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Zwei Schläger für die deutsche Literatur

Verleger Reinhold Neven DuMont trifft Günter Wallraff

Es macht „Klatsch“. Und noch einmal „Klatsch“. Günter Wallraff hatte seine Krücken neben seinen gepolsterten Sitz geworfen. Er trägt eine Käppi – andersherum. Der Mann, der neben ihm Platz nimmt, hat auch eine auf, aber richtig herum. Seine roten Socken stechen sofort ins Auge. Lässig sitzt er da, der Reinhold Neven DuMont um mit seinem langjährigen Freund Günter zu reden. Ja, worüber eigentlich?

Von Boll bis Böll

Schon nach wenigen Sätzen merkte das vollbesetze Kleine Haus des Theater Münsters: das hier wird keine langatmige Podiumsdiskussion über die deutsche Verlagslandschaft. Nein, es war ein Gespräch zwischen Freunden. Keine Struktur, aber viel zu lachen.

Das bestimmt sowieso die Freundschaft der beiden, denn Wallraff und DuMont erinnern sich, wie sie immer länger Tischtennis zusammen gespielt hätten, als über die zu veröffentlichen Manuskripte zu reden. DuMont verlor dabei in der Regel. Man einigte sich auf die Begründung, dass er schlechter trainiert sei. Tischtennis spielte eine ganz wichtige Rolle in Wallraffs Leben: egal ob Verleger, Kritiker oder (ehemalige und derzeitige) JVA-Insassen, mit allen spielte er Tischtennis. Mit allen solle man reden und Tischtennis spielen. Selbst Timo Boll, der weltbekannte deutsche Tischtennis-Profi, den Wallraff sehr schätzt kam mal mit ins Gefängnis. Er sei ein Philanthrop dieser Boll. Genauso wie Wallraffs anderes Vorbild und Einstiegsthema des Abends: Heinrich Böll.

Besonders im zweiten Gerichtsverfahren gegen den Gerling-Konzern trat er als Gutachter auf und rettete Wallraff vor dem Schuldspruch. Man müsse sich halt verstellen um die Missstände aufzuklären war die Argumentation, nachdem Wallraff wegen einer falschen Identität angeklagt worden war. Die lex wallraff wurde eingeführt. „Das Recht ist auf der Seite der Opfer“ soll Bölls Lebensmotto gewesen sein. Ein Mentor der wichtigen Hinweise gab, ein Freund mit Nächstenliebe soll er für Wallraff gewesen sein.

Vom Türken Ali bis zum Steinesammeln

Für die Annahme falscher Identitäten ist Wallraff ja bekannt. Am Abend offenbarte er aber, dass er sich zwar äußerlich veränderte, aber innerlich teilte er das Schicksal seiner Rollen. Als Hans Esser bei der „Bild“ wurde er für die Freundin immer mehr zu Hans als zu Günter, ein skrupelloser Machtmensch. „Typisch Esser, wenn das der Wallraff wüsste“, soll seine spätere Frau gesagt haben. Und als Türke Ali atmeten beide giftigen Gase ein und mussten ungeschützt in den Schächten am Fließband arbeiteten. Danach habe der Marathonläufer Probleme mit den Bandscheiben und den Bronchien gehabt. Ein bisschen Ali sei heute noch in ihm.

„Ganz unten“ erschien im Oktober 1985, dem Todesjahr Bölls und wurde fünf Millionen mal verkauft – Rekord! Letztens wurde sein Bein steif und er musste fast in den Rollstuhl. Jetzt braucht er nur noch Krücken und kann wieder Fahrradfahren. Das freut ihn. Auch mit seinen fünf Töchtern sei er sich nähergekommen. Ein Segen für den Agnostiker, der „Gott bewahre“ nicht mehr gläubig werden will.

Einen Pfad in Köln will er nach seinem Ableben nach sich benannt wissen, als DuMont ihn nach einer möglichen Grabsteininschrift fragte. Er befindet sich in der Nähe des Heinrich-Pachl-Platzes, benannt nach einem zu früh gestorbenen Freund Wallraffs und führt in eine Siedlung in der er groß wurde. Was ihm aber wichtiger ist sind seine Steine. Wallraff sei ein leidenschaftlicher Sammler. Kein geringerer als Tony Cragg würde sich bald darum kümmern Wallraffs Steinsammlung in seinem Wuppertaler Skulpturenpark aufzunehmen. Das mache ihn glücklich.

Das war also Wallraff privat. Wer ihn wieder undercover sehen will, oder zumindest seine Nachfolger, der kann am 7. Oktober bei „Team Wallraff“ etwas neues erwarten, so Wallraff. So sei den beiden Freunden noch zu wünschen, dass sie noch mal Zeit zum Tischtennisspielen finden.

Foto: Flo