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Infektionsschutzgesetz: worüber streiten wir eigentlich?

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - so sieht er aus:

Deutscher Bundestag Drucksache 19/28444 19. Wahlperiode 13.04.2021

Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

A. Problem und Ziel

Die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 hat seit Beginn des Jahres 2021 durch das Auftreten von eigenschaftsveränderten, ansteckenderen Virusvarianten, insbesondere der inzwischen in Deutschland mehrheitlich für das Infektionsge-schehen verantwortlichen Variante B.1.1.7, zusätzlich an Dynamik gewonnen.

Trotz der bereits durchgeführten Impfungen bei hochbetagten und besonders vul-nerablen Bevölkerungsgruppen hat sich in den letzten Wochen eine erhebliche Zunahme der Belastung im Gesundheitssystem ergeben.

Um der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit zu entsprechen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als überragend wichtigem Gemeingut und damit die bestmögliche Krankenversorgung weiterhin sicherzustellen, ist es erforderlich, eine bundesgesetzliche Grundlage zu schaffen, um sicherzustellen, dass bei einem hohen Infektionsgeschehen hinreichend weitgehende Maßnahmen ergriffen werden, um den R-Wert verlässlich unter 1 zu senken und damit eine Abschwächung des Infektionsgeschehens zu erreichen.

Deshalb sind Maßnahmen nach bundes-einheitlichen Standards erforderlich, die in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt dann greifen, wenn die besonderen Maßnahmen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 pro 100.000 Einwohner nicht hinreichend wirksam waren, um eine Verdopplung der Inzidenz auf 100 zu verhindern.

B. Lösung

Der Gesetzentwurf schließt zwei wesentliche Lücken im geltenden Infektions-schutzgesetz (IfSG): Es wird eine bundesweit verbindliche Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 eingeführt.

Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag zusätzliche verhältnismäßige Maßnahmen.

Sofern Maßnahmen in einem Land strenger sind als der Katalog des § 28b IfSG, so gelten diese fort.

Sinkt in dem entsprechenden Landkreis oder der kreisfreien Stadt die Sieben-Tages-Inzidenz unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an fünf aufeinander folgenden Werktagen, so tritt dort ab dem übernächsten Tag die Notbremse außer Kraft. 

Zudem wird die Bundesregierung ermächtigt, zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen.

Die Rechtsverordnungen sind an die Überschreitung einer Inzidenz von 100 geknüpft. Damit werden dem Bund zusätzlich weitere Handlungsmöglichkeiten gegeben, um eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes zu gewährleisten. Ebenso wie § 28a IfSG gelten auch § 28b IfSG und die auf ihm fußenden Maßnahmen und Vorschriften nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag.

C. Alternativen

Keine.

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1 Änderung des Infektionsschutzgesetzes Das Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 28a folgende Angabe eingefügt: „§ 28b Bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei besonderem Infektionsgeschehen, Verordnungsermächtigung“.

2. Nach § 28a wird folgender § 28b eingefügt: „§ 28b Bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei besonderem Infektionsgeschehen, Verordnungsermächtigung (1) Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die nach § 28a Absatz 3 Satz 13 durch das Robert Koch-Institut veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag die folgenden Maßnahmen:

1. Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum sind nur gestattet, wenn an ihnen höchstens die Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres teilnehmen; Zusammenkünfte, die ausschließlich zwischen den Angehörigen desselben Haushalts, ausschließlich zwischen Ehe- oder Lebenspartnerinnen und -partnern, oder ausschließlich in Wahrnehmung eines Sorge- oder Umgangsrechts oder im Rahmen von Veranstaltungen bis 15 Personen bei Todesfällen stattfinden, bleiben unberührt.

