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Philipp Kappenstein: „80 Minuten an unser Leistungslimit gehen“

Philipp Kappenstein ist seit neun Jahren Headcoach der WWU Baskets Münster. In seiner außergewöhnlichen Trainerkarriere hat er mit den Uni-Städtern einige Höhepunkte erlebt. Ein weiterer steht nun mit den Halbfinalspielen um den Aufstieg in die ProA gegen Bochum bevor.

Im Interview spricht der Headcoach der WWU Baskets über die anstehenden Endspiele um den Aufstieg in die BARMER 2. Basketball Bundesliga ProA.


Philipp, wie hast Du letzten Samstag das 92:95 im Gruppenphasen-Spiel in Bochum gesehen?


Philipp Kappenstein: Am letzten Wochenende hat man schon einen kleinen Vorgeschmack bekommen, was zu erwarten ist: ein Spiel auf sehr, sehr hohem ProB-Niveau, in dem jeder Ballbesitz hart umkämpft sein wird. Beide Mannschaften kennen sich gegenseitig sehr gut. Durch viele knappe Spiele in den letzten Jahren ist eine sportliche Rivalität entstanden, beide Mannschaften werden sich nichts schenken.


Was erwartest Du in beiden Endspielen um den Aufstieg? Was macht das Bochumer Team vor allem aus? Hilft unser Comeback im letzten Spiel in Bochum?


Philipp Kappenstein: Die beiden Spiele werden an Intensität kaum zu überbieten sein. In Bochum hat man vergangenes Wochenende gesehen, dass beide Mannschaften in der Lage sind, gegenseitige Runs zu starten. Mit dem Ergebnis 95:92 war es ein sehr offensiv dominiertes Spiel. Das hat sicherlich ein bisschen mehr in die Karten der Bochumer Mannschaft gespielt, die offensiv wirklich sehr, sehr schwer auszurechnen sind, und sehr viele Waffen haben. Im zweiten und dritten Viertel haben wir es aus meiner Sicht liegen lassen. Wir hatten eine bravouröse Aufholjagd, aus der man viel Selbstvertrauen mitnehmen kann. Nichtsdestotrotz hat das Spiel keine Aussagekraft mehr für das erste Spiel am Freitag. Die letzten beiden Spiele waren so genannte One-Posession-Games. Von daher kann man einen sehr, sehr harten Kampf erwarten.


Nun spielen beiden Teams in Hin- und Rückspiel gegeneinander …


Philipp Kappenstein: … Das sind zwar zwei Spiele, ist aber quasi ein 80-Minuten-Spiel. Beide Mannschaften werden darum kämpfen, ans Ziel ihrer Träume zu kommen und den Aufstieg in die ProA sportlich zu schaffen. Darauf ist bei Bochum alles ausgerichtet gewesen. Auch wir haben gesagt, dass wir das zumindest anstreben. Aus meiner Sicht ist noch einmal eine Steigerung des letzten Spiels zu erwarten, weil da spätestens zur Halbzeit klar war, beide werden wahrscheinlich das Finale um den Aufstieg erreichen. Das war beiden bewusst. Deswegen war der ganz große Druck aus dem Spiel raus, weil Hanau mit 20 Punkte geführt hat. Ab Freitag ist es ganz klar noch einmal eine ganz andere Sache. Da zählt wirklich jeder Ballbesitz über die 80 Minuten. Alles was plus oder minus 10 für beide Teams im ersten Spiel endet, ist für für das jeweilige Teams jederzeit im zweiten Spiel aufholbar. Unabhängig ob heim oder auswärts: Beide Teams haben gezeigt, dass sie zu Hause und auswärts solche Runs starten können.


Welche Spielweise, welches Niveau erwartest Du? Worauf wird es ankommen?


Philipp Kappenstein: Ich erwarte, dass es ein offenes Visier gibt. Beide werden sich sicherlich noch etwas einfallen lassen. Trotz allem wird es am Ende darauf ankommen, wer kühleren Kopf bewahrt, wer die direkten Duelle auch auf den Positionen für sich entscheiden kann. Da kann man sich auf höchstes ProB-Niveau freuen.


Wie ist unsere Trainingswoche verlaufen?


Philipp Kappenstein: Sehr gut. Es war natürlich besser als letzte Woche, weil wir eine richtige Trainingswoche hatten. In der letzten Woche war es Spiel, Spiel und Spiel. Dazwischen regenerieren, werfen, vorbereiten. Diese Woche war ganz anders geartet. Man hat wie in einer Playoff-Serie bei drei Spielen ein Spiel, das man aufarbeiten kann. Man hat Regenerationszeit zwischen den Trainingseinheiten, in denen man richtig Gas geben kann. Wir haben hochintensiv trainiert, alle sind gesund. Wir haben uns sowohl konditionell, körperlich als auch auf die Intensität, die auf uns zukommt, als auch auf sportliche Belange natürlich versucht, bestmöglich einzustellen. Donnerstagabend und Freitagmorgen trainieren wir noch einmal oder werfen zumindest.


Was wünscht Du Dir von unserem Team in den beiden Duellen?


