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BaWü und Bayern heben Priorisierung auf

Die niedergelassenen Ärzte in Baden-Württemberg und Bayern dürfen ab Montag alle bisher verfügbaren Coronaimpfstoffe ohne Rücksicht auf die staatlich vorgegebene Priorisierung verimpfen.

Ärzte können damit nun vollständig selbst entscheiden, wer die Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zuerst erhalten soll, nicht wie bisher nur in Bezug auf das Vakzin von Astrazeneca. In den Impf­zentren soll die Priorisierung den Angaben nach erhalten bleiben, damit dort Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf oder mit hohem Ansteckungsrisiko auf jeden Fall zuerst geimpft werden.

„Trotz einzelner Drängler impfen wir weiter erfolgreich die Schutzbedürftigen zuerst“, erklärte Baden-Würt­tembergs Ge­sund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne). Ab Montag zusätzlich impfberechtigt sind in dem Bun­desland Menschen aus der Prioritätsgruppe drei.

Rund ein Drittel der Menschen in Baden-Württemberg hat schon mindestens eine erste Impfung erhal­ten. „Bei den über 60-Jährigen geht die Impfquote bereits auf die 70 Prozent zu, das ist ein großer Erfolg für die Pandemiebekämpfung“, sagte Lucha.

Nach wie vor übersteige die Nachfrage nach Impfterminen allerdings das Angebot an Impfstoffen deutlich. Ab Juni sollten die Impfstoffmengen an die niedergelassenen Ärzte steigen, dann würden auch Betriebs­ärzte nach und nach in das Impfen einbezogen, hieß es. Beim Bund setze sich das Land zudem für mehr Impfstoff für die Impfzentren ein.

Bayerns Ge­sund­heits­mi­nis­ter Klaus Holetschek (CSU) sagte zur Aufhebung der Priorisierung: „Die Ärzte kennen ihre Patienten und können am besten einschätzen, wer die Coronaschutzimpfung am dringendsten braucht. Diese Entscheidung sorgt für eine noch flexiblere und raschere Verimpfung der vorhandenen Impfstoffe.“

Holetschek bat aber „um Verständnis, dass in den Praxen zunächst anstehende Zweitimpfungen durchge­führt werden müssen und dass die Umsetzung der neuen Strategie auch in den Praxen noch etwas Vorlauf braucht“. Impfstoff sei zudem immer noch ein sehr knappes Gut – auch wenn in den kommenden Wochen steigende Mengen für die Praxen vom Bund angekündigt worden seien.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte den Schritt zuvor nach Anga­ben von Teilnehmern in einer Rede bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion in München angekündigt. In den Impfzentren soll es demnach in Bayern ebenfalls bei dem bisherigen Verfahren mit Priorisierungen bleiben.

Bislang sind bundesweit die Impfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson unabhängig von der Prio­risierung freigegeben. Für die anderen Impfstoffe hatte dies der Bund für Juni in Aussicht gestellt. Baden-Württemberg und Bayern ziehen damit also vor.

Diskutiert wird die Freigabe der Priorisierung in vielen Bundesländern und der Ruf der Ärzte danach wird immer lauter. „Das Ziel der Herdenimmunität würde schneller wohnortnah und ohne aufwendige Einla­dungs­prozeduren erreicht werden“, sagte der Vorsitzende der Ver­tre­ter­ver­samm­lung der Kassen­ärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV), Torsten Lange, heute. „Es sollte alles getan werden, um den zunehmenden Schwung der Impfungen in den Praxen nicht auszubremsen.“

Die Priorisierung und die damit verbundene sehr aufwendige Terminkoordinierung verschlingen Lange zufolge sowohl auf Landesebene als auch in den Praxen wertvolle Zeit. Zudem bestehe immer die Gefahr, dass Impfstoff von Biontech aufgrund nicht wahrgenommener Termine verfällt, wenn zeitnah keine ande­ren Patienten in der Priorität erreichbar seien. „Jetzt ist pragmatisches Handeln und Umden­ken gefragt“, for­derte Lange.

Bundesweite Ärzteverbände haben sich indes gegen die Aufhebung der Coronaimpfpriorisierung ausge­sprochen. Dazu zählen die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, und der Vor­sitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt. Es seien noch gar nicht alle Personen mit Vorerkrankungen und erhöhtem Risiko geimpft worden, argumentierten sie.

Weigeldt sprach sich zugleich für ein der Situation angepasstes Vorgehen der Ärzte vor Ort aus. Flexibilität und Pragmatismus brächten die Impfkampagne voran. Wenn etwa kurz vor Praxisschluss Impfstoff übrig sei, dann sollte dieser unabhängig von der Priorisierung noch verabreicht werden. 

© dpa/may/aerzteblatt.de

Foto: /picture alliance, Jörg Carstensen