2. Der Aufenthalt von Personen außerhalb einer Wohnung oder einer Unterkunft und dem jeweils dazu-gehörigen befriedeten Besitztum ist von 21 Uhr bis 5 Uhr des Folgetags untersagt; dies gilt nicht für Aufenthalte, die folgenden Zwecken dienen:

a) der Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, insbesondere eines medizinischen oder veterinärmedizinischen Notfalls oder anderer medizinisch unaufschiebbarer Behandlungen,

b) der Berufsausübung im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit diese nicht gesondert eingeschränkt ist, der Ausübung des Dienstes oder des Mandats, der Berichterstattung durch Vertreterinnen und Vertreter von Presse, Rundfunk, Film und anderer Medien,

c) der Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts

d) der unaufschiebbaren Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger oder der Begleitung Sterbender,

e) der Versorgung von Tieren oder

f) aus ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Gründen.

3. Die Öffnung von Freizeiteinrichtungen wie insbesondere Freizeitparks, Indoorspielplätzen, von Einrichtungen wie Badeanstalten, Spaßbädern, Hotelschwimmbädern, Thermen und Wellnesszentren sowie Saunen, von Einrichtungen wie insbesondere Diskotheken, Clubs, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen, Prostitutionsstätten und Bordellbetrieben, sowie gewerbliche Freizeitaktivitäten, Stadt-, Gäste- und Naturführungen aller Art, von Seilbahnen, der Fluss- und Seenschifffahrt im Ausflugsverkehr, von touristischen Bahn- und Busverkehren und Flusskreuzfahrten, sind untersagt.

4. Die Öffnung von Ladengeschäften und Märkten mit Kundenverkehr für Handelsangebote ist untersagt, wobei der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, ebenso Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte mit den Maßgaben ausgenommen sind, dass

a) der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, untersagt ist,

b) für die ersten 800 Quadratmeter Gesamtverkaufsfläche eine Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden je 20 Quadratmeter Verkaufsfläche und oberhalb einer Gesamtverkaufsfläche von 800 Quadratmetern eine Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden je 40 Quadratmeter Verkaufsfläche eingehalten wird, wobei es den Kundinnen und Kunden unter Berücksichtigung der konkreten Raumverhältnisse grundsätzlich möglich sein muss, beständig einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zueinander einzuhalten und

c) in geschlossenen Räumen von jeder Kundin und jedem Kunden jeweils eine Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder eine medizinische Atemschutzmaske zu tragen ist.

5. Die Öffnung von Einrichtungen wie Theatern, Opern, Konzerthäusern, Bühnen, Musikclubs, Kinos mit Ausnahme von Autokinos, Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten sowie zoologischen und botanischen Gärten sowie entsprechende Veranstaltungen sind untersagt.

6. Die Ausübung von Sport ist nur zulässig in Form von kontaktloser Ausübung von Individualsportarten, die allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands ausgeübt werden sowie bei Ausübung von Individual- und Mannschaftssportarten im Rahmen des Wettkampf- und Trainingsbetriebs der Berufssportler und der Leistungssportler der Bundes- und Landeskader, wenn

a) die Anwesenheit von Zuschauern ausgeschlossen ist,

b) nur Personen Zutritt zur Sportstätte erhalten, die für den Wettkampf- oder Trainingsbetrieb oder die mediale Berichterstattung erforderlich sind, und

c) angemessene Schutz- und Hygienekonzepte eingehalten werden.

7. Die Öffnung von Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes ist untersagt; dies gilt auch für Speiselokale und Betriebe, in denen Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle abgegeben werden; von der Untersagung sind ausgenommen:

a) Speisesäle in medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen oder Einrichtungen der Betreuung,

b) gastronomische Angebote in Beherbergungsbetrieben, die ausschließlich der Bewirtung der zulässig beherbergten Personen dienen,

c) Angebote, die für die Versorgung obdachloser Menschen erforderlich sind,

d) die Bewirtung von Fernbusfahrerinnen und Fernbusfahrern sowie Fernfahrerinnen und Fernfahrern, die beruflich bedingt Waren oder Güter auf der Straße befördern und dies jeweils durch eine Arbeitgeberbescheinigung nachweisen können

e) nichtöffentliche Personalrestaurants und nichtöffentliche Kantinen, wenn deren Betrieb zur Aufrechterhaltung der Arbeitsabläufe beziehungsweise zum Betrieb der jeweiligen Einrichtung zwin-gend erforderlich ist, insbesondere, wenn eine individuelle Speiseneinnahme nicht in getrennten Räumen möglich ist; ausgenommen von der Untersagung sind ferner die Auslieferung von Speisen und Getränken sowie deren Abverkauf zum Mitnehmen; erworbene Speisen und Getränke zum Mitnehmen dürfen nicht am Ort des Erwerbs oder in seiner näheren Umgebung verzehrt werden; der Abverkauf zum Mitnehmen ist zwischen 21 Uhr und 5 Uhr untersagt; die Auslieferung von Speisen und Getränken bleibt zulässig.