Philipp Kappenstein: Keine Brüche! Ich wünsche mir einfach für den Freitag und Sonntag, dass wir 80 Minuten an unser absolutes Leistungslimit gehen. Das haben wir bis jetzt gegen Bochum in keinem der drei Spiele geschafft, aber die Lehren daraus gezogen. Wir müssen einfach zweimal 40 Minuten den Fokus behalten, was in solch einer Intensität schwierig ist. Ich will, dass wir auf jeden Fall mit unserer Intensität, mit unserem Willen und unserem Fokus auf dem absoluten Höhepunkt sind. Von Nummer 1 bis 12, plus Trainer, plus Betreuer! Wenn man das schafft, auf dem Saisonhöhepunkt auf dem absoluten Maximum abzurufen, dann kann man, glaube ich, sehr stolz sein. Dann hat man auch sehr gute Chancen, den letzten Schritt zu gehen. Das haben wir bis jetzt gegen Bochum nicht abrufen können. Das ist natürlich unsere Aufgabe.


Wir haben einige Spieler dabei, die schon solche Situationen gemeistert haben. Hilft diese Erfahrung?


Philipp Kappenstein: Das hoffe ich doch. Es ist aber auch so, dass Bochum sehr erfahrene Spieler hat. Ich glaube, das geht Hand in Hand bei beiden Teams. Natürlich kann diese Erfahrung helfen. Natürlich hilft das, wenn Spieler schon alles gesehen haben. Ich glaube schon, dass wir da ein paar haben, die die anderen Jungs mit an die Hand nehmen können. Einige haben es auf der anderen Seite aber auch noch nie erlebt. Das wird aber bei Bochum genauso sein. Ich kann allen aus unserer Mannschaft nur wünschen, dass sie dieses Gefühl erleben, weil es gibt für einen Sportler ja nichts Bewegenderes, nichts Größeres als mit einem Sieg und einen Erfolg um den Aufstieg die Saison zu beenden.


Gibt es für Dich einen Favoriten für die beiden Duelle?


Philipp Kappenstein: Von der individuellen Stärke, vom Saisonverlauf ist Bochum – da muss man ja auch jetzt nicht tiefstapeln – trotz allem favorisiert, zumindest leicht favorisiert.


Was könnte aus Deiner Sicht ein Aufstieg für den Basketball-Standort Münster bedeuten?


Philipp Kappenstein: Das wäre wirklich phänomenal und ein Ausrufezeichen für den Standort Münster. Da haben wir aber noch mindestens 80 schweißtreibende Minuten vor uns. In denen müssen wir, um die Chance auf den Aufstieg zu haben, ans absolute Leistungsmaximum und teilweise darüber gehen.


Zwei Spiele in 47 Stunden: Hat eine der beiden Mannschaften dadurch Vor- oder Nachteile?


Philipp Kappenstein: Nein, das kann man sich abschminken. Im Endeffekt ist es so, dass beide Teams sehr tief besetzt sind. Es ist aber auch so, dass eine 12-Mann-Rotation in einem Finale relativ unwahrscheinlich ist. Bochum hat 9, 10 oder 11 – wenn alle gesund sind – absolute ProB-Topspieler. Unser ganzer Kader ist gut. Da treffen sich zwei Mannschaften von der Tiefe her wirklich auf Augenhöhe. Ich sehe da keine großen Vor- oder Nachteile.


Erwartest Du Lars Kamp wieder im Aufgebot der Bochumer?


Philipp Kappenstein: Das weiß ich nicht. Auf jeden Fall ist Lars Kamp ein weiterer sehr guter Spieler, der aber auch wieder in die Minuten einiger anderer Spieler einschneiden wird, die uns auch sehr weh getan haben am letzten Samstag. Von daher, ob es ein Spieler mehr oder weniger ist, das kann Vorteile, aber auch Nachteile haben. Lars Kamp ist ein weiterer guter Offensiv- aber auch Defensivspieler. Das ändert ihr Spiel ein bisschen. Es ist aber ja nicht so, dass wir es nicht kennen. Wir haben zweimal gegen sie mit Kamp, mit Jasinski gespielt. Das macht eigentlich keinen Unterschied.


Du hast einen Aufstieg, Pokalsiege, eine Deutsche ProB-Vizemeisterschaft erlebt. Welchen Rang nimmt diese Aufstiegschance für Dich ein?


Philipp Kappenstein: Sportlich und darum herum ist sie sicherlich gleichzusetzen mit unserem damaligen Regionalliga-Aufstieg in die ProB nach langem Anlauf. Es ist sicherlich so, dass das vom Niveau her, dass wir gespielt haben, für die Spieler und von der Intensität, aber auch ganz sicher vom Gegner her, das Beste vom Besten ist, was wir hier in den neun Jahren gemeinsam erlebt haben. Für die Spieler, mit denen wir von ein bis acht Jahren zusammen gearbeitet haben, ist das sicherlich die größte Herausforderung – im positiven Sinne. Die größte Challenge, die größte Chance. Und es ist was ganz besonderes, in so einer Finalsituation zu sein.


Was möchtest Du unsere Fans, die zu Hause am Live-Stream mitfiebern, sagen?


Philipp Kappenstein: Es ist unheimlich schade, dass sie nicht dabei sein können. Jeder Zuspruch auf unseren Social-Media-Kanälen, jedes Foto vom Livestream, jede Unterstützung, jede Nachricht erreicht unsere ganze Mannschaft. Sie befindet sich seit August in einer sehr unwägbaren Situation, wo die Saison immer wieder auf der Kippe stand, hat sich den „Arsch“ aufgerissen. Für derartige Unterstützung ist sie ist extrem dankbar. Wir wollen alles liefern, damit unsere Fans uns auch durch die schwierige Zeit die Stange halten und uns unterstützen. Wir erfahren diese Unterstützung eben auch.


Bild: Christina Pohler