzog, übernimmt das Präsidentenamt am 9. Juli von Rivlin, der nach sieben Jahren aus dem Amt scheidet. Der ehemalige UN-Botschafter seines Landes ist ein Befürworter der Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt. 

noe

Daniella CHESLOW / © Agence France-Presse