8. Die Ausübung und Inanspruchnahme von Dienstleistungen, bei denen eine körperliche Nähe zum Kunden unabdingbar ist, ist untersagt, wobei Dienstleistungen, die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen, sowie Friseurbetriebe jeweils mit der Maßgabe ausgenommen sind, dass von den Beteiligten unbeschadet der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen und soweit die Art der Leistung es zulässt Atemschutzmasken (FFP2 oder vergleichbar) zu tragen sind; vor der Wahrnehmung von Dienstleistungen eines Friseurbetriebs ist durch die Kundin oder den Kunden ein negatives Ergebnis einer innerhalb von 24 Stunden vor Inanspruchnahme der Dienstleistung mittels eines anerkannten Tests durchgeführte Testung auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorzulegen.

9. Bei der Beförderung von Personen im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr einschließlich der entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen samt Taxen und Schülerbeförderung besteht für Fahrgäste sowie für das Kontroll- und Servicepersonal, soweit es in Kontakt mit Fahrgästen kommt, sowohl während der Beförderung als auch während des Aufenthalts in einer zu dem jeweiligen Verkehr gehörenden Einrichtung die Pflicht zum Tragen einer Atemschutz-maske (FFP2 oder vergleichbar); eine Höchstbesetzung der jeweiligen Verkehrsmittel mit der Hälfte der regulär zulässigen Fahrgastzahlen ist anzustreben.

10. Die Zurverfügungstellung von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken ist untersagt.

(2) Unterschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt ab dem Tag nach dem Eintreten der Maßnahmen des Absatzes 1 an fünf aufeinander folgenden Werktagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100, so treten an dem übernächsten Tag die Maßnahmen des Absatzes 1 außer Kraft.

(3) Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sind bei Teilnahme am Präsenzunterricht zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu testen.

Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 200, so ist ab dem übernächsten Tag für Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen die Durchführung von Präsenzunterricht untersagt. Die nach Landesrecht zuständigen Stellen können nach von ihnen festgelegten Kriterien eine Notbetreuung einrichten. Für Einrichtungen nach § 33 Nummer 1 und 2 gelten die Sätze 2 und 3 entsprechend. Für das Außerkrafttreten dieser Maßnahmen gilt Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der relevante Schwellenwert bei 200 liegt. Abschlussklassen und Förderschulen können von der Untersagung nach Satz 2 ausgenommen werden.

(4) Weitergehende Schutzmaßnahmen auf Grundlage dieses Gesetzes bleiben unberührt.

(5) Versammlungen im Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes sowie Zusammenkünfte, die der Religionsausübung im Sinne des Artikels 4 des Grundgesetzes dienen, unterfallen nicht den Beschränkungen nach Absatz 1.

(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnungen für Fälle, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100 überschreitet, Gebote und Verbote nach § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 und § 28a Absatz 1 zur Bekämpfung von Krankheiten, die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht werden, zu erlassen. Solche Rechtsverordnungen können insbesondere weitergehende Vorschriften und Maßnahmen des Infektionsschutzes, Präzisierungen, Erleichterungen oder Ausnahmen vorsehen sowie be-sondere Regelungen für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem CoronavirusCoV-2 vorlegen können.

Rechtsverordnungen der Bundesregierung nach Satz 1 bedürfen der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.

Die Zustimmung des Bundestages gilt als erteilt, wenn der Bundestag nicht binnen sieben Tagen nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat.

(7) Das Land Berlin und die Freie und Hansestadt Hamburg gelten als kreisfreie Städte im Sinne dieser Vorschrift.

