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Kardinal Marx verzichtet auf Großes Verdienstkreuz

Nach massiver Kritik von Missbrauchsopfern verzichtet der Münchner Kardinal Reinhard Marx auf die für Freitag geplante Auszeichnung mit dem Großen Verdienstkreuz der Bundesrepublik durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Marx bitte Steinmeier, die Verleihung nicht vorzunehmen, erklärte ein Sprecher des Erzbistums am Dienstag in München. Der Kardinal selbst begründete den Schritt mit Rücksicht auf diejenigen, die an der geplanten Verleihung Anstoß nähmen.

Dem Erzbistum zufolge bat Marx den Bundespräsidenten in einem Brief, auf die Auszeichnung zu verzichten. "Ich bin überzeugt, dass das mit Rücksicht auf diejenigen, die offensichtlich an der Auszeichnung Anstoß nehmen, und insbesondere mit Rücksicht auf die Betroffenen, der richtige Schritt ist", habe der Kardinal geschrieben. Er hoffe, vielleicht auch ein Zeichen setzen zu können, "dass mir die weitere Aufarbeitung und nach Möglichkeit Heilung im Bereich von sexuellem Missbrauch in Kirche und Gesellschaft ein wichtiges Anliegen bleibt.

Das Bundespräsidialamt hatte zuletzt trotz der Kritik an der Auszeichnung festgehalten. Marx schrieb an Steinmeier, er wolle mit seinem Verzicht auch negative Interpretationen verhindern im Blick auf andere Menschen, denen die Auszeichnung zuteil geworden sei. "Selbstverständlich möchte ich auch dem Amt des Bundespräsidenten keinen Schaden zufügen", schrieb der Kardinal weiter.

Ihm sei bewusst gewesen, dass die Auszeichnung auch Anlass zur selbstkritischen Betrachtung seines Wirkens und der Arbeit der katholischen Kirche insgesamt sei. "Die Kritik, die nun von Menschen geäußert wird, die von sexuellem Missbrauch im Raum der Kirche betroffen sind, nehme ich sehr ernst, unabhängig von der Richtigkeit der einzelnen Aussagen in offenen Briefen und in der medialen Öffentlichkeit." Er blende diese Kritik selbstverständlich aber nicht aus.

Gegen die Entscheidung, Marx mit dem Verdienstkreuz mit Stern und damit der vierthöchsten Stufe der acht Stufen des Verdienstordens auszuzeichnen, hatte unter anderem der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln offen protestiert. Der Beirat beklagte, "der Vorwurf der Vertuschung" sei bei einigen deutschen Kirchenfürsten noch längst nicht ausgeräumt - dies sei auch bei Marx der Fall.

Der 67-jährige Marx war von 2014 bis 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Zeit brachte er weitere Aufarbeitungsschritte im Missbrauchsskandal der Kirche auf den Weg. Allerdings blieb auch unter Marx die Kritik von Missbrauchsopfern bestehen, dass der Aufklärungswille der katholischen Kirche unzureichend sei.

Im Zusammenhang mit der viel kritisierten Aufarbeitung im Erzbistum Köln geriet zudem auch Marx als Bischof in die Kritik. Während der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in einem Gutachten persönlich entlastet wurde und nach der Veröffentlichung des Gutachtens wegen persönlicher Verfehlungen mehrere ranghohe Geistliche von ihren Aufgaben entband, wird Marx vorgeworfen, bisher noch nicht solch eine schonungslose Aufarbeitung betrieben zu haben.

ran/cfm


Ralf ISERMANN / © Agence France-Presse