Für anerkannte Tests im Sinne dieser Vorschrift werden nähere Anforderungen vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse https://www.rki.de/covid-19-tests veröffentlicht.

(8) Diese Vorschrift gilt nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 durch den Deutschen Bundestag. Dies gilt auch für Rechtsverordnungen nach Absatz 6.

(9) Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden eingeschränkt und können auch durch Rechtsverordnungen nach Absatz 6 eingeschränkt werden.“

3. In § 32 Satz 3 werden nach den Wörtern „Die Grundrechte“ die Wörter „der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes)“ und ein Komma eingefügt. 4. § 73 Absatz 1a wird wie folgt geändert:

a) Nach Nummer 11a werden die folgenden Nummern 11b bis 11k eingefügt: „11b. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 1 an einer Zusammenkunft teilnimmt, 11c. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 2 sich außerhalb einer Wohnung aufhält, 11d. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 3 eine dort genannte Einrichtung öffnet, 11e. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 4 ein Ladengeschäft oder einen Markt öffnet, 11f. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 5 eine dort genannte Einrichtung öffnet oder eine Veranstal-tung durchführt, 11g. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 6 Sport ausübt, 11h. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 7 eine Gaststätte öffnet oder Speisen oder ein Getränk vor Ort verzehrt, 11i. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 8 oder 9 erster Halbsatz eine dort genannte Gesichtsmaske nicht trägt, 11j. entgegen § 28b Absatz 1 Nummer 10 ein Übernachtungsangebot zur Verfügung stellt, 11k. entgegen § 28b Absatz 3 Satz 2 Präsenzunterricht durchführt,“.

b) In Nummer 24 werden nach den Wörtern „§ 23 Absatz 8 Satz 1 oder Satz 2“ ein Komma und die Wörter „§ 28b Absatz 6 Satz 1“ eingefügt. Artikel 2 Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch In § 421d Absatz 3 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 18. Januar 2021 (BGBl. I S.2) geändert worden ist, wird die Angabe „20“ durch die Angabe „30“, die Angabe „40“ durch die Angabe „60“, die Angabe „45“ durch die Angabe „65“ und die Angabe „90“ durch die Angabe „130“ ersetzt.

Sozialgesetzbuch § 45 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 18. Ja-nuar 2021 (BGBl. I S. 2) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In Satz 1 wird die Angabe „20“ durch die Angabe „30“ und die Angabe „40“ durch die Angabe „60“ ersetzt.

2. In Satz 2 wird die Angabe „45“ durch die Angabe „65“ und die Angabe „90“ durch die Angabe „130“ ersetzt. Artikel 4 Inkrafttreten (1) Artikel 3 tritt mit Wirkung vom 18. Januar 2021 in Kraft.

Im Übrigen tritt dieses Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft. Berlin, den 13. April 2021 Ralph Brinkhaus, Alexander Dobrindt und Fraktion Dr. Rolf Mützenich und Fraktion

Begründung

A. Allgemeiner Teil I.

Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen Am 11. März 2020 wurde die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Pandemie erklärt. Die weltweite epidemiologische Situation im Hinblick auf die Ausbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 entwickelt sich weiterhin sehr dynamisch.

Verschiedene neue Virusvarianten (Mutationen) mit ernst zu nehmenden Veränderungen in den Viruseigenschaften verbreiten sich rapide. Virusvarianten sind infektiöser und tödlicher. Durch die Verbreitung der Virusvarianten ist auch der Impferfolg gefährdet, da es möglicherweise zur Reinfektion der Geimpften kommen kann. Das Coronavirus SARS-CoV-2 ist bislang noch nicht vollständig wissenschaftlich durchdrungen. Die aktuelle infektionsepidemiologische Lage der COVID-19-Pandemie in Deutschland ist besorgniserregend. Fast alle infektionsepidemiologischen Indikatoren deuten auf eine nachteilige Entwicklung hin: die Sieben-Tage-Inzidenz für ganz Deutschland steigt schnell und liegt bereits bei über 136/100.000 Einwohner (Stand: 12. April 2021). Es handelt sich nicht um ein regional begrenztes Geschehen. Die Anzahl der Landkreise mit einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100/100.000 nimmt deutlich zu. Nach einem Rückgang zu Beginn des ersten Quartals 2021 steigen die COVID-19-Fallzahlen in allen Altersgruppen wieder an.

Wegen der Osterfeiertage ist davon auszugehen, dass nicht alle Infektionen erfasst werden. Verschiedene Virusvarianten „of concern“ (VOC) werden in Deutschland festgestellt, u. a. die Varianten B.1.1.7 (GBR), B.1.351 (ZAF), P1 (BRA). Der Anteil der VOC B.1.1.7 nimmt in Deutschland und den Nachbarländern weiterhin stetig zu und ist in diesen Staaten (inklusive Deutschland) bereits die dominierende Variante. Für KW 12 in 2021 wird vom RKI (lt. Laborverbund-Erfassung) ein B.1.1.7-Anteil von 88 % und ein Anteil der B.1.351-Variante von 0,8 % berichtet. Die Variante P1 wurde weiterhin nur in Einzelfällen (Anteil 0,1 %) detektiert. Es handelt sich um ein diffuses Geschehen, sodass oft keine konkrete Infektionsquelle ermittelt werden kann und von einer anhaltenden Zirkulation in der Bevölkerung auszugehen ist.

Nach Zahlen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin steigt seit Mitte März 2021 die Zahl der Intensivpatienten mit COVID 19 wieder deutlich an. Derzeit sind es 4.400, zu Jahresbeginn waren es knapp 5.800 Patienten. In Kürze werden wieder über 5.000 COVID-19-Patienten erwartet. Dann müsste eine Vielzahl von Krankenhäusern wieder auf Notbetrieb umstellen und die Zahl planbarer Eingriffe weiter zurückfahren. Dieser Anstieg ist mit der Verbreitung von besonders gefährlichen Virusmutationen verbunden. Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und erst wenige Therapieansätze haben sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen. Der Positivanteil der Testungen nimmt wieder zu und liegt bei über 11 %.

Das Risiko einer weiteren starken Zunahme der Fallzahlen ist deutlich erhöht. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Oberstes Ziel ist es, die weitere Verbreitung des Virus zu verlangsamen sowie das exponentielle Wachstum zu durchbrechen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems insgesamt zu vermeiden und die medizinische Versorgung bundesweit sicherzustellen.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Diese Situation gebietet ein bundeseinheitliches staatliches Handeln mit effektiven Maßnahmen zur Reduzierung der zwischenmenschlichen Kontakte, um der staatlichen Schutzpflicht für das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes im erforderlichen Maße nachzukommen und dabei insbesondere auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems als überragend wichtigem Gemeingut und damit die bestmögliche Krankenversorgung weiterhin sicherzustellen.

Festzustellen ist gegenwärtig eine bundesuneinheitliche Auslegung der gemeinsam von den Ländern in der regelmäßig stattfindenden Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Maßnahmen. Die dadurch entstehende Lücke im Schutz vor weiteren Infektionen mit COVID-19 soll durch diesen Gesetzentwurf geschlossen werden.

Dem Gesetzgeber kommt angesichts der nach wie vor ungewissen und sich dynamisch verändernden Gefahrenlage ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Der Schwellenwert für das Inkrafttreten der bundesgesetzlichen sogenannten Notbremse ist eine Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Steigt in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz auf über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an drei aufeinanderfolgenden Tagen an, so gelten dort ab dem übernächsten Tag unmittelbar zusätzlich zu den bestehenden umfassenden Maßnahmen der Länder gemäß §28a IfSG die in § 28b vorgesehenen flankierenden Maßnahmen (Absatz 1).

Diese so genannte Notbremse ist bereits angelegt in dem Beschluss der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 3. März 2021.

Sofern Maßnahmen eines Landes strenger sein sollten als der Katalog des § 28b-E, so gelten diese ergänzend fort. Sinkt in dem entsprechenden Landkreis oder der kreisfreien Stadt die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gemäß § 28a IfSG an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen, so treten dort ab dem übernächsten Tag die hier genannten Maßnahmen außer Kraft.

Es gilt dann ausschließlich wieder der Verordnungsrahmen der Länder auf Grundlage des § 28/§ 28a IfSG (Absatz 2). Nach § 28a IfSG sind besondere Maßnahmen ab einer Inzidenz von 50 auf regionaler Ebene zu ergreifen.

Steigen die Infektionszahlen weiter auf den doppelten Wert an, so ist es erforderlich, angemessen und geboten, dass der Bundesgesetzgeber sicherstellt, dass hinreichende Maßnahmen in Kraft treten, um die Senkung des Infektionsgeschehens in der jeweiligen Region wirksam zu erreichen. Dies ist auch deshalb geboten, weil dadurch ein noch höheres, sich überregional ausbreitendes Infektionsgeschehen vermieden wird, zu dessen Eindämmung ein landesweites oder länderübergreifendes Handeln erforderlich werden könnte, wie dies in den vergangenen Monaten der SARS-CoV2-Pandemie wiederholt der Fall war. Dabei ist die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in dem jeweiligen Landkreis oder der kreisfreien Stadt zum einen deshalb eine geeignete Grundlage, weil die Zahl der Neuinfektionen den frühesten Indikator bei einem zunehmenden Infektionsgeschehen darstellt.

Die daraus einige Wochen später resultierende Belastung des Gesundheitssystems und die Todesfälle lassen sich bereits aus der Zahl der Neuinfektionen unter Einbeziehung der Immunitätslage in der Bevölkerung und der Eigenschaften der vorherrschenden Virusvarianten abschätzen und folgen diesem Parameter erst mit erheblichem zeitlichen Verzug. Zum anderen sind die Sieben-Tage-Inzidenzen geeignet, weil sie auf der Grundlage tagesaktueller Meldungen der Gesundheitsämter vom Ro-bert Koch-Institut ermittelt und tagesaktuell veröffentlicht werden, mithin für jeden einfach und nachvollziehbar zur Verfügung stehen. Die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen mittelt darüber hinaus typische wochentags-bezogene Schwankungen der Meldungen der Gesundheitsämter und andere tagesbezogene Häufungen, die keine Trendaussage bedeuten, aus.

Der Höhe nach ist die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner nicht nur deshalb die angemessene Größenordnung, weil sie für einen Verdopplungszeitraum zwischen der Sieben-Tage-Inzidenz von 50 und 100 die Möglichkeit belässt, durch regional definiertes Handeln das Infektionsgeschehen einzudämmen. Sie ist auch aus weiteren Erwägungen und Erfahrungen hinsichtlich verschiedener Aspekte des Infektionsgeschehens die angemessene Größenordnung: Seit Beginn der Impfkampagne sind prioritär die Bevölkerungsgruppen geimpft worden, die ein besonders hohes Risiko für schwere Verläufe einer SARS-CoV2-Erkrankung haben. Dieser Effekt wirkt sich entlastend auf das Gesundheitswesen aus.

Gleichzeitig macht die Virusvariante B.1.1.7 inzwischen mehr als 80 % der Infektionen in Deutschland aus, sodass bereits jetzt aufgrund deren Eigenschaften mehr Fälle jüngerer Patienten mit schweren Verläufen auf die Intensivstationen aufgenommen werden, die zudem eine deutlich längere durchschnittliche Verweildauer auf der Intensivstation aufweisen als hochbetagte Patienten. Hierdurch ist damit zu rechnen, dass die Belastung für die Intensivstationen durch das Auftreten der Varianten B.1.1.7, trotz Erfolgen bei der Impfung von besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen, insgesamt noch größer wird.

Insofern ist auch weiterhin damit zu rechnen, dass bei Neuinfektionszahlen oberhalb einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner eine Überlastung des Gesundheitswesens, zum Beispiel durch die erneute Verschiebung planbarer Behandlungen anderer Krankheitsbilder, eintreten kann. Dies könnte den Anteil der vermeidbaren Todesfälle weiter erhöhen.

Textwiedergabe ohne Gewähr